Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Auf der Schattenseite des Lebens
30 Ehrenamtler verbringen am Lvr-klinikum einen Teil ihrer Freizeit mit psychisch kranken Menschen.
LUDENBERG Seit vier Jahren kümmert sich Ilse Neuenhofen am Lvr-klinikum um die Koordination der Ehrenamtlichen. „Angefangen habe ich mit fünf, inzwischen sind es rund 30 Personen, die sich zur Verfügung stellen, um hier Zeit mit den psychisch kranken Patienten zu verbringen“, sagt sie. Wobei der Begriff Patient dabei eher in den Hintergrund rückt. „Wir nehmen die Person als Mensch wahr, nicht als Patient. Ihm unvoreingenommen zu begegnen, das ist wichtig“, erklärt sie. Die Einsatzgebiete sind die allgemeine Psychiatrie, die Kinder- und Jugend-psychiatrie und Psychotherapie genauso wie die Gerontopsychiatrie. „Hier ist der Bedarf an Freiwilligen besonders groß. Zeit mit älteren Menschen zu verbringen, die sich in großen Lebenskrisen befinden oder eine starke Demenz aufweisen, dafür findet man nicht so schnell jemand“, sagt die Ehrenamtskoordinatorin.
Ansonsten sieht sie sich personell inzwischen ganz gut aufgestellt mit ihrem Team. „Wir gehen mit den Betroffenen spazieren, spielen, kegeln mit ihnen, begleiten sie auch außerhalb des Geländes. Manchmal geht es aber nur darum, sich zu unterhalten, zuzuhören, dem Menschen seine Würde zurückzugeben und ihm Wertschätzung entgegenzubringen“, erläutert Neuenhofen. Sie „rekrutiert“Interessierte über Ehrenamtsmessen und -portale, über Mundpropaganda, oft über die Diakonie. Die Freiwilligen sollten zuvor auf den Stationen hospitieren und sich dann erst entscheiden, ob ihnen eine solche Aufgabe liegt.
Ute Lorenz fand über die Musik zum Lvr-klinikum. „Das war eine Weihnachtsfeier vor sechs Jahren auf der Gerontopsychiatrischen Abteilung. Ich habe gemerkt, dass meine Musik allen sehr gefallen hat. Da kam ich ins Grübeln und habe mich entschlossen, den Menschen, die eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, etwas zurückzugeben. Die freuen sich unglaublich, wenn man Zeit mit ihnen verbringt, das gibt auch mir viel zurück“, erzählt Lorenz. Seitdem verbringt sie einmal die Woche zwei Stunden in der Klinik, plaudert mit den alten Leuten, spielt mit ihnen, verschenkt etwas von ihrer Freizeit.
Ingrid Ortgies hat lange im Ausland gelebt, war dort schon karitativ tätig und fand über die Diakonie den Weg zur Lvr-klinik. Schnell hat sie gemerkt, dass der Umgang mit älteren Menschen ihr nicht so liegt, „so weit war ich vor zwei Jahre noch nicht“. Stattdessen schnupperte sie in die Jugendpsychiatrie hinein, machte mit 13- bis 17-Jährigen Schmuckdesign-kurse und merkte, wie viel Spaß ihnen das machte.„es geht zum einen darum, diese jungen Menschen aus dem Klinikalltag herauszuholen, ihnen Normalität zu vermitteln. Aber eben auch, ihnen Erfolgserlebnisse zu bescheren“, beschreibt Ortgies. Es sind vor allem junge Mädchen, die sie betreut, „die sind oft verschlossen, manche depressiv, sie haben Essstörungen und kommen nicht selten aus schwierigen familiären Verhältnissen. Aber sie verlassen sich auf mich“. Inzwischen macht sie alle zwei bis drei Monate auch ein Bewerbungstraining mit ihnen. „Das soll ja hier nicht deren Endstation sein.“
Hannah Kirchberg ist gerade mal 19 Jahre alt, sie studiert Psychologie, „da bleibt noch einiges an Freizeit übrig“. Zwei Stunden davon verbringt sie einmal die Woche mit den älteren Patienten der Lvr-klinik. „Es gibt bessere und schlechtere Tage, das habe ich schnell herausgefunden. An den schlechteren wissen sie nicht mehr wie alt oder wo sie überhaupt sind“, berichtet die Studentin. Dann ist gezielte Gesprächsführung
gefordert. „Über die Vergangenheit, ihren Sport, die Reisen, darüber reden sie immer gerne, da gehen sie regelrecht auf“, sagt die 19-Jährige.
Sascha Mahmudovski engagiert sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Ich bin berufstätig, kann nicht immer, meist werde ich individuell angerufen und komme dann auch gerne zweimal die Woche“, sagt er. Dann versucht er sich einfach, in die Gruppe und den Small Talk zu integrieren, „dann gehen wir auch schon mal ein Eis essen, spielen Klavier, tanzen“. Vier Kinder hat Mahmudovski, „da habe ich kein Problem, mich zum Hampelmann zu machen, damit die Kinder ihre Krankheit vergessen“.
Emotionalen Ballast nimmt das Quartett nach den Stunden in der Lvr-klinik nicht mit. „Das kann ich zurücklassen“, sagt Ute Lorenz, und Hannah Kirchberg bestätigt: „Eine Freundin arbeitet auf der gleichen Station. Wir reden dann auf der Bahnfahrt nach Hause darüber, das hilft.“Für Ingrid Ortgies überwiegt das Positive, „auch wenn das Erlebte schon mal tieftraurig ist“. Und Sascha Mahmudovski betont: „Wer hier nachher nicht abschalten kann, ist schlichtweg falsch am Platz.“
Für Robert Kekez, Pressereferent der Lvr-klinik, ist es nach wie vor nicht selbstverständlich, dass sich Ehrenamtler auf diesem Gebiet engagieren: „Es geht auch darum, mentale Mauern einzureißen. Kinder mit Leukämie erfahren zu Recht Wohlwollen und Mitleid. Bei Kindern in einer psychischen Krise ist das in der Regel jedoch nicht so.“