Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Mehr als ein Trainer
Friedhelm Funkel ist nicht mehr Trainer bei Fortuna. In den Herzen der Fans wird er aber für immer einen Platz haben. Eine Würdigung.
Friedhelm Funkel hat einen Rekord für die Ewigkeit aufgestellt. Sechsmal führte er einen Verein als Cheftrainer in die Fußball-bundesliga – so oft wie niemand vor ihm und wahrscheinlich niemand nach ihm. Doch seine größte sportliche Leistung war vielleicht nicht die Fähigkeit, einen Klub nach oben zu führen, sondern einen oben zu halten. Einen ganz besonderen Klub, seinen letzten nämlich: Fortuna Düsseldorf, die nach dem Aufstieg im Frühjahr 2018 von nahezu allen Experten und Fans in Deutschland zum Absteiger Nummer eins erklärt wurde und dann bereits sechs Spieltage vor Saisonende den Klassenerhalt schaffte.
Funkel war König Friedhelm, und er ist es in den Herzen der meisten Anhänger des Traditionsvereins bis heute geblieben. Ein Denkmal wollte ihm mancher bauen, und als die treuen Fans auf der Südtribüne beim letzten Saisonspiel im Mai 2019 gegen Hannover das Transparent „Die Kurve verneigt sich vor euch“entrollten, dann galt dieser Satz zu einem großen Bestandteil auch dem Trainer.
Seine Aufstiege, der unerwartete Klassenerhalt, der mit dem sensationellen zehnten Platz noch gekrönt wurde – das sind die Fakten, mit denen ganz Fußball-deutschland Friedhelm Funkel verbindet. Doch selbst wer seine zahlreichen Fernsehauftritte in den vergangenen Jahren intensiv verfolgt hat, in denen er immer wieder auch nach seiner Meinung zu Themen, die weit über Fortuna hinausgehen, gefragt wurde, der kennt doch nur die eine Seite des 66-Jährigen. Die sportliche, öffentliche.
Es gibt jedoch noch eine zweite Seite, und die ist für die Persönlichkeit Funkels noch viel aussagekräftiger. Es ist die Seite, die der gebürtige Neusser jenen zeigt, die mit ihm arbeiten – ganz gleich, ob es die Spieler auf dem Trainingsplatz, die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, die Fans oder die Medienvertreter sind. Und das Besondere daran ist, dass diese Seite Funkels eben nicht im Widerspruch zur öffentlichen steht; Funkel ist nicht wie manch anderer im Fußballgeschäft, der sein wahres Gesicht erst dann zeigt, wenn das Rotlicht an der Fernsehkamera erlischt. Das Wort authentisch wird heutzutage überstrapaziert, aber auf Funkel passt es perfekt.
Als kleines Beispiel dafür dient sein Abschied am Mittwoch, als er – sichtlich von der Freistellung angefasst – in sein Auto einsteigt, die Tür aber wieder öffnet, um einem kleinen Jungen einen Autogrammwunsch zu erfüllen. Oder das Fanfest im Sommer-trainingslager in Maria Alm. Funkel posiert nicht nur für jeden einzelnen Fotowunsch, sondern er führt auch ehrlich gemeinte Gespräche. Was man ganz einfach daran ablesen kann, dass er nicht nur Antworten gibt, sondern auch interessiert Fragen stellt. Szenen wie diese haben etliche Menschen mit ihm erlebt. Deshalb gab es bei den Vereinsmitarbeitern unterhalb der Vorstandsetage an Funkels letztem Arbeitstag auch fast ausnahmslos traurige Gesichter und Kommentare, aus denen tiefe Enttäuschung, sogar Traurigkeit und Wut sprachen.
Journalisten konnten sich stets auf sein Wort verlassen. Kein Anruf, der unbeantwortet blieb – per Rückruf oder sogar direkt, was in der Szene komplett außergewöhnlich ist. Unvergessen bleibt auch der Anruf, nachdem der Coach in einem Kommentar gelesen hatte, er habe auf einer Pressekonferenz in Sachen Personallage ein wenig geschwindelt. Wohlgemerkt: Funkel griff nicht zum Telefon, um sich zu beschweren. Er rief an, um zu erklären, dass sich die Personallage erst am späteren Nachmittag geändert habe – und entschuldigte sich dafür, darüber nicht informiert zu haben. So viel Ehrlichkeit und Menschlichkeit wird mindestens ebenso in Erinnerung bleiben wie seine Aufstiege.
Und dann gibt es noch einen Ort, der immer in Zusammenhang mit Fortuna und Funkel stehen wird: Marbella. Das Trainingslager im
Januar 2019 ging in die Bundesliga-geschichte ein. Nach drei Siegen in Serie versuchte der damalige Vorstandschef Robert Schäfer dennoch, Funkel in der Winterpause loszuwerden, und wollte dieses Vorhaben obendrein am letzten Tag in Südspanien als gescheiterte Vertragsverhandlungen verkaufen. Doch das ging nach hinten los. Eine bemerkenswerte Welle des Unverständnisses und der Sympathiebekundungen für den Trainer sorgten schließlich dafür, dass Funkel doch bleiben durfte. Dafür war es der Anfang vom Ende für Schäfer.
Funkel sagte am Mittwoch, dass er ohne Wehmut gehe und die vergangenen knapp vier Jahre einzig in positiver Erinnerung halten werde. Man merkte ihm aber auch an, dass er die Menschen bei Fortuna vermissen wird – allen voran die Spieler und sein Trainer- und Funktionsteam. Lutz Pfannenstiel, der als Sportvorstand am Mittwoch Funkels Trainerarriere beendet hat, erklärte dieses Zusammenspiel im vergangenen Herbst noch so: „Wir haben eine Familie in der Kabine – mit Friedhelm Funkel als Papa.“
Nun ist der Papa weg. Das Gros der Mannschaft zeigte sich davon geschockt. Funkel blieb aber auch im Abschied der Mann mit Anstand, vermied es, nachzutreten, sondern sprach dem Team Mut zu. „Ich werde Fortune bleiben“, sagte Funkel, „und werde von der Couch aus die Daumen drücken.“