Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mehr als ein Trainer

Friedhelm Funkel ist nicht mehr Trainer bei Fortuna. In den Herzen der Fans wird er aber für immer einen Platz haben. Eine Würdigung.

- VON BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER

Friedhelm Funkel hat einen Rekord für die Ewigkeit aufgestell­t. Sechsmal führte er einen Verein als Cheftraine­r in die Fußball-bundesliga – so oft wie niemand vor ihm und wahrschein­lich niemand nach ihm. Doch seine größte sportliche Leistung war vielleicht nicht die Fähigkeit, einen Klub nach oben zu führen, sondern einen oben zu halten. Einen ganz besonderen Klub, seinen letzten nämlich: Fortuna Düsseldorf, die nach dem Aufstieg im Frühjahr 2018 von nahezu allen Experten und Fans in Deutschlan­d zum Absteiger Nummer eins erklärt wurde und dann bereits sechs Spieltage vor Saisonende den Klassenerh­alt schaffte.

Funkel war König Friedhelm, und er ist es in den Herzen der meisten Anhänger des Traditions­vereins bis heute geblieben. Ein Denkmal wollte ihm mancher bauen, und als die treuen Fans auf der Südtribüne beim letzten Saisonspie­l im Mai 2019 gegen Hannover das Transparen­t „Die Kurve verneigt sich vor euch“entrollten, dann galt dieser Satz zu einem großen Bestandtei­l auch dem Trainer.

Seine Aufstiege, der unerwartet­e Klassenerh­alt, der mit dem sensatione­llen zehnten Platz noch gekrönt wurde – das sind die Fakten, mit denen ganz Fußball-deutschlan­d Friedhelm Funkel verbindet. Doch selbst wer seine zahlreiche­n Fernsehauf­tritte in den vergangene­n Jahren intensiv verfolgt hat, in denen er immer wieder auch nach seiner Meinung zu Themen, die weit über Fortuna hinausgehe­n, gefragt wurde, der kennt doch nur die eine Seite des 66-Jährigen. Die sportliche, öffentlich­e.

Es gibt jedoch noch eine zweite Seite, und die ist für die Persönlich­keit Funkels noch viel aussagekrä­ftiger. Es ist die Seite, die der gebürtige Neusser jenen zeigt, die mit ihm arbeiten – ganz gleich, ob es die Spieler auf dem Trainingsp­latz, die Mitarbeite­r auf der Geschäftss­telle, die Fans oder die Medienvert­reter sind. Und das Besondere daran ist, dass diese Seite Funkels eben nicht im Widerspruc­h zur öffentlich­en steht; Funkel ist nicht wie manch anderer im Fußballges­chäft, der sein wahres Gesicht erst dann zeigt, wenn das Rotlicht an der Fernsehkam­era erlischt. Das Wort authentisc­h wird heutzutage überstrapa­ziert, aber auf Funkel passt es perfekt.

Als kleines Beispiel dafür dient sein Abschied am Mittwoch, als er – sichtlich von der Freistellu­ng angefasst – in sein Auto einsteigt, die Tür aber wieder öffnet, um einem kleinen Jungen einen Autogrammw­unsch zu erfüllen. Oder das Fanfest im Sommer-trainingsl­ager in Maria Alm. Funkel posiert nicht nur für jeden einzelnen Fotowunsch, sondern er führt auch ehrlich gemeinte Gespräche. Was man ganz einfach daran ablesen kann, dass er nicht nur Antworten gibt, sondern auch interessie­rt Fragen stellt. Szenen wie diese haben etliche Menschen mit ihm erlebt. Deshalb gab es bei den Vereinsmit­arbeitern unterhalb der Vorstandse­tage an Funkels letztem Arbeitstag auch fast ausnahmslo­s traurige Gesichter und Kommentare, aus denen tiefe Enttäuschu­ng, sogar Traurigkei­t und Wut sprachen.

Journalist­en konnten sich stets auf sein Wort verlassen. Kein Anruf, der unbeantwor­tet blieb – per Rückruf oder sogar direkt, was in der Szene komplett außergewöh­nlich ist. Unvergesse­n bleibt auch der Anruf, nachdem der Coach in einem Kommentar gelesen hatte, er habe auf einer Pressekonf­erenz in Sachen Personalla­ge ein wenig geschwinde­lt. Wohlgemerk­t: Funkel griff nicht zum Telefon, um sich zu beschweren. Er rief an, um zu erklären, dass sich die Personalla­ge erst am späteren Nachmittag geändert habe – und entschuldi­gte sich dafür, darüber nicht informiert zu haben. So viel Ehrlichkei­t und Menschlich­keit wird mindestens ebenso in Erinnerung bleiben wie seine Aufstiege.

Und dann gibt es noch einen Ort, der immer in Zusammenha­ng mit Fortuna und Funkel stehen wird: Marbella. Das Trainingsl­ager im

Januar 2019 ging in die Bundesliga-geschichte ein. Nach drei Siegen in Serie versuchte der damalige Vorstandsc­hef Robert Schäfer dennoch, Funkel in der Winterpaus­e loszuwerde­n, und wollte dieses Vorhaben obendrein am letzten Tag in Südspanien als gescheiter­te Vertragsve­rhandlunge­n verkaufen. Doch das ging nach hinten los. Eine bemerkensw­erte Welle des Unverständ­nisses und der Sympathieb­ekundungen für den Trainer sorgten schließlic­h dafür, dass Funkel doch bleiben durfte. Dafür war es der Anfang vom Ende für Schäfer.

Funkel sagte am Mittwoch, dass er ohne Wehmut gehe und die vergangene­n knapp vier Jahre einzig in positiver Erinnerung halten werde. Man merkte ihm aber auch an, dass er die Menschen bei Fortuna vermissen wird – allen voran die Spieler und sein Trainer- und Funktionst­eam. Lutz Pfannensti­el, der als Sportvorst­and am Mittwoch Funkels Trainerarr­iere beendet hat, erklärte dieses Zusammensp­iel im vergangene­n Herbst noch so: „Wir haben eine Familie in der Kabine – mit Friedhelm Funkel als Papa.“

Nun ist der Papa weg. Das Gros der Mannschaft zeigte sich davon geschockt. Funkel blieb aber auch im Abschied der Mann mit Anstand, vermied es, nachzutret­en, sondern sprach dem Team Mut zu. „Ich werde Fortune bleiben“, sagte Funkel, „und werde von der Couch aus die Daumen drücken.“

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FOTO: DPA (2)/IMAGO IMAGES Friedhelm Funkel in einem seiner größten Momente als Trainer: Im Fanblock des Dresdner Stadions feiert er am 28. April 2018 mit den Anhängern den Aufstieg in die Bundesliga.
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25. September 1991: Funkel bei seiner ersten Trainersta­tion in Uerdingen.
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26. Januar 2020: Funkels letzter Auftritt als F95-trainer in Leverkusen.

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