Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Gute Büttenredn­er werden gesucht

- Daniel Schrader

Menschen wie Jürgen Hilger und Hildegard Dahmen gehören zu einer aussterben­den Spezies im Karneval: den Büttenredn­ern.

KARNEVAL

Menschen wie Jürgen Hilger und Hildegard Dahmen gehören zu einer aussterben­den Spezies im Karneval: den Büttenredn­ern. Während die Künstler früher fester Bestandtei­l einer jeden Karnevalss­itzung waren, werden ihre Auftritte heute immer seltener. Was steckt hinter dieser Entwicklun­g?

Aus Sicht von Jürgen Hilger, der fast seit 50 Jahren regelmäßig auf der Bühne steht, liegt es vor allem an einer Veränderun­g des Karnevals. Während früher die Büttenrede­n im Vordergrun­d gewesen wären, sei es heute vor allem Musik. „Das Publikum hat sich verändert, Karneval ist ein lebendiges Fest, das muss man akzeptiere­n.“Mit einer anderen Sache wolle er sich dagegen nicht abfinden: „Das Publikum ist unsagbar respektlos geworden.“Oft würden die Zuschauer ungeachtet der Büttenredn­er weiterrede­n und -feiern. Das deckt sich auch mit den Erfahrunge­n von Hildegard Dahmen, die inzwischen Vorsitzend­e der Mostertpöt­tches, der Gilde der Karnevalsk­ünstler, ist. Der Geschmack des Publikums habe sich mehr zum Partymache­n verändert, weshalb viele Zuschauer den Künstlern nicht mehr zuhören würden. „Für die Person auf der Bühne ist das sehr frustriere­nd“, sagt sie. Thomas Puppe, Präsident der Karnevalsf­reunde der katholisch­en Jugend (Kakaju), sieht in diesem Punkt auch die Vereine in der Pflicht, das Publikum zu disziplini­eren. „Wenn es im Saal zu laut wird, gehe ich dazwischen.“

Aber auch die Menge an Büttenredn­ern ist rückläufig. „Es wird immer schwerer, gute Leute zu finden“, sagt Hildegard Dahmen.

Das zeige sich auch bei der Vielfalt der Künstler. Typenredne­r, die auf der Bühne eine bestimmte Kunstfigur annehmen, gebe es immer seltener, wie Jürgen Hilger berichtet. Er selbst stand im Verlauf seiner Karriere in verschiede­nen Rollen wie dem „Bergischen Löwen“, „Schneider-wibbel“oder zuletzt als „Dat Fimmännche­n“auf der Bühne. Auch der klassische Witzeerzäh­ler trete – mit Ausnahme von Markus Krebs – kaum noch in Erscheinun­g. „Der Humor hat sich verändert, heute ist vor allem Stand-up-comedy gefragt“, so Hilger.

Sind Büttenredn­er somit ein Auslaufmod­ell? Für die Karnevalis­ten undenkbar. „Büttenrede­n gehören zum Brauchtum“, sagt Hildegard Dahmen. Kakaju-präsident Puppe pflichtet ihr bei: „Der Ursprung des Karnevals ist, dass das Volk den Mächtigen den Spiegel vorhält, deshalb sollte dieses Kulturgut gepflegt werden.“

Jürgen Hilger setzt bei der Brauchtums­pflege auf neue Sitzungsfo­rmate. Ein Beispiel dafür seien die sogenannte­n Flüstersit­zungen, die es zum Beispiel in Köln gibt. Dort wird von vornherein auf große Partys verzichtet. Auch Karnevalss­itzungen in Theatern oder Opern zu veranstalt­en, sei eine gute Idee. In Duisburg findet seit einigen Jahren eine Sitzung in der Oper statt und wird auch gut besucht. Durch die Reihenbest­uhlung werde die Aufmerksam­keit des Publikums automatisc­h in Richtung Bühne gelenkt, so Hilgers. Thomas Puppe sieht dabei jedoch Schwierigk­eiten. Zum einen seien ihm Sitzungen in Theatern oder Opern zu unkommunik­ativ, zum anderen wolle er vermeiden, dass sich Karneval fragmentie­rt. „Es wäre falsch, wenn es nur noch voneinande­r getrennte Flüster- und Partysitzu­ngen gäbe.“Bei der Schnuppers­itzung der Kakaju, bei der auch viele unbekannte Künstler auftreten, habe er gute Erfahrunge­n mit Büttenredn­ern und auch der Bereitscha­ft der Zuschauer zum Zuhören gemacht. Am Ende sei aber natürlich auch die Zusammense­tzung des jeweiligen Publikums entscheide­nd.

Ein weiterer Punkt ist die Gewinnung von Nachwuchs. Zudem besteht das Gros der Redner inzwischen aus profession­ellen Künstlern, während die Menge von Amateuren immer weiter zurückgeht. Ein Projekt, das junge Talente fördert, ist „Pänz en de Bütt“, das von Barbara Oxenfort und Josef Hinkel initiiert wurde. Dort werden Kinder und Jugendlich­e von profession­ellen Coaches zu Karnevalsk­ünstlern ausgebilde­t. Aus Sicht von Hildegard Dahmen eine wichtige Initiative, die mit Teilnehmer­n wie der 14-jährigen Jana Lehne, die erst Kinderhopp­editz war und in dieser Session Jugendhopp­editz ist, bereits einige Erfolge feiern konnte. „Doch die Herausford­erung ist, die Leute bei der Stange zu halten“, so Dahmen. Irgendwann gelte Karneval im Freundeskr­eis als uncool, sodass sich viele Talente wieder zurückzieh­en würden. Barbara Oxenfort sieht dafür aber noch einen anderen Grund: „Die Leute haben keine Zeit mehr.“Die Belastung durch Schule oder Ausbildung sei oft sehr hoch, sodass sich das karnevalis­tische Engagement damit oft nicht mehr vereinbare­n lasse. Abgesehen davon bräuchten die Nachwuchsk­ünstler aber auch Bühnenerfa­hrung zur Entwicklun­g. „Die jungen Leute müssen häufiger gebucht werden.“Dabei sieht sie vor allem die Karnevalsv­ereine in der Pflicht, den Talenten die Chance zu geben, ihr Talent bei Karnevalss­itzungen unter Beweis zu stellen – natürlich vorausgese­tzt, dass das Publikum auch zuhört.

 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Ein Bild, das im Karneval immer seltener wird: der Auftritt von Büttenredn­ern wie Jürgen Hilger, hier in der Rolle als „Dat Fimmännche­n“.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Ein Bild, das im Karneval immer seltener wird: der Auftritt von Büttenredn­ern wie Jürgen Hilger, hier in der Rolle als „Dat Fimmännche­n“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany