Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Gute Büttenredner werden gesucht
Menschen wie Jürgen Hilger und Hildegard Dahmen gehören zu einer aussterbenden Spezies im Karneval: den Büttenrednern.
KARNEVAL
Menschen wie Jürgen Hilger und Hildegard Dahmen gehören zu einer aussterbenden Spezies im Karneval: den Büttenrednern. Während die Künstler früher fester Bestandteil einer jeden Karnevalssitzung waren, werden ihre Auftritte heute immer seltener. Was steckt hinter dieser Entwicklung?
Aus Sicht von Jürgen Hilger, der fast seit 50 Jahren regelmäßig auf der Bühne steht, liegt es vor allem an einer Veränderung des Karnevals. Während früher die Büttenreden im Vordergrund gewesen wären, sei es heute vor allem Musik. „Das Publikum hat sich verändert, Karneval ist ein lebendiges Fest, das muss man akzeptieren.“Mit einer anderen Sache wolle er sich dagegen nicht abfinden: „Das Publikum ist unsagbar respektlos geworden.“Oft würden die Zuschauer ungeachtet der Büttenredner weiterreden und -feiern. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen von Hildegard Dahmen, die inzwischen Vorsitzende der Mostertpöttches, der Gilde der Karnevalskünstler, ist. Der Geschmack des Publikums habe sich mehr zum Partymachen verändert, weshalb viele Zuschauer den Künstlern nicht mehr zuhören würden. „Für die Person auf der Bühne ist das sehr frustrierend“, sagt sie. Thomas Puppe, Präsident der Karnevalsfreunde der katholischen Jugend (Kakaju), sieht in diesem Punkt auch die Vereine in der Pflicht, das Publikum zu disziplinieren. „Wenn es im Saal zu laut wird, gehe ich dazwischen.“
Aber auch die Menge an Büttenrednern ist rückläufig. „Es wird immer schwerer, gute Leute zu finden“, sagt Hildegard Dahmen.
Das zeige sich auch bei der Vielfalt der Künstler. Typenredner, die auf der Bühne eine bestimmte Kunstfigur annehmen, gebe es immer seltener, wie Jürgen Hilger berichtet. Er selbst stand im Verlauf seiner Karriere in verschiedenen Rollen wie dem „Bergischen Löwen“, „Schneider-wibbel“oder zuletzt als „Dat Fimmännchen“auf der Bühne. Auch der klassische Witzeerzähler trete – mit Ausnahme von Markus Krebs – kaum noch in Erscheinung. „Der Humor hat sich verändert, heute ist vor allem Stand-up-comedy gefragt“, so Hilger.
Sind Büttenredner somit ein Auslaufmodell? Für die Karnevalisten undenkbar. „Büttenreden gehören zum Brauchtum“, sagt Hildegard Dahmen. Kakaju-präsident Puppe pflichtet ihr bei: „Der Ursprung des Karnevals ist, dass das Volk den Mächtigen den Spiegel vorhält, deshalb sollte dieses Kulturgut gepflegt werden.“
Jürgen Hilger setzt bei der Brauchtumspflege auf neue Sitzungsformate. Ein Beispiel dafür seien die sogenannten Flüstersitzungen, die es zum Beispiel in Köln gibt. Dort wird von vornherein auf große Partys verzichtet. Auch Karnevalssitzungen in Theatern oder Opern zu veranstalten, sei eine gute Idee. In Duisburg findet seit einigen Jahren eine Sitzung in der Oper statt und wird auch gut besucht. Durch die Reihenbestuhlung werde die Aufmerksamkeit des Publikums automatisch in Richtung Bühne gelenkt, so Hilgers. Thomas Puppe sieht dabei jedoch Schwierigkeiten. Zum einen seien ihm Sitzungen in Theatern oder Opern zu unkommunikativ, zum anderen wolle er vermeiden, dass sich Karneval fragmentiert. „Es wäre falsch, wenn es nur noch voneinander getrennte Flüster- und Partysitzungen gäbe.“Bei der Schnuppersitzung der Kakaju, bei der auch viele unbekannte Künstler auftreten, habe er gute Erfahrungen mit Büttenrednern und auch der Bereitschaft der Zuschauer zum Zuhören gemacht. Am Ende sei aber natürlich auch die Zusammensetzung des jeweiligen Publikums entscheidend.
Ein weiterer Punkt ist die Gewinnung von Nachwuchs. Zudem besteht das Gros der Redner inzwischen aus professionellen Künstlern, während die Menge von Amateuren immer weiter zurückgeht. Ein Projekt, das junge Talente fördert, ist „Pänz en de Bütt“, das von Barbara Oxenfort und Josef Hinkel initiiert wurde. Dort werden Kinder und Jugendliche von professionellen Coaches zu Karnevalskünstlern ausgebildet. Aus Sicht von Hildegard Dahmen eine wichtige Initiative, die mit Teilnehmern wie der 14-jährigen Jana Lehne, die erst Kinderhoppeditz war und in dieser Session Jugendhoppeditz ist, bereits einige Erfolge feiern konnte. „Doch die Herausforderung ist, die Leute bei der Stange zu halten“, so Dahmen. Irgendwann gelte Karneval im Freundeskreis als uncool, sodass sich viele Talente wieder zurückziehen würden. Barbara Oxenfort sieht dafür aber noch einen anderen Grund: „Die Leute haben keine Zeit mehr.“Die Belastung durch Schule oder Ausbildung sei oft sehr hoch, sodass sich das karnevalistische Engagement damit oft nicht mehr vereinbaren lasse. Abgesehen davon bräuchten die Nachwuchskünstler aber auch Bühnenerfahrung zur Entwicklung. „Die jungen Leute müssen häufiger gebucht werden.“Dabei sieht sie vor allem die Karnevalsvereine in der Pflicht, den Talenten die Chance zu geben, ihr Talent bei Karnevalssitzungen unter Beweis zu stellen – natürlich vorausgesetzt, dass das Publikum auch zuhört.