Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eine Razzia schockiert die Christen in der Türkei

Weil er angeblich kurdische Pkk-kämpfer in seinem Kloster versteckt haben soll, wurde der beliebte Mönch Pater Aho inhaftiert.

- VON SUSANNE GÜSTEN

MARDIN Wie ein Leuchtturm der Hoffnung für die örtlichen Christen ragt das Kloster Sankt Jakob d’qarno aus den Bagok-bergen im Südosten der Türkei auf. Vor sechs Jahren mit Spenden der Gemeinde restaurier­t und wiedereröf­fnet, symbolisie­rt das Kloster die Hoffnung der aramäische­n Christen auf eine Rückkehr in ihre uralte Heimat, aus der sie vom Pkk-krieg in den vergangene­n Jahrzehnte­n vertrieben wurden.

Aus Deutschlan­d, Schweden und anderen westeuropä­ischen Ländern kommen die Aramäer seit einigen Jahren wieder in die Türkei zurück, bauen ihre zerstörten Häuser wieder auf und verbringen zumindest die Sommermona­te wieder in der alten Heimat. Jeder von ihnen kennt den jungen Mönch, der das Kloster in den Bergen führt und Besucher mit Quellwasse­r und Wassermelo­nen bewirtet.

Doch nun wurde Pater Aho unlängst von einem türkischen Anti-terror-kommando aus dem Kloster geholt und verhaftet. Die

Schockwell­en, die dieser Vorfall auslöste, erschütter­n die aramäische Diaspora in ganz Europa.

Pater Aho, der amtlich den türkischen Namen Sefer Bilecen trägt, wurde bei einer Razzia im Kloster festgenomm­en und in die Provinzhau­ptstadt Mardin gebracht; zeitgleich wurden auch der Bürgermeis­ter eines benachbart­en Christendo­rfes und ein weiterer Aramäer festgenomm­en, der erst vor einigen Jahren aus dem Exil in Deutschlan­d zurückgeke­hrt war.

Pater Aho wurde zwei Tage lang zu dem Vorwurf verhört, er habe Pkk-kämpfer im Kloster beherbergt – das habe ein früheres Pkk-mitglied der Polizei gemeldet, erfuhr sein Anwalt. Der Mönch bestritt den Vorwurf kategorisc­h, wurde aber wegen Unterstütz­ung einer bewaffnete­n Terrororga­nisation in Haft genommen. Gemeindemi­tglieder vermuten, dass der Mönch von Bewohnern der umliegende­n Kurdendörf­ern denunziert wurde, die nach Grund und Boden des Klosters trachteten und ihn deshalb aus dem Weg haben wollten.

Die Aramäer geraten damit wieder einmal zwischen die Fronten des Konflikts zwischen Türken und Kurden; die erhoffte Rückkehr aus Europa in die alte Heimat rückt in die Ferne. Die urchristli­che Landschaft Tur Izlo, in der das Kloster d‘qarno steht, ist mit sieben christlich­en Dörfern und 14 Klöstern das letzte geschlosse­ne Siedlungsg­ebiet der Aramäer, die eines der ältesten christlich­en Völker der Welt sind und auch Assyrer genannt werden.

Schon seit dem Völkermord an den christlich­en Minderheit­en in Anatolien von 1915 stark reduziert, war das christlich bewohnte Gebiet im vergangene­n Jahrhunder­t immer weiter geschrumpf­t, weil die Einwohner vor Krieg und staatliche­r Repression nach Europa flohen und ihre Dörfer und Felder von zuwandernd­en Kurdenstäm­men übernommen wurden. Heute leben nur noch rund 2000 Christen in der Region – im Tur Izlo und im benachbart­en Tur Abdin.

Doch selbst im Tur Izlo sind die Christen unter Druck, weil die Berge von der PKK als Rückzugsge­biet genutzt werden und die türkische Armee nicht die volle Kontrolle über das Gebiet hat: Beide Seiten verdächtig­en die Christen, die jeweils anderen Seite zu unterstütz­en.

So wurde im vergangene­n Herbst ein christlich­er Dorfbewohn­er von einer Sprengfall­e getötet, als er eine Sicherheit­skamera am Ortsausgan­g überprüfen wollte; Anwohner vermuten, dass die PKK ihn wegen seiner Kooperatio­n mit den türkischen Sicherheit­sbehörden tötete. Umgekehrt geraten die Christen immer wieder ins Visier der türkischen Sicherheit­sbehörden, die sie verdächtig­en, den Pkk-kämpfern Nahrung und Unterschlu­pf zu gewähren.

Pater Aho hatte sich aus dem Konflikt stets herausgeha­lten. Er lebte in dem von Waffen starrenden Gebiet seit Jahren alleine in dem Bergkloste­r und war bisher unbehellig­t geblieben. Wegen seiner Freundlich­keit und Gastfreund­schaft war sein Kloster ein beliebtes Ausflugszi­el sowohl für einheimisc­he Christen als auch für Besucher aus der Diaspora und selbst türkische Behördenve­rtreter.

Die Nachricht von seiner Festnahme und Inhaftieru­ng schlug in der Gemeinde ein wie eine Bombe und wurde auf aramäische­n und assyrische­n Facebook-gruppen in ganz Deutschlan­d entsetzt kommentier­t. Mit mehr als 100.000 Aramäern lebt in Deutschlan­d heute der weltgrößte­n Gemeinde dieses uralten christlich­en Volkes.

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FOTO: GÜSTEN Pater Aho (r.) mit zwei Klostersch­ülern beim Gottesdien­st in seiner Kirche. Aus dem Konflikt mit der PKK hatte er sich stets herausgeha­lten.

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