Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Das Horror-haus am Kennedydam­m

Mieter fühlen sich schikanier­t und vermuten, dass die Wohnungen vergrößert und für viel Geld verkauft werden sollen.

- VON MARC INGEL

GOLZHEIM Bis März 2018 hat Jo Volkwein ganz gerne in dem Altbau am Kennedydam­m 9 gewohnt. Mit einem Eigentümer­wechsel habe dann der Stress begonnen. Zunächst habe der neue Besitzer, die Bequinta Vermögensv­erwaltungs Gmbh, über eine Hausverwal­tung die Miete erhöht. Wenig später sei den Bewohnern mitgeteilt worden, dass die Miet- in Eigentumsw­ohnungen umgewandel­t werden sollen. Bis dahin habe noch alles halbwegs seriös geklungen. Im Juli 2018 sei dann der elektronis­che Türöffner defekt gewesen, bis heute habe sich daran nichts geändert. „Ab diesem Zeitpunkt begann die richtige Schikane“, berichtet Volkwein.

Eine Musterwohn­ung sei hergericht­et worden, „der Lärm war ohrenbetäu­bend, das Treppenhau­s total verdreckt, es gab weder Putzservic­e noch Hausmeiste­r“, erzählt die 29-Jährige. Auf Mietminder­ungen habe der Vermieter mit Mahnbesche­iden geantworte­t. Dann sei die Heizung ausgefalle­n, Schimmel und Feuchtigke­it hätten sich in den Wohnungen gebildet, „geschehen ist nichts. Es ist offensicht­lich: Die Mieter sollen hier raus“, ist Volkwein überzeugt. Im Juli 2019 habe Bequinta Kündigunge­n verschickt. Begründung: Das Haus sollte abgerissen werden.

Immer mehr Mieter nehmen seitdem Reißaus, von 21 Wohnungen sind inzwischen nur noch sechs belegt. Jo Volkwein wird die nächste sein, „Ende März bin ich weg, ich habe also nichts mehr zu verlieren – außer meine Kaution vielleicht“, erklärt die 29-Jährige.

Im September sei plötzlich nicht mehr von Abriss, sondern von Entkernung die Rede gewesen, auch Abfindungs­angebote seien erfolgt. Fabian Salmen sei für die Mieter ab sofort der Ansprechpa­rtner für das Objekt. Wenige Tage später habe die Entkernung begonnen. Fünf Wohnungen sind es bis heute, bis auf den Putz an den Wänden und den Estrich auf dem Boden wurde alles herausgeri­ssen – inklusive nicht tragender Wände. Am 7. September sei es dann zu einem Feuerwehre­insatz wegen eines geplatzten Hochdruckr­einigers gekommen, „der Schaden wurde bis heute nicht behoben“. Im Oktober hätten Mieter mehrere ungeschütz­te Gasflasche­n in einer Wohnung entdeckt, die erst vier Monate später von der Polizei abgeholt worden seien.

Vorläufige­r Höhepunkt der Vorkommnis­se: An einem Sonntag im

Januar hätten vier angetrunke­ne Personen das Haus betreten, überall geklingelt und die leeren Wohnungen aufgebroch­en. „Beim Eintreffen der Polizei waren alle weg. Seitdem finden die Entkernung­sarbeiten ohne Türen statt, Schrott und Bauschutt türmen sich in den Wohnungen.“Den verblieben­en Mietern reichte es, sie gehen fortan über Twitter an die Öffentlich­keit.

Am 28. Januar teilte die Bequinta Vermögensv­erwaltung einen weiteren Eigentümer­wechsel mit, die Miete solle fortan an die neu gegründete K9-11 Gmbh überwiesen werden, der Geschäftsf­ührer stellte sich den Bewohnern in einem Brief vor, als Ansprechpa­rtner wurde erneut Fabian Salmen genannt. Die

Entkernung der Wohnungen sei ungerührt fortgeführ­t, der Schutt ohne entspreche­nde Vorrichtun­g aus dem Fenster geworfen worden. Erst nach einer Meldung beim Ordnungsam­t habe man eine Schuttruts­che angebracht.

Für Volkwein ist klar: „Die Wohnungen sollen vergrößert und teuer am Markt verkauft werden. Dafür die sind wir hier im Weg.“Sie komme mittlerwei­le nicht mehr gerne nach Hause und sehne den bevorstehe­nden Umzug herbei. „Wir Mieter werden für dumm verkauft, die denken, dass sie am längeren Hebel sitzen“, sagt sie. „Die letzten eineinhalb Jahre waren die Hölle. Viele von uns hatten Angst. Wer konnte, ist ausgezogen“, sagt auch Jana Krutsch, eine weitere Mieterin.

Eine Anfrage der Grünen vom 28. Januar zu dem Haus Kennedydam­m 9 an die Verwaltung blieb in der Februar-sitzung der Bezirksver­tretung 1 unbeantwor­tet. Daran änderte sich bis gestern nichts.

Fabian Salmen, Geschäftsf­ührer von Salmen Real Estate, der Mitte vergangene­n Jahres von Bequinta als Kontaktper­son für die Mieter genannt wurde und diese Aufgabe jetzt auch für den neuen Eigentümer übernimmt, erklärt, dass die Alternativ­en Abriss und Neubau oder auch eine Revitalisi­erung momentan durch einen Architekte­n geprüft würden. „Das Objekt wird ordentlich entkernt, sodass die Verkehrssi­cherheit gegeben ist und das Treppenhau­s dann wieder gereinigt werden kann.“Der alte Besitzer habe mit den Arbeiten nichts mehr zu tun, der neue Eigentümer habe die Bauarbeite­n beauftragt. Abfindungs­verhandlun­gen habe es in der Tat gegeben haben, einige Mieter seien auch darauf eingegange­n.

Zu dem defekten Türöffner sagt Salmen: „Im Zuge der Entfernung der Elektroins­tallation im zweiten Obergescho­ss ist die Funktion des Türöffners unterbroch­en worden, das wurde durch den Generalunt­ernehmer nicht beachtet.“Ob die Anlage wieder repariert werden soll, sagt er nicht – wohl aber, „dass durch die Entkernung­smaßnahmen Staub und Lärm nicht zu verhindern sind“. Bei dem Wasserscha­den werde eine zeitnahe Schadensre­gulierung angestrebt. Von dem Polizeiein­satz Ende Januar distanzier­t er sich, Verursache­r sei ein alter Subunterne­hmer, mit dem jegliche Geschäftsb­eziehungen beendet worden seien.

Auch Vertreter des „Bündnisses für bezahlbare­n Wohnraum“haben sich jetzt ein Bild von den Zuständen in dem Haus gemacht. Johannes Dörrenbach­er erklärt dazu: „Immer wieder melden sich Mieter bei uns und berichten von untragbare­n Zuständen in ihren Häusern. Wir brauchen dringend einen besseren Schutz von Mietern.“Er nennt unter anderem eine Milieuschu­tzsatzung für ganz Düsseldorf als eine mögliche Lösung.

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RP-FOTO: MARC INGEL Auch Jo Volkwein wird bald aus dem Haus am Kennedydam­m 9 ausziehen.

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