Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Kunstwandern durch Flingern
Galerien, Gasthöfe und experimentelle Off-räume: Zur Kunst von heute gelangt man ohne Tickets, aber nur mit Mundschutz.
So langsam geht glücklicherweise die kunstlose Zeit zu Ende. Die Museen der Stadt haben wieder geöffnet. Viele der Ausstellungen sind nach der langen Pause verlängert worden. Doch nicht nur die institutionellen Häuser Düsseldorfs locken die Besucher wieder an, sondern auch Galerien, private Ausstellungsräume und Off-spaces in Flingern haben wieder geöffnet. Von jungen, aufstrebenden Künstlern über private Sammlungen bis hin zu Kunst von Weltrang gibt es hier gerade innerhalb weniger Kilometer zu sehen – und das kostenlos, ohne Anstehen und fußläufig auf einem Spaziergang. Nur einen Mundschutz muss man natürlich mitbringen.
Los geht der kleine Rundgang am wilden Worringer Platz. Der OffRaum Ego (Erkrather Straße 10) wird von drei jungen Künstlern aus der Klasse von Gregor Schneider betrieben. Der nur 15 Quadratmeter große Raum ist von der Straße einzusehen. In dem ehemaligen Schmuckgeschäft realisieren Philipp Boshart, Jannik Ott und Deniz Saridas sowohl eigene Arbeiten als auch Ausstellungen eingeladener Künstler. Wichtig ist den Machern dabei, dass ausschlaggebend für die Auswahl rein künstlerische Kriterien sind. Es gibt also keine lokalen oder altersbedingten Einschränkungen.
Gerade flimmert über zwei Bildschirme im Schaufenster die Performance „who cares who dies“von Ralf Berger. Diese integriert ein Video einer Performance, die Berger im vergangenen Jahr im chinesischen Chengdu zeigte, mit einer eben erst im Ego gefilmten Darbietung. Berger, Meisterschüler von Klaus Rinke und so mindestens zwei Generationen von den Ego-machern entfernt, zeigt eine für ihn typische Video-arbeit, die die Körperlichkeit seiner Performance in eine bildhauerische Ebene überführt.
Direkt auf dem Worringer Platz, nahe der Bahnhaltestelle, befindet sich der Gasthof Worringer Platz. In dem Glaushaus wird gerade die Ausstellung „Strange Fruit“von Arpad Dobriban gezeigt, die sich mit dem Gemüseanbau in Südspanien beschäftigt. Unter einem Meer aus Plastik schuften dort fast 90.000 Erntehelfer. Bis zum Ende des Jahres wird Dobriban auf den Außenwände des Glashauses ein Bild dieser unwirklichen, menschengemachten Landschaft erschaffen. Jede Woche fügt der Künstler sieben neue Bilder hinzu, bis sich langsam ein Landschaftsbild aus der Vogelperspektive ergibt. Arpad Dobriban wird parallel dazu sein persönliches Erntejahr durchgehend dokumentieren, das sich in der Welt des extensiven Anbaus und des freien Wachsens bewegt. Der Künstler arbeitet in Ungarn seit Jahren mit Kleinproduzenten zusammen.
Gut versteckt befindet sich in einem Hinterhof (Ackerstraße 33) der Ausstellungsraum „Studio for Artistic Research“von Stephan Machac. Dort zeigt gerade der Gursky-schüler Lukas Heerich seine äußerst aktuelle und sehenswerte Schau „Brace for Impact“. Der hohe, leere Raum ist bis fast unter die Decke sanft rosa getüncht, auf dem Boden stehen zwölf schwarze Dekontaminationsstiefel, dazu riecht es eigenartig nach Phosphor. Denn die hier aufgetragene Farbe ist das Feuer eindämmende Mittel „Phos-chek“.
Abgeworfen wird die rote Flüssigkeit von Flugzeugen, um Waldbrände einzudämmen, damit Löschtrupps ohne Gefahr an die Glutnester herankommen. Sie soll weder für Mensch noch für Umwelt schädlich sein. Dazu ist sie fotosensitiv, daher verändert sich die Farbe des Raumes langsam von dunkelrot zu hellrosa. Auch wenn Heerich die Ausstellung lange vor der Corona-pandemie erdacht hat, so sie greift sie doch höchst aktuelle Fragestellungen von Kontamination und Eindämmung auf.
Im Herzen Flingerns angekommen, geht der Rundgang weiter in der Sammlung Philara. Derzeit kann dort eine Ausstellung der jungen und gehypten Künstlerin Nora Turato besichtigt werden. Die 29-Jährige beschäftigt sich mit dem zeitgeistigen Thema der Sprache und ihrer Darstellung im Internet. Was die Künstlerin tagtäglich umspült, fließt auch in ihre Arbeit ein. Gleichermaßen bettet sie politische Aussagen wie Kardashian-zitate in ihr Konglomerat ein. Nora Turato kanalisiert so die Auswürfe unserer Smartphones, wobei sie die Flüchtigkeit von Inhalten nachvollziehbar macht und die ursprüngliche Macht von Sprache und den Verlust dieser Fähigkeit akzentuiert.
Ein echtes Highlight ist der Endpunkt des Rundgangs. In der ehrwürdigen Konrad Fischer Galerie werden gerade fotografische Arbeiten von Hans-peter Feldmann, Tho
mas Ruff und Juergen Staack gezeigt – unter dem wunderschön unmodernen Thema „Blumen“. So hat der Fotostar Ruff mal wieder selbst zur Kamera gegriffen und Blumen und Äste aus deinem eigenen Garten mit Hilfe des Sabattier-effekts fotografiert. Dieser entsteht bei diffuser Nachbelichtung des Films oder von Fotopapier. Der Ruff-schüler Staack zeigt intime Cyanotypien, die in der fernen blühenden Wüste Gobi entstanden.
Ein Stockwerk darüber hängen großformatige Blumen-fotos von Hans-peter Feldmann. Glänzend kitschig sind sie, und mit diesem ironischen Augenzwinkern für das der Düsseldorfer Grandseigneur weltberühmt ist.