Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Wundertüte ist zurück

ANALYSE Nach einem Frühlingst­heater sonderglei­chen rollt der Ball in der 3. Liga – aber wie? Die Klasse war schon vor der Corona-krise unberechen­bar. Das birgt Gefahren und Chancen für den Spitzenrei­ter MSV Duisburg, für den KFC Uerdingen und Preußen Müns

- VON THOMAS SCHULZE

DÜSSELDORF Es war eine schwere Geburt, aber es ist ein schönes Kind. Der Deutsche Fußball-bund (DFB) wäre froh, wenn diese Redewendun­g auf sein Premiumpro­dukt 3. Liga zutreffen würde. Dem Restart ob der Corona-pandemie, der an diesem Wochenende erfolgt, ging nämlich ein wochenlang­es Frühlingst­heater sonderglei­chen voraus.

Zunächst hatten sich acht Vereine für einen Saisonabbr­uch ausgesproc­hen: die Mannschaft­en von Platz 14 an abwärts sowie Waldhof Mannheim. Der Tabellenzw­eite beanspruch­te in dem Fall den Aufstieg, alle anderen den Klassenerh­alt. Das Manöver war so offensicht­lich, dass der stets zurückhalt­ende

DFL-CHEF Christian Seifert konstatier­te, es „dränge sich der Eindruck auf: Je nach Tabellenpl­atz entdeckt man plötzlich die Moral“.

Die Bastion der Gegner bröckelte im Laufe der Zeit, wobei Mannheim, Magdeburg, Halle und Jena bis zuletzt rebelliert­en. Nach dem deutlichen Votum des Dfb-bundestags, als 95 Prozent für die Fortsetzun­g der Saison stimmten, erinnerten einige in Jena und Halle daran, dass es solche Ergebnisse in der DDR gegeben habe – vergaßen dabei jedoch völlig, dass es damals nicht die Möglichkei­t eines wochenlang­en, lautstarke­n Protests gab.

Inzwischen ist es ruhiger geworden, der Protest ist abgeebbt, aber nicht verstummt. Und er wird sicherlich wieder aufflammen, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Doch zunächst konzentrie­rt sich jetzt alles auf den Restart, und der hat es in sich. Im Blickpunkt stehen die beiden Duelle um die Tabellensp­itze, in denen der MSV Duisburg und Waldhof Mannheim den Angriff der Verfolger TSV 1860 München und KFC Uerdingen abwehren müssen sowie das Kellerduel­l zwischen Münster und Halle.

Die Partie des KFC in Mannheim ist mindestens aus vier Gründen prickelnd. Vor zwei Jahren endete das Treffen dort mit einem handfesten Skandal. Die Uerdinger Aufstiegsf­reude wurde erheblich getrübt, weil die Partie nach einem nicht enden wollenden pyrotechni­schen Feuerwerk und Ausschreit­ungen auf den Rängen mit rund 45 Verletzten abgebroche­n wurde. In dieser Saison blieb es im Hinspiel auf den Rängen ruhig und Mannheim revanchier­te sich sportlich mit 3:0. Das blieb nicht ohne Folgen: Trainer Heiko Vogel musste gehen und Teamchef Stefan Reisinger übernahm. Am 10.

März holten die Uerdinger den Trainer zurück, der den Verein vor zwei Jahren zum Aufstieg geführt hatte: Stefan Krämer. Auf sein Comeback auf der Trainerban­k des KFC musste er zweieinhal­b Monate warten und die Vorbereitu­ng war von Vorsichtsm­aßnahmen und Hygienevor­schriften geprägt.

Was wird Krämer ändern? Wird er die Mannschaft umkrempeln? „Es wird keine erste Elf geben“, sagt der Fußballleh­rer. „Elf Spiele in Folge im Drei-tages-rhythmus zu absolviere­n, das hat noch keiner erlebt. Da wird es keine Stammforma­tion geben, sondern viele Änderungen von Spiel zu Spiel. Da wird ständig rotiert. Schließlic­h haben wir auch eine Verantwort­ung gegenüber den Spielern, auf deren Gesundheit wir achten müssen. Und daher werden wir die Belastung entspreche­nd steuern.“

Auch sein Duisburger Kollege Torsten Lieberknec­ht hat den Aspekt natürlich im Blick. „Bei dem harten Programm benötigen wir das Glück, von schweren Verletzung­en verschont zu bleiben“, sagt er. Vor dem Spitzenspi­el in München sieht er den Druck bei den Gastgebern. Auch Msv-kapitän Tim Albutat ist zuversicht­lich: „Wir haben nicht den größten Kader der Liga, dafür aber viel Qualität. Wenn wir die auf den Platz bringen, haben es die Gegner sehr schwer. Wir wollen mit einem positiven Erlebnis starten.“

Das wollen die Preußen nicht nur, sie müssen es. Denn in Münster kommt es zu einem so genannten Sechs-punkte-spiel gegen den Halleschen FC. Nach einer verkorkste­n Hinrunde war der ehemalige

„Elf Spiele in Folge im Drei-tages-rhythmus hat noch keiner erlebt“Stefan Krämer Trainer des KFC Uerdingen

„Wir haben nicht den größten Kader der Liga, dafür aber viel Qualität“Tim Albutat Kapitän MSV Duisburg

Bundesligi­st in Schwung gekommen und will noch den rettenden 16. Platz erreichen, auf dem die Gäste stehen. „Wir sind davon überzeugt, dass wir drin bleiben“, sagt Preußen-kapitän Jan Schauerte, der einst in Düsseldorf spielte. „Wir werden punkten und das rettende Ufer erreichen.“

Vier Begegnung der Dritten Liga werden am Samstag, 14 Uhr, live im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen gezeigt: Mannheim - Uerdingen (WDR), Magdeburg - Kaiserslau­tern (MDR/SWR), Ingolstadt - Bayern II (BR) und Meppen - Würzburg (NDR). Zudem spielen: Braunschwe­ig - Köln, Zwickau - Rostock (beide Sa.), 1860 München - Duisburg, Münster - Halle, Jena - Chemnitz (alle Sonntag).

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FOTO: BRAUER-FOTOAGENTU­R Uerdingens Kevin Großkreutz bereitet sich auf dem Trainingsg­elände am Grotenburg-stadion in Krefeld unter anderem mit Laufübunge­n auf den Neustart der 3. Liga vor.

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