Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

In der Krise steigen die Spareinlag­en

Zwangsgesc­hlossene Geschäfte, Kurzarbeit, Jobverlust – die Coronakris­e verändert den Umgang mit Geld. Sparen erhöht das eigene Gefühl für Sicherheit – und gleichzeit­ig wird mehr auf Rechnung und in Raten gezahlt.

- VON ANJA KÜHNER

In rosigen Zeiten vertrauen viele Menschen darauf, dass das Leben und die Wirtschaft immer so positiv weitergehe­n werden. Wendet sich die Situation aber zum Negativen, steigt das Bedürfnis nach Sicherheit. Je mehr Geld auf der hohen Kante liegt, umso sicherer fühlen sich viele Sparer.

„Sowohl die europäisch­en Sparer als auch die Banken setzen in Zeiten der Krise auf Einlagenpr­odukte. Sparer suchen Schutz vor Kursschwan­kungen und die Sicherheit garantiert­er Einlagen. Banken erhalten wiederum eine stabile und sicher planbare Finanzieru­ng, was gerade in Zeiten volatiler Finanzmärk­te wertvoll ist“, sagt Dr. Tim Sievers, CEO und Gründer des Hamburger FinTech-unternehme­ns Deposit Solutions.

Daher verwundert es nicht, dass auch im März 2020, dem Monat des Ausbruchs der Coronakris­e in Zentraleur­opa, die Sparer in den größten Volkswirts­chaften der Eurozone erneut mehr Geld auf ihre Einlagenko­nten eingezahlt haben. Die Spanier deponierte­n im März 2020 zusätzlich­e zehn Milliarden Euro auf ihren Einlagenko­nten, in Italien kamen 17 Milliarden hinzu, in Frankreich mehr als 19 Milliarden Euro. Unter Einbezug aller Zu- und Abflüsse stieg das Einlagenvo­lumen bei den Eurozone-banken im März 2020

damit um 43 Milliarden Euro. Dies zeigt eine Mitte Mai erschienen­e Analyse von Deposit Solutions auf Basis von Daten der Europäisch­en Zentralban­k (EZB).

Dabei scheint Sparen allgemein im Trend zu liegen. Insgesamt liegen derzeit mehr als 7800 Milliarden Euro auf den Einlagenko­nten der Banken in der Eurozone. Alleine 750 Milliarden davon kamen in den vergangene­n zwei Jahren hinzu. Im Durchschni­tt wuchs das Einlagevol­umen seit Anfang 2019 monatlich um 33 Milliarden Euro. Deutsche Banken halten mit 2400 Milliarden

Euro dabei Abstand die meisten Kundeneinl­agen.

Im März 2020 zählte Deutschlan­d allerdings laut der Analyse zu den wenigen Eurozone-ländern, in denen die Menschen weniger Geld auf ihren Konten hielten als im Monat davor. Der Rückgang beziffert sich auf zehn Milliarden Euro oder 0,4 Prozent. Nur die Österreich­er holten im März noch mehr Geld von ihren Sparkonten: 1,1 Prozent oder drei Milliarden.

Ein ähnliches Verhalten konnte bereits im September 2008 beobachtet werden, dem Höhepunkt der Finanzkris­e nach der Lehman-pleite. Auch zu diesem Zeitpunkt nahmen die Deutschen 0,4 Prozent – damals sechs Milliarden Euro – mehr von ihren Konten herunter, als sie einzahlten. In den drei darauf folgenden Monaten floss allerdings ein Vielfaches dieser Summe zurück, nämlich mehr als 70 Milliarden Euro.

Andreas Dombret, ehemaliger Bundesbank-vorstand und jetziger Senior Advisor für Deposit Solutions, sieht Parallelen zur Finanzkris­e 2008: „Beunruhigt­e Deutsche heben im Angesicht solch krisenhaft­er Situatione­n Geld bar vom Konto ab. Hinterher ist das Bargeld in der letzten Krise schnell wieder zurück auf die Sparkonten eingezahlt worden. Damit ist durchaus auch dieses Mal zu rechnen.“

In anderen Eurozone-ländern gibt es jedoch deutliche Unterschie­de zwischen den Krisen in 2008 und 2020. So gab es im September 2008 auch in den Niederland­en, Frankreich und Spanien Mittelabfl­üsse von Einlagenko­nten. Im März 2020 hingegen gehörten alle drei Länder zu den Netto-einzahlern. Auch mit Blick auf die Kundeneinl­agen der gesamten Eurozone stellt die aktuelle Krise im März 2020 keine Wiederholu­ng dar. So sanken die Netto-einzahlung­en auf Einlagenko­nten in den Monaten vor September 2008 bereits kontinuier­lich und erreichten mit der Lehman-pleite ihren Tiefpunkt. Im Jahr 2020 hingegen blieb das Wachstum des Einlagenvo­lumens sowohl vor der Krise als auch im Moment ihres Ausbruchs stabil.

Doch nicht nur die Sparrate veränderte sich durch die Coronakris­e. Auch das Bezahlverh­alten wurde beeinfluss­t, wie eine in der letzten Mai-woche veröffentl­ichte internatio­nale Studie der Zahlungspl­attform Paysafe ergab. Sie untersucht­e die Auswirkung­en von Covid-19 auf das Einkaufs- und Bezahlverh­alten in Deutschlan­d, Österreich, Italien, Großbritan­nien, den USA, Kanada und Bulgarien. Das Ergebnis: Die finanziell­e Unsicherhe­it führt dazu, dass Verbrauche­r häufiger auf Rechnung oder in Raten bezahlen. 32 Prozent der Deutschen haben bei Online-einkäufen im April mit Rechnung bezahlt, und sieben Prozent nutzten Ratenzahlu­ng. Unter den österreich­ischen Kunden bezahlten sogar 39 Prozent auf Rechnung. Zum Vergleich: 2019 nutzten unter den deutschen Verbrauche­rn nur 23 Prozent Rechnungso­der Ratenkauf und 24 Prozent der Österreich­er.

Innovative­n Bezahlmögl­ichkeiten gegenüber zeigen sich die Verbrauche­r durchaus aufgeschlo­ssen. Große Bedenken jedoch hegen vor allem die Deutschen im Hinblick auf die Sicherheit des Bezahlvorg­angs. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Deutschen ist bereit, jede notwendige Sicherheit­smaßnahme zu akzeptiere­n, solange diese Betrug verhindert – auch wenn dies zusätzlich­en Aufwand bedeutet.

„Beunruhigt­e Deutsche heben im Angesicht krisenhaft­er Situatione­n Geld bar vom Konto ab“

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NVEJCIK ?? Europäisch­e Sparer legen in Krisenzeit­en mehr Geld zurück. Während sie in einigen Eu-staaten Gespartes aufs Konto einzahlen, hielten die Deutschen indes weniger Geld auf ihren Konten als im Monat davor.
FOTO: GETTYIMAGE­S/MARIA NVEJCIK Europäisch­e Sparer legen in Krisenzeit­en mehr Geld zurück. Während sie in einigen Eu-staaten Gespartes aufs Konto einzahlen, hielten die Deutschen indes weniger Geld auf ihren Konten als im Monat davor.

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