Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Koalitionsgift Rundfunkgebühr
Der Streit um die Erhöhung des Haushaltsbeitrags um 86 Cent könnte zum Zusammengehen von AFD und CDU im Landtag von Sachsen-anhalt führen. Das vernebelt die Debatte um den Auftrag des öffentlichen Rundfunks.
Demokratie ist manchmal eine merkwürdige Sache. So ist die Zustimmung des Landtags von Sachsen-anhalt zur Gebührenerhöhung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eigentlich eine Formalie. Ein unabhängiges Gremium, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), hatte die Anhebung des Haushaltsbeitrags um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro ab dem 1. Januar 2021 als angemessen errechnet. Die Ministerpräsidenten hatten die höhere Rundfunkgebühr im Staatsvertrag am 17. Juni dieses Jahres unterzeichnet. Jetzt könnte ausgerechnet daran die Koalition in Sachsen-anhalt aus CDU, SPD und Grünen zerbrechen. Denn die CDU dort will auf keinen Fall der Gebührenerhöhung zustimmen.
Für Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), dem nach Volker Bouffier (Hessen) dienstältesten Landeschef in Deutschland, ist die Weigerung seiner Fraktion ein Desaster. Denn sein besonnenes Corona-management bescherte dem Ostdeutschen hohe Beliebtheitswerte und seiner Partei glänzende Umfrageergebnisse. Noch im Sommer wurde Haseloff gebeten, erneut zur Landtagswahl am 6. Juni 2021 anzutreten. Einer Bitte, der sich der Christdemokrat nicht verschließen wollte.
Jetzt könnte es ganz anders laufen. Denn der Parlamentarische Geschäftsführer der Cdu-fraktion im Landtag, Markus Kurze, hat jede Kompromissbereitschaft abgelehnt. Die Stimmung im Land, so führt der Gebühren-rebell an, sei gegen jede weitere Beitragserhöhung für einen aus seiner Sicht zu üppig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Viele Menschen fragen mich, warum verdient ein Intendant doppelt so viel wie der Bundespräsident oder die Bundeskanzlerin? Oder warum gibt es 74 öffentlich-rechtliche Radio- und 21 Fernsehsender?“, bekräftigt der Cdu-abgeordnete sein Nein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse bezahlbar bleiben, fordert Kurze.
Dass ausgerechnet die im Landtag zweitstärkste Fraktion, die rechtspopulistische AFD, ins gleiche Horn stößt, stört den Christdemokraten nicht. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass CDU und AFD gemeinsam gegen die Rundfunkerhöhung votieren. Das wäre der zweite Tabubruch nach der Wahl des Fdp-politikers Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der Rechtsaußen-partei.
Die AFD hat es sich wie die meisten rechtspopulistischen Parteien in Europa zur Aufgabe gemacht, gegen den „Staatsfunk“und das „Regierungsfernsehen“zu polemisieren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, eigentlich als staatsferne Institution nach den Propagandaund Hetzsendern der Nazis gegründet, ist der Lieblingsfeind der AFD.
Um ein Zusammengehen der CDU mit der AFD zu verhindern, will Haseloff nach Informationen des „Spiegel“die Abstimmung absetzen und den Staatsvertrag nachverhandeln. Das dürfte schwierig werden. Am Dienstag hat er sie Koalitionspartner zu Gesprächen eingeladen. Sollte Sachsen-anhalt nicht zustimmen, käme es ab 1. Januar nicht zu einer Gebührenerhöhung. Dagegen könnten allerdings die Rundfunkanstalten klagen. Und viele Experten erwarten, dass sie damit den höheren Beitrag erzwingen können.
Die Grundsatzdiskussion vernebelt die Debatte darüber, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zeiten sinkender Quoten und Kritik an traditionellen Medien leisten soll. Denn zwei Dinge stehen fest. Die Hörfunkund Fernsehsender von ARD, ZDF und Deutschlandfunk sind für den demokratischen Diskurs unentbehrlich. Zum anderen besteht auch die Notwendigkeit, die teure Vermehrung der Kanäle einzuschränken.
In nur fünf Jahren sind zehn neue öffentlich-rechtliche Radiosender hinzugekommen, so dass jetzt eine Rekordzahl von 74 Radio- und 21 Tv-sendern von den Gebührenzahlern finanziert wird. Oft berichten die vielen Kanäle über dieselben politischen Ereignisse und spielen ähnliche Musik. Zugleich steigen die Kosten für aufwendige Fernseh-shows und die Berichterstattung der Bundesliga.
An 86 Cent Beitragserhöhung pro Monat sollte nicht eine demokratische Koalition zerschellen. Das wäre ein zu hoher politischer Preis. Aber auch die KEF, die unabhängige Gebührenkommission, muss sich fragen lassen, ob sie alle Sparpotenziale durchleuchtet hat. Warum können Lokalsender, Landesprogramme und die Tagesschau nicht auf das gleiche Sendematerial zurückgreifen, wenn es um ein bestimmtes Ereignis geht? Das spricht nicht gegen eine ausdifferenzierte Sendelandschaft, sondern für Synergien, die in Medienriesen wie der ARD oder dem ZDF zu heben sind.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich, so wichtig er für das Gesamtbild einer pluralistischen Berichterstattung ist, dem Wettbewerb um Formate, Relevanz und Effizienz in seiner Berichterstattung stellen. Das trifft sowohl auf seine Sendekapazitäten wie auf sein Internetangebot zu. Auch den Zugriff der Politik, die immer wieder gern die öffentlich-rechtlichen Sender vereinnahmen will, muss er durch journalistische Kompetenz und Unabhängigkeit abwehren.
Bisweilen hilft da das Bundesverfassungsgericht. Es hat schon einmal 2014 die Zahl der Vertreter von Regierung und Parteien im Verwaltungsrat des ZDF auf ein Drittel begrenzt. Jetzt könnte es durchaus sein, dass es auch ein mögliches Nein des Magdeburger Landtags kippt und die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender sicherstellt. Das sollte die CDU in Sachsen-anhalt bedenken. Und dass 58 Prozent ihrer Anhänger laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Dimap für eine Gebührenerhöhung sind.
„Viele fragen mich, warum verdient ein Intendant doppelt so viel wie der Bundespräsident?“Markus Kurze Parlamentarischer Geschäftsführer Cdu-fraktion Sachsen-anhalt