Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Zahnarzt aus Wuppertal droht Haftstrafe in der Türkei
ANTALYA Es sollte ein Kurzurlaub an der türkischen Riviera werden. Dorthin war der Zahnarzt Kristian B. am 4. November gereist, doch nach der Landung klickten noch am Flughafen die Handschellen. Seither sitzt der Wuppertaler in Antalya im Gefängnis. Grund ist ein Streit, den Kristian B. am Gepäckband mit einer Türkin hatte. „Er hat die Frau dazu aufgefordert, die Corona-abstandsregeln einzuhalten. Sie wirft ihm vor, den Präsidenten beleidigt zu haben“, sagt Rüdiger Deckers. Der Düsseldorfer Anwalt hat das Mandat übernommen und steht im Kontakt zu einem Anwalt in der Türkei. Der wiederum besucht seinen Mandanten regelmäßig in der Zelle, die Kristian B. mit elf Mithäftlingen teilt. Dort wartet der Zahnarzt auf seinen Prozess am 8. Dezember.
„Wir haben keinen Anlass zu glauben, dass der Richter nicht objektiv urteilt“, betont Deckers. Sollte Kristian B. jedoch nicht freigesprochen werden, könnte es schwierig werden, dann wolle man auch auf bundespolitischer Ebene tätig werden. Das Auswärtige Amt sei in den Fall bereits involviert, dort behalte man derzeit vor allem die Gesundheit des Inhaftierten im Auge.
Vor Gericht wird Thema sein, was sich genau am Gepäckband abgespielt hat. Laut Deckers war der Arzt mit zwei seiner Angestellten von Düsseldorf nach Antalya geflogen. Die beiden Frauen seien nach der Ankunft zum Rauchen nach draußen gegangen, als Kristian B. mit der mitreisenden Türkin in der Ankunftshalle in Streit geraten sei. Sie wirft ihm nun vor, gesagt zu haben: „Ihr Türken seid halt so, es ist eh kein demokratisches Land hier.“Noch am Flughafen hatte die Frau die Polizei daraufhin alarmiert, die den Zahnarzt umgehend festgenommen und inhaftiert hatte. Dieser bestreitet den Vorwurf – es sei lediglich um die Corona-abstandsregeln gegangen.
Die Anschuldigungen gegen den Deutschen wiegen schwer. „Es geht um die in Artikel 299 des türkischen Gesetzbuchs geregelte Präsidentenbeleidigung“, so Deckers. Dem Arzt drohen im Falle einer Verurteilung bis zu vier Jahre Haft. Bislang gebe es allerdings keine Bestätigung für die Vorwürfe. Zwei Zeugen sagen aus, dass es zwar Streit gab, sie aber keine Beleidigung Erdogans gehört haben. Zunächst war von einem Video die Rede, das die Szene aufgezeichnet haben soll, doch dieses scheint jetzt nicht mehr auffindbar zu sein.
Für ein deutsches Gericht sei eine solche Beweislage dünn, sagt Deckers. Er gehe deshalb davon aus, dass die Beurteilung beim Prozess in der Türkei ähnlich ausfalle. Derweil hofft der 63-jährige Wuppertaler, dass der Albtraum für ihn bald ein Ende hat.