Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Nutrias zerstören Deiche am Niederrhein
Die Nagetiere sehen niedlich aus, machen aber jede Menge Ärger. Besonders den Hochwasserschutz gefährden sie.
DÜSSELDORF/WESEL Ein fast drei Meter großes Loch klafft im Schutzwall an der Issel, das Wasser strömt hindurch und hat die Straße komplett unterspült. Erst einmal gibt es kein Durchkommen mehr, die Polizei hat den Bereich an der Bärenschleuse in Wesel-obrighoven abgesperrt. Die Frage ist, warum das Wasser durch den Wall gebrochen ist. Eine fast 100 Jahre alte, marode Leitung könnte eine der Ursachen sein. „Eine Rolle spielt vermutlich auch die Verwurzelung der Bäume“, sagt Hans-georg Haupt vom Isselverband. Er hat aber noch einen anderen Verdacht: Nutrias.
Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf haben die Bruchstelle begutachtet, sie wurde mit Sandsäcken abgedichtet. Zur Ursache können sie noch nichts sagen. Haupt sagt: „Man wird nicht beweisen können, dass Nutrias mitverantwortlich waren, man sieht ja schlicht nichts mehr, aber es gibt hier eine größere Population der Nager.“Haupt hat in der Gegend einige Bauten gesehen. „Überall, wo Nutrias sich breitmachen, gibt es Probleme“, sagt er.
Nutrias sehen auf den ersten Blick aus wie Biber, ihre Schwänze sind aber rund und nicht abgeflacht. Sie werden auch Biberratten genannt und gehören zur Familie der Stachelratten. Die rötlich-braunen Tiere wirken mit ihren runden Ohren, den orangefarbenen Nagezähnen und den langen weißen Barthaaren eigentlich ziemlich niedlich. Mit Schwimmhäuten an den Hinterfüßen kommen sie gut im Wasser zurecht und leben in selbst gegrabenen Höhlen. Nutrias können älter als zehn Jahre werden und bekommen bis zu dreimal im Jahr Nachwuchs. In NRW kommen die Nagetiere mittlerweile praktisch flächendeckend vor – und machen oft Ärger.
„Die unterbuddeln einfach alles“, sagt Peter Malzbender, Chef der Naturschutzbund-kreisgruppe Wesel. Er ist fest davon überzeugt, dass Nutrias auch den Deich in Wesel unterhöhlt haben. „Viele Menschen finden die Tiere putzig, füttern sie an, aber Nutrias richten gewaltige Schäden an und sind gefährlich für den Hochwasserschutz“, sagt Malzbender. Die Tiere seien am ganzen Niederrhein eine Plage – in Viersen, Moers und Dormagen. Durch ihren Höhlenbau zerstören sie Deiche und gefährden Uferbefestigungen. „Die Behörden erkennen aber leider die ernste Lage nicht, sie müssten viel mehr unternehmen“, sagt Malzbender. Nutrias stammen ursprünglich aus Südamerika. In Deutschland wurden sie seit den 20er-jahren in Pelztierfarmen gehalten. Entkommene und ausgesetzte Tiere vermehrten sich. Sie unterhöhlen nicht nur Deiche, sondern fressen auch geschützte Pflanzen etwa aus Röhricht-biotopen. „Dadurch verdrängen sie einheimische Arten“, sagt Malzbender. Dazu gehörten etwa Libellenarten und Vögel.
Nutrias zählen zu den sogenannten invasiven, also nicht heimischen Arten, die laut Tierschutzbund die biologische Vielfalt, andere Tierund Pflanzenarten und damit auch die Ökosysteme gefährden. Naturschützer halten eine Jagd auf Nutrias für sinnvoll, wenn sie zum Schutz anderer Arten notwendig wird. In Rees im Kreis Kleve startete das Naturschutzzentrum vor zwei Jahren das Eu-projekt „Lebendige Röhrichte – Rees for Life“. Ein eigens dafür eingestellter Jäger hat inzwischen mehr als 400 Nutrias am Bienener Altrhein und am Empeler Meer mit Lebendfallen gefangen und getötet. In den Niederlanden hatten Jäger bis zu 100.000 Nutrias und Bisamratten jährlich erlegt. Das riesige Dammsystem, das das Land vor Hochwasser und Sturmfluten schützt, war für die Nagetiere ein Wühlparadies. Inzwischen gilt das Nachbarland als nahezu nutriafrei.