Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Der Produzent für die Impffläschchen
Bis zu einer Milliarde zusätzliche Ampullen will Gerresheimer produzieren, einen großen Teil haben die Hersteller der Corona-impfstoffe schon bestellt. Die Fläschchen müssen hohe Anforderungen erfüllen.
Bis zu einer Milliarde Ampullen will Gerresheimer produzieren, einen großen Teil haben die Hersteller der Corona-impfstoffe schon bestellt.
UNTERRATH Wegen ein paar Zentimeter hohen und wenigen Cent teuren Glasampullen schaut die Welt auf Düsseldorf. Denn mit der Gerresheimer AG sitzt hier einer der drei weltweit wichtigsten Produzenten von so genannten Vials, also Injektionsfläschchen für den medizinischen Gebrauch. Und ohne große Mengen dieser Behälter aus Spezialglas wären die entwickelten Corona-impfstoffe nur noch halb so viel Wert. Die wertvollen Flüssigkeiten ließen sich dann schlichtweg nicht in ausreichender Zahl abfüllen und transportieren. Viele Menschen müssten deutlich länger auf eine Spritze warten.
Bereits im Juni hieß deshalb die gemeinsame Botschaft von Gerresheimer mit den Konkurrenten Stevanato Group und Schott sinngemäß: „Wir schaffen das.“Bei Dietmar Siemssen, Vorstandsvorsitzender der Gerresheimer AG, klang das damals so: Wir sind „bestens darauf vorbereitet, die weltweite Marktnachfrage nach potenziellen Covid-19-impfstoffen zu bedienen.“
Mittlerweile geht das Unternehmen davon aus, dass für die Corona-impfstoffe in den kommenden zwei Jahren weltweit bis zu drei Milliarden Injektionsfläschchen mehr benötigt werden, die je nach Größe auch mehrere Dosen Impfstoff enthalten können. „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten 24 Monaten rund ein Drittel davon produzieren und ausliefern werden, also rund 800 Millionen bis eine Milliarde Fläschchen“, sagt Unternehmenssprecher Jens Kürten. Mittlerweile lägen bereits Bestellungen von Impfstoffherstellern für 600 Millionen Fläschchen vor. Deshalb sei die Produktion schon im Laufe des Jahres mit einem „Kraftakt“hochgefahren worden. Zum Vergleich: Bislang produzierte das Unternehmen pro Jahr gut drei Milliarden Ampullen aus Borosilikatglas Typ I.
In der Zentrale des Unternehmens an der Klaus-bungert-straße in der Airport-city laufen die Fäden für diese Herausforderung zusammen. Produziert werden die Spezial-ampullen weltweit in zehn Werken. Für den europäischen Markt ist das in Frankreich, Polen und im deutschen Bünde der Fall. Per Lkw geht die Fracht sorgfältig verpackt dann an die großen Abfüllstationen der Hersteller. In Belgien steht etwa eine Anlage von Biontech und Pfizer. Ob Gerresheimer dorthin liefert, lässt das Unternehmen offen, da es keine Angaben zu Kunden macht. Darüber hinaus stehen zwei Werke in den USA, drei in China sowie jeweils eins in Mexiko und Indien.
In den Fabriken fährt Gerresheimer nun Sonder- und Wochenendschichten, wie das Unternehmen auf Nachfrage mitteilt. Zum Teil würden mehr Mitarbeiter eingestellt. Ältere Maschinen, die von neuen abgelöst werden sollten, liefen vorerst weiter. Rund 80 Millionen Euro wolle Gerresheimer in neue Herstellungskapazitäten investieren. Und: „Die ersten Lieferungen sind auf dem Weg“, sagt Kürten.
Die Gerresheimer AG mit knapp 10.000 Mitarbeitern weltweit blickt auf eine mehr als 150-jährige Geschichte in Düsseldorf zurück. Ein Experte für die Herstellung von Flaschen war das Unternehmen mit der Gerresheimer Glashütte. Die heutige Produktion mit dem Schwerpunkt für die Pharmabranche hat jedoch nicht viel mit der Herstellung von Alltagsflaschen zu tun. Das aus Röhren und nahtlos hergestellte Spezialglas ist unempfindlich gegenüber hohen Temperaturen. Auch minus 70 Grad, die der Biontech-impfstoff zur Lagerung benötigt, sind kein Problem. Zudem gibt es keinerlei Austausch des Medikaments mit der Oberfläche. Entnommen wird die Flüssigkeit mit der Nadel einer Spritze durch den Gummistopfen im Flaschenhals.