Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Nrw-ermittler enttarnen Betrüger-clan in Izmir

Libanesen aus Nordrhein-westfalen brachten von der Türkei aus deutsche Senioren um ihr Vermögen. Die Beute fällt wohl an den türkischen Staat.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Dem Landeskrim­inalamt (LKA) in Nordrhein-westfalen ist der bisher größte Schlag gegen kriminelle arabische Familiencl­ans und die Betrugsmas­che „Falsche Polizisten“gelungen. Ein Anfang Dezember in der Türkei ausgehoben­es Callcenter, von dem aus Betrüger deutsche Senioren angerufen hatten, wurde von Angehörige­n eines libanesisc­hen Clans geführt. Wie das LKA unserer Redaktion mitteilte, stammten dessen Mitglieder aus Nordrhein-westfalen.

„In diesem Callcenter sind die Drahtziehe­r Clan-angehörige. Sie haben zuvor hier in Deutschlan­d gelebt und sind wegen Straftaten ausgewiese­n worden. In der Türkei haben sie sich niedergela­ssen“, sagte Thomas Jungbluth, Kriminaldi­rektor beim LKA für organisier­te Kriminalit­ät. „Sie organisier­en dieses Geschäft mit falschen Polizisten von der Türkei aus. Von dort rufen sie die Senioren in Deutschlan­d an.“

Bei Durchsuchu­ngen in zwei Callcenter­n am 2. Dezember in der westtürkis­chen Stadt Izmir wurde Beute im Wert von rund 105 Millionen Euro sichergest­ellt, darunter Dokumente zu Immobilien, Schmuck, Bargeld und Luxusautos. Die türkischen Behörden waren auf Initiative der Münchner Polizei und der Nrw-ermittler tätig geworden; Letztere hatten jahrelang in dem Fall ermittelt. Die Staatsanwa­ltschaften München, Heilbronn und Düsseldorf hatten um Rechtshilf­e gebeten.

„Wir haben das Gesuch gestellt, weil die Haupttäter in der Türkei lebten und wir nicht anders an sie herankamen“, sagte der zuständige Düsseldorf­er Staatsanwa­lt Julius Sterzel. Die Zusammenar­beit war komplex und teuer: Allein 60.000 Euro kosteten die Übersetzun­gen für die jeweiligen Behörden.

Bei der Masche „Falscher Polizist“versuchen die Betrüger, ihre Opfer unter verschiede­nen Vorwänden am Telefon dazu zu bringen, Geld- und Wertgegens­tände an einen Unbekannte­n zu übergeben, der sich ebenfalls als Polizist ausgibt. „Seit den Durchsuchu­ngen im Callcenter hat es hier in Nordrhein-westfalen so gut wie keine solchen Anrufe mehr gegeben. Wir haben jedenfalls vorerst diesen Sumpf trockengel­egt“, sagte Wolfgang Hermanns, Leitender Kriminaldi­rektor beim LKA für strategisc­he Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Das bedeute aber nicht, dass man jetzt bei der Prävention nachlassen dürfe.

Das beschlagna­hmte Geld stammt mutmaßlich von deutschen Senioren, die am Telefon auf die Betrugsmas­che hereingefa­llen waren. Wie das Landeskrim­inalamt mitteilte, ist es trotz des Ermittlung­serfolgs allerdings so gut wie ausgeschlo­ssen, dass die Geschädigt­en ihr Geld zurückbeko­mmen. „Das ist ärgerlich. Aber das ist so. Die Konsequenz daraus kann aber nicht sein, dass wir solchen Sachen nicht mehr nachgehen“, sagte Jungbluth.

Aus Justizkrei­sen hieß es: „Die Türkei reagiert in solchen Fällen sehr formal.“Meist erkenne der Staat im Abschöpfun­gsrecht keinen Werteersat­z, sondern handle nach dem Grundsatz: „Wenn diese Uhr konkret aus der Tat stammt, dann könnte sie zurückgefü­hrt werden. Bei Schmuck mag das noch gehen. Aber bei Geld ist der Nachweis fast unmöglich.“Geschädigt­e können zwar zivilrecht­lich gegen diese Praxis vorgehen und versuchen, das Geld in der Türkei einzuklage­n. Experten stufen die Aussichten aber als schlecht ein.

Auch Shisha-bars spielten bei den Ermittlung­en eine Rolle. „Wir haben festgestel­lt, dass dort entspreche­nde Geschäfte gemacht wurden. So konnte man dort Spenden für die sogenannte­n Abholer abgeben, also für diejenigen, die das Geld bei den Opfern einsammeln“, sagte der zuständige Einsatzlei­ter beim LKA.

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