Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Wenig, was wir jetzt noch schließen könnten“
KARL-JOSEF LAUMANN (CDU) Der Nrw-gesundheitsminister über den Lockdown, Ausgangssperren und Schnelltests für Altenheimbesucher.
Herr Laumann, kann man bei den aktuellen Covid-zahlen noch von einer Seitwärtsbewegung sprechen? LAUMANN Nein. Der leichte Lockdown hat zwar gewirkt – aber leider nicht nachhaltig. Aus der Seitwärtsbewegung sind wir seit rund zwei Wochen wieder raus. Der harte Lockdown war deshalb unumgänglich. Wir müssen die Kontakte massiv reduzieren, und niemand sollte jetzt nach Schlupflöchern in den Verordnungen suchen.
Die Geschäfte haben erst am Mittwoch geschlossen. Der Schulbetrieb war schon Montag eingeschränkt. Warum dieses vermeidbare Risiko im Handel?
LAUMANN Wir wollten keinen Shoppingverkehr zwischen den Bundesländern. Deshalb war bundesweite Einheitlichkeit sinnvoll.
Derzeit liegen 20 Kreise und kreisfreie Städte über der Schwelle von 200, mehrere sind nur knapp darunter. Eine einheitliche Vorgabe – etwa für Ausgangsbeschränkungen – gibt es nicht. Warum? LAUMANN Kommunen über einer 200er-inzidenz besprechen mit meinem Ministerium und dem Landeszentrum Gesundheit weitere Maßnahmen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es im harten Lockdown nicht viel mehr Möglichkeiten gibt, Dinge zu schließen. Wichtiger als die Ausgangssperren sind die Kontaktbeschränkungen. Mir ist es grundsätzlich erst mal egal, ob jemand abends um 21 Uhr spazieren geht. Wichtig ist dann nur, dass er die vorgegebenen Kontaktbeschränkungen einhält. Dort, wo die Kommunen Ausgangssperren für geboten halten, tragen wir das in der Regel mit.
Wie sind Ihre Erwartungen an den 10. Januar?
LAUMANN Stand heute sehe ich noch nicht, dass es am 10. Januar großartige Lockerungen geben kann. Wenn es anders kommen sollte, wäre das natürlich großartig. Und: Über Differenzierungen wird man reden müssen. Wir machen ja jetzt schon vieles anders.
Zum Beispiel?
LAUMANN Besuchsverbote in den Alten- und Pflegeheimen wie im Frühjahr gibt es nicht und wird es mit mir auch nicht mehr geben. Dafür haben wir einfach inzwischen genug Erfahrungen, um einen angemessenen Schutz auch ohne solche Verbote sicherzustellen. Ich habe deshalb mit den Hilfsorganisationen darüber gesprochen, wie sie die Heime an Weihnachten mit Kräften zur Testung unterstützen können – das wird nicht in allen Heimen gelingen, aber beim überwiegenden Teil. Das schafft das dortige Personal sonst womöglich nicht allein. Wenn irgendwie möglich, muss jeder Besucher getestet werden. Ich unterschreibe allerdings auch keine Verordnung, in der steht: Wer nicht getestet ist, darf nicht zur Oma. Die Materialfrage ist gelöst. Wer sich gekümmert hat, hat Tests in den Heimen. Und wo es sie dennoch nicht gibt, tun es auch Schutzkleidung und Ffp2-maske für die Besucher.
Sorge bereitet die Lage in den Kliniken. Es gibt den Vorwurf, die Politik lasse die Ärzte mit der Triage allein. LAUMANN Die Entscheidung können wir den Ärzten nicht abnehmen, aber wir können und werden alles dafür tun, dass die Mediziner in NRW diese Entscheidung nicht treffen müssen.
Können Sie ausschließen, dass in NRW Mediziner im Zuge von Covid-19 bisher entsprechende Entscheidungen treffen mussten? LAUMANN Ich kann nicht in jedes Krankenhaus hineinschauen. Aber es gibt zurzeit in jedem Regierungsbezirk noch genügend freie Intensivbetten. Niemand muss von Köln nach Bielefeld geflogen werden, um einen Beatmungsplatz zu bekommen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es wird enger in den Häusern. Es gibt Situationen, in denen die Krankenhausleitung Personal umschichtet und elektive Eingriffe verschiebt. Das hat aber nichts mit Triage zu tun. Nach meinem Kenntnisstand bekommt jeder, der in NRW eine intensivmedizinische Betreuung benötigt, sie auch. Wir haben ja auch noch Reserven: Uns bleiben noch die Reha-kliniken, in die wir mit Patienten ohne Covid ausweichen könnten, wenn sich die Situation in zwei oder drei Wochen zuspitzen sollte. Die Pläne liegen vor.
Die Opposition spielt genüsslich den Fall Van Laack. Hand aufs Herz: Das hätte besser laufen können. LAUMANN Das glaube ich nicht. Im Frühjahr hat die ganze Welt – und damit natürlich auch wir – händeringend medizinisches Material gesucht. Insgesamt standen uns dafür am Ende mit Zustimmung des Landtags rund 500Millionen Euro zur Verfügung. Und das Schlimme war: Trotz des vielen Gelds war zunächst nichts zu bekommen. Anfang März habe ich mich mit den Textilverbänden in NRW getroffen und gefragt, wer uns helfen kann. Da haben sich dann einige auf den Weg gemacht. Dann kam der besagte 29. März: Da hat mich abends der Ministerpräsident angerufen und mir von seinem Kontakt zu Van Laack erzählt, der über seinen Sohn kam. Und dann haben meine Leute mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen, um sich darüber zu informieren, was sie uns anbieten konnten. Am Ende kam dabei die Bestellung von Schutzkitteln heraus, die wir beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung haben testen lassen. Die haben gesagt, dass das Material für den Einsatz zum Schutz vor dem Coronavirus geeignet ist. Van Laack hatte zudem große Nähkapazitäten im Ausland und den Stoff. Das war ein solider Partner. Durch einen Runderlass des Bundeswirtschaftsministers durften wir in der Notlage auf die Ausschreibung verzichten. Da ist überhaupt nichts schlecht gelaufen.
Viele der gelieferten Kittel sollen unbrauchbar sein. Thomas Kutschaty sagt, Sie hätten „45 Millionen Euro in den Sand gesetzt“.
LAUMANN Wir haben mehrere Testate, wonach die Kittel in Ordnung sind.
Die Uniklinik Essen sagt etwas anderes.
LAUMANN Es kann immer mal sein, dass bei einzelnen Chargen etwas schiefläuft. Aber wenn Sie zehn Millionen Einmal-kittel produzieren, dann können kleinere Teillieferungen auch mal nicht der vereinbarten Qualität entsprechen. Wir haben dem Universitätsklinikum Essen so oder so bereits eine Ersatzlieferung angeboten.