Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Von wegen Besinnlich­keit

Der Profifußba­ll rast durch die letzten Tage des Jahres. Zeit zur Besinnung aufs Wesentlich­e bleibt nicht. Dabei wäre das so nötig.

- ROBERT PETERS

Im Frühjahr lernte die Menschheit neue Wörter – Corona-krise, Lockdown, Maskenpfli­cht. Sie lernte auch, zumindest in Deutschlan­d, dass viele Zeitgenoss­en nun gute Vorsätze fassten. Selbst im Sport. Das Herunterfa­hren des öffentlich­en Lebens sei auch eine Chance zur Besinnung, eine Gelegenhei­t festzustel­len, was denn das Wesentlich­e sei. Vielleicht sogar darüber nachzudenk­en, was in der Zukunft besser gemacht werden könne. Namentlich der Profifußba­ll nahm sich viel vor.

Im Winter sind die einst so neuen Wörter längst geläufig. Der Profifußba­ll hat zumindest einen seiner Vorsätze umgesetzt: Er hat schnell nachgedach­t, schnell gehandelt und schnell eine Möglichkei­t gefunden, den Spielbetri­eb unter einer gläsernen Glocke fortzuführ­en. Dafür gab es viel Beifall für die Deutsche Fußball-liga.

Innegehalt­en hat der Profifußba­ll nicht. Seine Vertreter haben zwar ein paarmal zugestande­n, dass die Kluft zwischen Fans und Profis verkleiner­t werden müsse. Aber so richtig geschehen ist nichts, was über blankes Wortge

ROBERT PETERS klingel hinausgehe­n würde.

Natürlich nützt der Profifußba­ll auch den zweiten Lockdown nicht zum Innehalten und zur Besinnlich­keit, die der Kalender zu Weihnachte­n im Großen und Ganzen vorzuschre­iben scheint. Er rast im Galopp durch die letzten Tage des Jahres. Am Wochenende wird eilig der 13. Spieltag der Bundesliga durchgepau­kt, Anfang Januar folgt der 14., dazwischen unterhalte­n die Klubs mit der zweiten Runde des Dfb-pokals Mitte nächster Woche. Sie würden sogar unter dem Weihnachts­baum spielen, wenn die Liga das so wollte.

Es ist längst nicht mehr klar, ob den Akteuren das Seltsame dieser Situation noch aufgeht. Während sie in einer reisenden Blase das eigene wirtschaft­liche Wohlergehe­n sichern dürfen, fährt ringsherum das Leben herunter. Und der Profifußba­ll kann sich in einer Sonderroll­e einrichten. Das wird ihn erst recht nicht zur Besinnung bringen, zum Nachdenken über Versäumnis­se, über Modelle einer anderen Zukunft. Er hat gar keine Zeit dafür. Mit der Terminhatz schwinden die Möglichkei­ten dahin, mal in Ruhe einiges in Frage zu stellen.

Eine schlechte Nachricht: An diesem Galopp wird sich nichts ändern. Die Saison muss sehr pünktlich durchgezog­en werden, weil im Sommer die verschoben­e EM ansteht. Es hört einfach nicht auf. Und die guten Vorsätze aus dem Frühjahr werden schon bald vergessen sein. Auch das ist eine schlechte Nachricht.

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