Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Charlie Jahnke trifft wie er will
Der 22-Jährige stand sich manchmal selbst im Weg. Im langen Sommer arbeite er viel im mentalen Bereich. In Köln war er mit zwei Toren der Matchwinner für die Düsseldorfer EG, die sich im Penaltyschießen durchsetzte.
Es ist viel darüber debattiert worden, wie es ist in den leeren Hallen. Gilt die Verbindung zwischen Teams und Fans in der Deutschen Eishockey-liga doch als besonders eng. Umso mehr freute sich die Düsseldorfer EG, dass am Donnerstag, vor der Abfahrt nach Köln, ein paar Anhänger zum Bus kamen und viel Glück für den Saisonstart wünschten. Und als die DEG nach dem 5:4-Sieg nach Penaltyschießen abends zurück in Düsseldorf war, warteten wieder rund zwei Dutzend Fans und feierten ihr Team mit Feuerwerk. Eine schöne Überraschung sei das gewesen, sagte Charlie Jahnke am Tag danach. Denn auch dem Deg-stürmer fehlen die Fans, „Eishockey ist dieses Jahr anders“.
Auf seine Leistung wirkt sich das nicht negativ aus: Am Donnerstag in Köln trug der 22-Jährige einen roten Zylinder mit DEG-LOGO und Blaulicht. Den vergibt das Team dieses Jahr intern an den Mann des Spiels. Das konnte nur Jahnke sein, der erst im zweiten Drittel traf, und nachdem die DEG ein 4:2 spät wie unnötig aus der Hand gegeben hatte, traf er im Penaltyschießen mit einer feinen Bewegung noch mal. Was den Sieg garantierte – und Jahnke ein mathematisches Kuriosum: Da Siegtreffer im Penaltyschießen für die Torjägerliste zählen, die Versuche aber nicht erfasst werden, steht Jahnke nun bei einem Schuss und zwei Toren. Macht 200 Prozent Schusseffizienz. Statistisch dürfte in der Geschichte der DEL kein Spieler jemals genauer gezielt haben.
Dabei schien Jahnke den Start der neuen Saison gar nicht erleben zu können. Hatte er sich im letzten Hauptrundenspiel der Vorsaison in Nürnberg doch Bänderrisse und einen Wadenbeinbruch zugezogen. Kurz vor den Play-offs gegen seinen Heimatklub aus Berlin. Doch dann kam Corona, die K.o.-runde fiel aus. Und weil die nächste Saison zweimal verschoben wurde, konnte sich Jahnke in Ruhe auskurieren. „Ich hätte es zum Start geschafft, aber ich hätte im Hinterkopf gehabt, dass es zügig gehen muss.“Stattdessen musste er eben nicht „zu früh ins Krafttraining einsteigen oder aufs Eis“. Und er konnte die Platte, die ihm die Ärzte eingesetzt hatten, noch vor der Saison entfernen lassen.
Doch als es endlich losging, der nächste Rückschlag: Jahnke wurde positiv auf Corona getestet. „Ich hatte aber Glück, war symptomfrei.“Und als er dann endlich im Vorbereitungsturnier auf dem Eis stand, lief es: Tor nach Alleingang in Bremerhaven, perfekter Schlenzer in den Winkel im Halbfinale in München, hinzu kamen zwei Vorlagen. Jetzt gleich zwei Tore in Köln
– „beide wunderschön“, wie Manager Niki Mondt sagt, „das gibt ihm Selbstvertrauen“.
Nun war Jahnke schon in seiner Jugend in Berlin ein ausgewiesener Scorer: 162 Punkte in 109 Spielen bei den Junioren. Aber in der DEL, ob bei den Eisbären oder seit 2019 in Düsseldorf, lief es schleppend: 106 Spiele, 17 Punkte. Was ei
nerseits an seiner Rolle liegt, auch bei der DEG wird er in den hinteren Reihen eingesetzt, in Köln spielte er nur 10:34 Minuten. Aber das war es nicht allein. Es liegt auch an seinem Charakter. Jahnke passt nicht ins Klischee des Jungprofis, der sich um Instagram und Frisuren schert. Er sei „ein guter Typ, sehr ehrgeizig und nicht auf den Kopf gefallen“, sagt Mondt. Der 22-Jährige ist eloquent, interessiert sich für gesellschaftliche Prozesse, macht Musik und hat Humor. Während des heißen Sommers 2019 twitterte er ein Bild von sich mit Sonnenbrille und Schwimmflügeln im Planschbecken auf seinem Balkon. Drüber stand: Charlie 1, Hitze 0.
Rein sportlich stand ihm das viele Nachdenken aber oft im Weg. „Ich habe ja keine schlechten Skills, aber die letzten Jahre habe ich immer gehadert“, erzählt er. Im langen Sommer, in dem er körperlich eingeschränkt war, habe er sich deswegen „viel mit Mentaltraining beschäftigt“. Mittlerweile merke er, „wenn ich etwas überanalysiere“. Was sich wiederum auf dem Eis bemerkbar macht: „Ich bin positiver und zielgerichteter. Wenn ich die Scheibe habe, habe ich jetzt den Gedanke: Den mache ich rein.“So wie am Donnerstag in Köln.