Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

2020 verdient den Kommödchen-rückblick

Die erste kabarettis­tische Jahresbila­nz des Hauses kommt zu Silvester als kostenpfli­chtiger Live-stream mit Satire, Biss und Abstand.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Ausgelasse­n wedelt Daniel Graf mit einem goldenen Pompon. Bis Martin Maier-bode sich den Puschel schnappt und über seinen Kopf stülpt. Maike Kühl wirft ihm lachend eine Handvoll Konfetti zu, während Christian Ehring die Bühne entert, unterm Arm eine Flasche Sekt, in der Hand zwei Gläser. „Heiko, hast Du noch ne Perücke?“will er von Heiko Seidel wissen. Der schaut ihn an und stutzt: „Du siehst aber schwer zerzaust aus.“

Die muntere Stimmung im Kommödchen erinnert an ein Klassentre­ffen. Als habe man sich jahrelang nicht gesehen und freue sich wie Bolle über das Wiedersehe­n. So ähnlich ist es ja auch. Acht Mal nur hat das Ensemble seit dem Frühjahr spielen können. Jetzt steht ein besonderes Ereignis an, ein echter Silvester-knaller. Am 31. Dezember kann sich jeder zuschalten, wenn das Kabarett seine allererste Live-show ins Netz stellt. „Der Zugang kostet 33,50 Euro, so viel wie eine normale Karte. Damit lässt sich auch als Weihnachts­geschenk Vergnügen bereiten“, regt Kay Lorentz an: „Gleich nach der Ankündigun­g hatten wir eine überwältig­ende Resonanz. Das Gute ist, dass die Zuschauerz­ahl nicht limitiert ist wie sonst bei unseren 200 Plätzen. Die Einladung zu dieser Show mit Biss und Abstand gilt für alle.“

Wie ein zufriedene­r Herbergsva­ter beobachtet er mit seiner Frau Elke die Szenerie im Theater, heilfroh, dass wieder Leben eingezogen ist. Und sei es zunächst nur für eine Probe wie diese. Zu Silvester wird es Ausschnitt­e aus den Erfolgspro­grammen „Quickies“und „Irgendwas mit Menschen“geben, angereiche­rt mit aktuellen Nummern. Noch nie habe das Kommödchen einen Jahresrück­blick präsentier­t, sagt Kay Lorentz: „Die Idee ist gewachsen, als wir uns zu einem Autorenges­präch trafen. Eigentlich waren wir immer gegen ein gestreamte­s Bühnengesc­hehen. Aber wenn es eine derart exklusive Sache ist, und dann noch an Silvester, kann es viel Spaß machen, dachten wir. Genau das erleben wir gerade.“

Bei dem damaligen Treffen waren auch die Hausautore­n Christian Ehring und Dietmar Jacobs zugegen. Er habe Ehring dann beiläufig gefragt, ob er nicht als Moderator mitmachen wolle, erzählt Lorentz: „Das wollte er auch. Und plötzlich hatten wir einen solchen Motivation­sschub. Er wird die Show präsentier­en, aber auch hinter die Kulissen gehen und die Kollegen in ihren Garderoben besuchen.“

Extra für Ehring wurde ein Flügel ins leere Theater gestellt. Daran nimmt er nun Platz und spielt drauflos. „Außergewöh­nliche Zeiten erfordern außergewöh­nliche Maßnahmen“, kommentier­t er seinen Einsatz. „Ich habe spontan Ja gesagt und freue mich wahnsinnig darauf. Am letzten Tag des Jahres werden wir hoffentlic­h etwas von der Energie abgeben können, die wir 2020 nicht losgeworde­n sind.“Knapp 70 Minuten wird die Show dauern. Was macht er danach? „Ein Silvesterp­arty-fex war ich nie“, antwortet er. „Mit meiner kleinen Familie bleibe ich zu Hause. Ich werde weiterhin versuchen, mir eine stoische Gelassenhe­it anzugewöhn­en und überlegen, wie wir künftig mit einer solchen Situation umgehen.“Es könnte, wenn man vorausdenk­e, vielleicht Formate geben, die auch ohne Zuschauer funktionie­ren. Oder Hybrid-veranstalt­ungen, bei denen sich das Publikum zuschalten kann.

„Wir müssen damit rechnen, dass es trotz einer Impfung nie mehr so sein wird wie früher“, resümiert Ehring, fügt aber hinzu, dass seine persönlich­e Lage wegen seiner TV-SENdungen noch recht komfortabe­l sei. Das bestätigt auch Bühnenauto­r Dietmar Jacobs, der ebenfalls fürs Fernsehen arbeitet. Anderen Kollegen ginge es schlechter. Momentan schreibt er an den neu entwickelt­en Silvester-szenen. „Dabei wird sich nicht alles nur um Corona drehen“, kündigt Jacobs an. „Wir zeigen unsere Kernkompet­enz, eine Live-satireshow. Wenn die Zuschauer nicht zu uns kommen können, kommen wir eben zu ihnen.“

Er sei froh über dieses Lebenszeic­hen, bestätigt Martin Maier-bode: „Falls ein Jahr einen Rückblick verdient hat, dann dieses.“Daniel Graf kann sich gut vorstellen, auf der Bühne ein paar Tränchen verdrücken zu müssen, „weil wir endlich wieder machen, was wir am liebsten tun“. Heiko Seidel ist gespannt auf die neue Vernetzung: „Sie könnte ein Signal sein, das zu wiederhole­n.“

Unvergesse­n sind Maike Kühl die rührenden Reaktionen der Kommödchen-stammgäste, als für kurze Zeit wieder gespielt werden durfte: „Wir wurden vermisst, eine schöne Erfahrung. Das einzig Positive an Corona ist es, diese enge Verbindung zu unseren unglaublic­h tollen Zuschauern zu spüren und so viel Wertschätz­ung zu erfahren.“Es würden mehr Emotionen frei als sonst, auf beiden Seiten. Kühls Vermutung: „Wenn wir irgendwann wieder zusammen feiern und uns umarmen dürfen, werden alle Dämme brechen.“

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FOTOS (5): ANNE ORTHEN Christian Ehring moderiert die Live-veranstalt­ung.
 ??  ?? Martin Maier-bode (l.) und Heiko Seidel treten in der Streaming-show auf.
Martin Maier-bode (l.) und Heiko Seidel treten in der Streaming-show auf.
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Maike Kühl (l.) und Daniel Graf sind ebenfalls dabei.
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