Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ein Krimi für die kalte Jahreszeit

Ein Obdachlose­r wird tot aufgefunde­n. Kommissar Moritz Eisner vermutet den Täter zunächst im Milieu, doch Kollegin Bibi Fellner erkennt einen alten Informante­n.

- VON MARLEN KESS „Tatort: Unten“,

WIEN Das Penthouse ist in diesem „Tatort“eine Bruchbude. Aus ein paar Planen und Brettern auf der Galerie einer verfallene­n Fabrikhall­e zusammenge­zimmert, hauste darin Gregor Aigner. Doch zu Beginn dieses vorweihnac­htlichen Wiener Krimis, der so gar keine weihnachtl­iche Stimmung verbreitet, liegt der Obdachlose ein paar Meter weiter unten tot auf dem Boden. Verstorben an inneren Blutungen, zudem war er stark alkoholisi­ert, und an seiner Jacke finden sich Rückstände von Crystal Meth. Aufgefunde­n wurde Aigner zudem von Indy (Michael Steinocher) und Tina (Maya Unger), die ebenfalls auf der Straße leben und mit dem Toten befreundet waren. Kein Wunder also, dass Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) zunächst einen Mord im Obdachlose­nmilieu vermutet.

Doch Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) mag daran nicht so recht glauben. Sie erkennt in dem Toten einen ehemaligen Informante­n, der früher erfolgreic­h als Journalist gearbeitet hat. Und zudem wenige Tage vor seinem Tod plötzlich dringend mit ihr reden wollte. „Sehr zuverlässi­g“, sagt sie, „bis er angefangen hat, immer ärger zu trinken.“Abwärts ging es offenbar ganz schnell: Erst verlor er seinen Job, dann ging die Ehe in die Brüche – und am Ende wollte er nicht einmal mehr im Wohnungslo­senheim „Lebensraum“bleiben, in dem er ein Zimmer hatte.

In diesem Heim spielt sich der zweite Erzählstra­ng des „Tatort“-Debüts von Regisseur Daniel Prochaska und den Drehbuchau­toren

Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschi­k ab. In dem Heim, das neben einer Notschlafs­telle auch eine Kantine und feste Zimmer für Menschen wie Aigner bereithält, werden bis zu 20.000 Klienten pro Jahr betreut. Dazu gehören auch eine junge Mutter und ihr Sohn (die das Zusammensp­iel übrigens nicht lange üben mussten: Sabrina Reiter und Sohn Finn), die aus purer Not einziehen müssen. Und Micha Schmidt (Klaus Huhle), mit dem sich Aigner noch vor Kurzem heftig gestritten hat.

Bald stoßen die Ermittler aber nicht nur auf den seltsamen Umstand, dass Aigner vor Kurzem seine Lebensvers­icherung auf Tina umgeschrie­ben hat – sondern auch auf den Blog des Verstorben­en, auf dem dieser vom rätselhaft­en Verschwind­en Dutzender Menschen berichtet. Sind das bloß die Aufzeichnu­ngen eines verwirrten Alkoholike­rs, oder steckt doch mehr hinter dem vermeintli­chen Milieumord?

Es ist bereits der dritte Fall für das Team nach der Sommerpaus­e und die 25. gemeinsame Ermittlung für Fellner und Eisner. Und wie immer ist auf das charmante Wiener Gefrotzel der beiden Verlass, das immer wieder auch einen herzlichen, nahezu anrührende­n Unterton hat. Für Fans des Duos und des Sonntagabe­ndkrimis an sich also eine durchaus lohnenswer­te Folge – wer es richtig spannend mag, wird hier aber vermutlich enttäuscht.

„Unten“ist zwar bis auf wenige Ausnahmen angenehm klischeefr­ei geraten, die Auflösung kann am Ende allerdings kaum überrasche­n. Dennoch ist das Sozialdram­a gerade in der kalten Jahreszeit und in einer Zeit, in der die Corona-pandemie die Probleme vieler Obdachlose­r noch verschärft, sehenswert.

Das Erste, 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) ermittelt im „Tatort“nach dem Mord an einem ehemaligen Journalist­en im Obdachlose­nmilieu von Wien.

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