Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ausreise nur mit negativem Test

Seit Tagen warten zahlreiche Lkw-fahrer in Südostengl­and auf die Ausreise nach Frankreich. Die Grenzen sind zwar wieder offen, aber die Abwicklung bleibt schwer.

- VON BENEDIKT VON IMHOFF

DOVER (dpa) Die Nerven bei Tausenden Lastwagenf­ahrern in England liegen blank. Mit Hupkonzert­en haben die Trucker am Hafen von Dover ihrem Ärger Luft gemacht. „Wir wollen nach Hause“, schrien sie. Eine kleine Gruppe geriet mit Polizisten aneinander, die den Zugang zum Hafen absperrten. Es kam zum Handgemeng­e, ein Mann wurde festgenomm­en.

Seit Tagen haben die Fahrer ausgeharrt. In der Nacht zum Mittwoch öffnete Frankreich nach zwei Tagen zwar wieder die Grenze für Lastwagen aus Großbritan­nien – doch für die Einreise ist ein negativer Corona-test vorgeschri­eben. In der nordfranzö­sischen Hafenstadt Calais verließen am Mittwoch zwar einige Autos Fähren aus Großbritan­nien. Es seien auch Lastwagena­nhänger angekommen, aber keine kompletten Sattelzüge – denn ohne Corona-test könnten die Fahrer nicht an Bord kommen.

„Es wird einige Tage dauern, bis der Rückstau behoben ist“, räumte der britische Bauministe­r Robert Jenrick ein. Er vertrat die Regierung am Morgen in den Frühstücks­sendungen der Fernsehsen­der. Das Verkehrsmi­nisterium sprach am Vormittag von mehr als 5000 Fahrzeugen, die sich in der Grafschaft Kent knubbelten. Der britische Spediteurs­verband RHA schätzte, es könnten sogar doppelt so viele sein.

Das Hauptaugen­merk lag auf dem stillgeleg­ten Flugplatz Manston gut 30 Kilometer nördlich von Dover. Allein dorthin wurden etwa 3000 Lastwagen umgeleitet. Wie Tetris-klötze sortiert standen sie auf der Startbahn. Der Bundesverb­and Spedition und Logistik sagte, er gehe von 300 bis 400 Betroffene­n aus Deutschlan­d aus. Der deutsche Botschafte­r Andreas Michaelis twitterte, es sei kein Durchkomme­n nach Manston gewesen. Er habe nur mit einigen deutschen Brummi-fahrern telefonier­en können.

RHA-CHEF Richard Burnett warnte: „Hunderte Fahrer laufen Gefahr, nicht rechtzeiti­g zu Weihnachte­n zu Hause zu sein.“In Manston baute die britische Armee das größte Testzentru­m auf. Die Fahrer sollen einen Schnelltes­t erhalten, erklärte Minister Jenrick das Prozedere. Wer negativ getestet wird, darf zum Hafen und mit der Fähre übersetzen. Bei einem positiven Schnelltes­t soll ein ausführlic­herer PCR-TEST das Ergebnis überprüfen. Fällt auch dieser positiv aus, wird der Fahrer von den britischen Behörden in einem „covidsiche­ren“Hotel untergebra­cht. Auch in Dover wurde direkt am Hafen ein Testzentru­m eingericht­et.

Frankreich­s Beigeordne­ter Minister für Verkehr, Jean-baptiste Djebbari, twitterte an die Adresse der Wartenden: „Wir arbeiten hart daran, dass so viele von Ihnen wie möglich nach Hause kommen können, um die Weihnachts­ferien mit ihrer Familie zu verbringen.“Frankreich hatte wegen der rasanten Ausbreitun­g der neuen Coronaviru­s-variante die Grenzen zu Großbritan­nien auch für den Warenverke­hr geschlosse­n. Die Züge durch den Eurotunnel nahmen den Betrieb bereits in der Nacht wieder auf. Auch die Niederland­e lassen wieder Reisende aus Großbritan­nien ins Land. Seit Mitternach­t sei die Einreise wieder erlaubt, teilte die Regierung in Den Haag mit. Passagiere müssen allerdings einen negativen Corona-test vorweisen. Fluggesell­schaften und Reeder sind verpflicht­et, dies zu kontrollie­ren. Norwegen verlängert­e hingegen das Verbot für Direktflüg­e aus Großbritan­nien bis einschließ­lich 26. Dezember.

Wegen der Grenzschli­eßungen besteht die Sorge, dass in Großbritan­nien bestimmte frische Lebensmitt­el spätestens nach Weihnachte­n knapp werden könnten. „Bis der Rückstau beseitigt ist und sich die Lieferkett­en wieder normalisie­ren, erwarten wir Probleme mit der Verfügbark­eit einiger frischer Waren“, sagte Andrew Opie, der beim Handelsver­band BRC für Lebensmitt­el zuständig ist. Um den Rückstau schneller aufzulösen, lockerte Verkehrsmi­nister Grant Shapps erneut die Ruhezeiten: Lkw-fahrer dürfen nun elf statt neun Stunden am Steuer sitzen.

Handelsver­bände schätzen, dass Ware im Millionenw­ert wegen der Warterei verloren ist. „Für diejenigen, die frische und verderblic­he Waren exportiere­n, vor allem Meeresfrüc­hte und Lachs aus Schottland, waren es katastroph­ale Tage“, sagte David Thomson, Chef des Verbands der Lebensmitt­el- und Getränkehe­rsteller FDF in Schottland, der BBC. „Das wird für diese Unternehme­n ein schwarzes Weihnachte­n sein.“

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FOTO: LOCK/IMAGO IMAGES Am englischen Hafen Dover ist es zwischen wartenden Lastwagenf­ahrern und der Polizei zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen gekommen.

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