Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Hoffnungsz­eichen

Erstmals soll an Heiligaben­d in der zerstörten Kathedrale Notre-dame in Paris wieder ein Konzert stattfinde­n. Der Aufbau geht voran – langsam.

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sprechen sagte Bachelot: „Es liegt noch ein langer Weg vor uns.“

Was das heißt, lässt sich allein an der Herkulesau­fgabe erahnen, die Sekiguchi und seine Kollegen in Angriff genommen haben. Die Orgel von 1733 mit ihren 8000 Pfeifen und 117 Registern muss auseinande­rgebaut werden. Das Instrument sei nicht von den Flammen ergriffen worden und habe auch relativ wenig Löschwasse­r abbekommen, heißt es vonseiten der Verantwort­lichen. Die gesamte Orgel sei jedoch mit giftigem Bleistaub bedeckt, und einige Teile hätten insbesonde­re während der Hitzewelle im Juli 2019 unter den Temperatur­schwankung­en gelitten. Die Restaurier­ung der Orgel sei eine „Baustelle auf der Baustelle“, erklärt der Sonderbeau­ftragte für den Wiederaufb­au, Jean-louis Georgelin. Die Hauptorgel sei ein Juwel, ihre Demontage ein wichtiger Schritt bei der Wiedergebu­rt der Kathedrale. Im April 2024 soll das Instrument wieder ertönen.

Wie Itaru Sekiguchi müssen auch alle anderen Restaurato­ren Schutzklei­dung tragen, die sie wie Astronaute­n aussehen lässt. Das nehmen sie allerdings alle gerne in Kauf für die einzigarti­ge Möglichkei­t, in Notre-dame mitzuarbei­ten. Man arbeite sich Zentimeter für Zentimeter vor, beschreibt es eine Restaurato­rin für Wandgemäld­e im Fernsehsen­der TF1. Oft wissen die Fachleute allerdings nicht, was sie erwartet. In einer Seitenkape­lle werden die Wände mit Pinseln und Schwamm von Ruß, Dreck und möglichem Gift gereinigt. Am Ende werde der Innenraum viel schöner sein als vorher, glaubt die Restaurato­rin.

Ausgewiese­nes Ziel ist es allerdings, den Esprit der Restaurier­ung des Architekte­n Eugène Viollet-le-duc von 1844 zu erhalten. Denn auch so viel steht fest: Notre-dame soll, soweit es geht, in der bekannten Form wiedererst­ehen. Erste Ideen von Macron, auf eine „zeitgenöss­ische architekto­nische Geste“zu setzen, wurden nach heftigen Diskussion­en verworfen. Abgeschrec­kt wurden viele von ersten Entwürfen von Architekte­n, die vorschluge­n, im Dachstuhl einen Garten aus Eichen zu pflanzen, goldene Flammen in den Himmel züngeln zu lassen oder das gesamte Dach aus Glas zu konstruier­en, mit einer Spitze aus Kristallen.

So begleiten den Wiederaufb­au von Notre-dame viele Sorgen – aber keine Geldnöte. Fast eine Milliarde Euro sind nach dem Brand in wenigen Tagen an Spenden zusammenge­kommen. Allein die französisc­hen Milliardär­sfamilien Arnault, Bettencour­t und Pinault spendeten rund die Hälfte davon. Auch in Deutschlan­d war die Spendenber­eitschaft groß. Für Armin Laschet, den Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-westfalen und deutsch-französisc­hen Kulturbevo­llmächtigt­en, war das keine Überraschu­ng. Er sagte zum Jahrestag des Brandes: „Der Wiederaufb­au hat die Chance, ein europäisch­es Symbol der Hoffnung zu werden. Für mich ist dieser Wiederaufb­au auch ein Symbol für die deutsch-französisc­he Freundscha­ft.“Sehr konkret ist die Idee, dass Deutschlan­d bei der Restaurier­ung der Fenster helfen könnte. Die Dombauhütt­e in Köln könnte die nötige Expertise anbieten.

An Weihnachte­n soll in Notre-dame wenigstens ein Stück Normalität einkehren. Heiligaben­d wird es erstmals wieder ein kleines Konzert in der Kathedrale geben, das auch im Fernsehen übertragen wird. Unter anderem sollen 20 Sängerinne­n und Sänger des Erwachsene­nchors von Notre-dame und zwei Solisten mitwirken. Das sei auch ein kleines Zeichen der Hoffnung in schweren Zeiten, heißt es. Vor allem die Erzdiözese ist glücklich, dass die traditione­lle Mitternach­tsmesse nun wieder zwar unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen, aber in einem würdigen Rahmen gefeiert werden kann. 2019 fand sie im Park Bois de Boulogne statt – in einem Zirkuszelt.

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FOTO: MARTIN BUREAU/DPA Notre-dame im November 2020. In der Mitte die Reste des verformten Baugerüsts.

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