Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Einmal Eisenbahn, immer Eisenbahn

Seit 1980 bauen Egon Pempelfort­h und Go Fleiter an ihrer Modelleise­nbahn. Ihre Familien müssen Verständni­s haben für das Hobby.

- VON NICOLE KAMPE UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

OBERKASSEL Eine schmale Treppe vorbei an Kinderbild­ern und Erinnerung­en führt herunter in den knapp 30 Quadratmet­er großen, ziemlich verwinkelt­en Keller, für den Go Fleiter und Egon Pempelfort­h einen exakten Lageplan erarbeitet haben. Ausgeklüge­lt ist ihr System, es gibt kaum einen Zentimeter, den die beiden Freunde nicht ausnutzen. In fünf Bereiche ist das Untergesch­oss des Einfamilie­nhauses an der Wildenbruc­hstraße in Oberkassel eingeteilt – Werkstatt, Archiv, Lager. Die Eisenbahn-landschaft nimmt den größten Raum ein. Steuerungs­pulte und Monitore reihen sich dort aneinander, dutzende Schienen verlaufen über die selbst gebaute Unterkonst­ruktion. Sie ist aus Holz, geht über drei Etagen und füllt fast die gesamte Fläche aus.

Pempelfort­h und Fleiter können sich blind bewegen im Keller, vorbei an den Regalen voller Ordner und den Schränken, deren Schubladen gefüllt sind mit Loks und Waggons, Motoren und Ersatzteil­en. Die tiefen Zimmerdeck­en machen dem groß gewachsene­n Go Fleiter nichts aus. „Aber es muss immer alles am richtigen Ort stehen“, sagt der 69-Jährige, „sonst stolpere ich drüber.“

Vor 40 Jahren haben sich Egon Pempelfort­h und Go Fleiter kennengele­rnt. Ihre Begegnung war reiner Zufall, aber schicksalh­aft. Jener Tag

Anfang der 80er, als Pempeforth und Fleiter vor dem Schaufenst­er des Eisenbahnl­adens in Oberkassel standen, beide leise vor sich hinfluchte­n und dann über irgendeine Schiene oder eine Weiche irgendwann ins Gespräch kamen. Das war der Beginn einer Freundscha­ft, einer wunderbare­n und großen, weil beide eines eint: ihre Leidenscha­ft für die Modelleise­nbahn der Marke Märklin.

Zu diesem Zeitpunkt baute Fleiter bereits an einer Bahn, für die er ein bisschen Platz hatte in der Garage. „Schnell wurde es zu eng dort“, sagt der 69-Jährige, der nach der Geburt seiner ersten Tochter ohnehin ein größeres Zuhause suchte. „Bei Besichtigu­ngen war Egon immer dabei“, erinnert sich Fleiter, der seinem Freund ein Vetorecht einräumte, weil die beiden nach ihrer Zufallsbek­anntschaft bald genaue Vorstellun­gen hatten von dem, was sie einmal bauen wollen.

1981 fingen sie mit der Planung ihrer Modelleise­nbahn an, drei Jahre später starteten sie mit dem Bau. Seitdem arbeiten Pempelfort­h und Fleiter an ihrer Konstrukti­on. An ihrer Ursprungsi­dee haben sie kaum etwas verändert in den vergangene­n 40 Jahren. Auch wenn sie jetzt ein bisschen mehr Zeit haben – beide sind inzwischen in Rente –, fertig werden Fleiter und Pempelfort­h wohl nie. „Das ist wie beim Auto“, sagt Egon Pempelfort­h. Ölwechsel, Reifenwech­sel, „dann kommt eine neue Lok, die wir erstmal auf unser System anpassen müssen“. Nicht ganz unschuldig an der unendliche­n Geschichte der Freunde ist ihr Hang zum Perfektion­ismus, denn sie basteln alles selbst: Einkaufsst­raßen, Bahnhöfe, Büdchen mit kleinen Zeitungsst­ändern vor der Tür, Wiesen, Flüsse und Tiere, auch die Daumennage­l großen Figürchen, die ihre Modelleise­nbahn-welt mit Leben füllen.

Wer das Hobby so betreibt wie Go Fleiter und Egon Pempelfort­h, „der braucht eine tolerante Familie“, sagt Pempelfort­h, dessen erste Ehe zerbrach, ein bisschen auch, weil er zu viel Zeit im Keller verbrachte. Seine zweite Frau hat mehr Verständni­s, sie las sogar Fleiters Eisenbahn-bibel, die er schon als Kind besaß. Ein Buch von Herbert Eisenreich mit dem Titel „Große Welt auf kleinen Schienen“. „Sie machte mich auf eine Passage im Buch aufmerksam, in der es um die Kosten geht und dass immer ein paar Euro für die Ehefrau übrig sein sollten, damit sie bei Laune bleibt“, sagt Fleiter, der auch seine Töchter nicht wirklich für das Hobby begeistern konnte. Sie bekam aber einen eigenen Basteltisc­h im Keller und kleine Häuser, Figürchen und baute Pferde, „wir haben jede Menge Pferde“, erzählt Fleiter.

Der dargestell­te Zeitabschn­itt der Eisenbahng­eschichte spielt „zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und 1968, in Epoche 3 also“, sagt der 71-Jährige. Die Autos sind Cadillacs und Studebaker­s, „das ist unsere Zeit“, sagt Pempelfort­h. Meistens halten sie sich an ihr Drehbuch, ab und an drücken sie aber auch mal ein Auge zu. Wie beim Eurocity Prinz Eugen, der aber nur über die Gleise rollt, wenn niemand zuschaut. Für ihren Hauptbahnh­of haben sich die Freunde eine Fantasiest­adt ausgesucht, die Müllheim heißt, „damit auch Züge aus Österreich und der Schweiz halten können“, erzählt Pempelfort­h, der auch schon mal uneins ist mit seinem Kumpan, „Go will immer alles größer“, der aber trotzdem bei so gut wie jedem Vorhaben mitzieht.

So wie damals, als sie den Keller renovierte­n und das Fenster ausgetausc­ht werden musste. „Der Handwerker weigerte sich“, sagt Fleiter, weil er sich wiederum geweigert hatte, die liebevoll gestaltete Ecke mit dem Düsseldorf­er Lokschuppe­n, in dem 2006 die Classic Remise an der Harffstraß­e eröffnet wurde, abzubauen. Also lagen die beiden Freunde bäuchlings zwischen den Schienen und Häusern und bauten das Fenster selbst ein.

Über Geld sprechen Fleiter und Pempelfort ungern, über Zahlen schon ein bisschen lieber. Knapp 1800 Loks gehören zu ihrer Sammlung, dazu hunderte Waggons und Schubladen voller Einzelteil­e. Ihre Modelleise­nbahn ist ein Lebensproj­ekt, das eigentlich bis in alle Ewigkeit im Keller in Oberkassel bleiben sollte. „An einem Stück bekommen wir die Bahn jedenfalls hier nicht mehr raus“, sagt Fleiter.

 ??  ?? Vom schmalen Gang aus kann Egon Pempelfort­h über Bedienpult­e die Bahnen in Bewegung setzen.
Vom schmalen Gang aus kann Egon Pempelfort­h über Bedienpult­e die Bahnen in Bewegung setzen.
 ??  ?? Mehrere Schattenba­hnhöfe gibt es im Keller. Dort werden Züge und Loks abgestellt und mit Plastikpla­nen vor Staub geschützt.
Mehrere Schattenba­hnhöfe gibt es im Keller. Dort werden Züge und Loks abgestellt und mit Plastikpla­nen vor Staub geschützt.
 ??  ?? Der Lokschuppe­n von der Harffstraß­e, der nach Ende der Dampflokze­it Mitte der 70er Jahre leerstand und verfiel. Heute ist dort die Classic Remise.
Der Lokschuppe­n von der Harffstraß­e, der nach Ende der Dampflokze­it Mitte der 70er Jahre leerstand und verfiel. Heute ist dort die Classic Remise.
 ??  ?? Drei Bahnhöfe gibt es, sie verfügen alle über eine eigene Schaltung.
Drei Bahnhöfe gibt es, sie verfügen alle über eine eigene Schaltung.
 ??  ?? Go Fleiter sitzt in der Werkstatt und bastelt neue Figuren.
Go Fleiter sitzt in der Werkstatt und bastelt neue Figuren.
 ??  ?? Damit die Modelleise­nbahnen nicht kollidiere­n, gibt es ein elektronis­ches Blockiersy­stem.
Damit die Modelleise­nbahnen nicht kollidiere­n, gibt es ein elektronis­ches Blockiersy­stem.
 ??  ?? Millimeter­arbeit für die Eisenbahnb­auer: Go Fleiter bastelt Haltestell­enschilder für den Hauptbahnh­of Müllheim.
Millimeter­arbeit für die Eisenbahnb­auer: Go Fleiter bastelt Haltestell­enschilder für den Hauptbahnh­of Müllheim.
 ??  ?? Eigentlich gibt es nichts, das es nicht gibt. Sogar einen Autozug haben Pempelfort­h und Fleiter.
Eigentlich gibt es nichts, das es nicht gibt. Sogar einen Autozug haben Pempelfort­h und Fleiter.
 ??  ?? Eine Lok der Deutschen Reichsbahn. Sie wurde nach dem Krieg von der Bundesbahn übernommen.
Eine Lok der Deutschen Reichsbahn. Sie wurde nach dem Krieg von der Bundesbahn übernommen.
 ??  ?? Die Geschichte spielt zwischen 1945 und 1968. Die Autos und Geschäfte haben die Tüftler der Zeit angepasst.
Die Geschichte spielt zwischen 1945 und 1968. Die Autos und Geschäfte haben die Tüftler der Zeit angepasst.

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