Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Einmal Eisenbahn, immer Eisenbahn
Seit 1980 bauen Egon Pempelforth und Go Fleiter an ihrer Modelleisenbahn. Ihre Familien müssen Verständnis haben für das Hobby.
OBERKASSEL Eine schmale Treppe vorbei an Kinderbildern und Erinnerungen führt herunter in den knapp 30 Quadratmeter großen, ziemlich verwinkelten Keller, für den Go Fleiter und Egon Pempelforth einen exakten Lageplan erarbeitet haben. Ausgeklügelt ist ihr System, es gibt kaum einen Zentimeter, den die beiden Freunde nicht ausnutzen. In fünf Bereiche ist das Untergeschoss des Einfamilienhauses an der Wildenbruchstraße in Oberkassel eingeteilt – Werkstatt, Archiv, Lager. Die Eisenbahn-landschaft nimmt den größten Raum ein. Steuerungspulte und Monitore reihen sich dort aneinander, dutzende Schienen verlaufen über die selbst gebaute Unterkonstruktion. Sie ist aus Holz, geht über drei Etagen und füllt fast die gesamte Fläche aus.
Pempelforth und Fleiter können sich blind bewegen im Keller, vorbei an den Regalen voller Ordner und den Schränken, deren Schubladen gefüllt sind mit Loks und Waggons, Motoren und Ersatzteilen. Die tiefen Zimmerdecken machen dem groß gewachsenen Go Fleiter nichts aus. „Aber es muss immer alles am richtigen Ort stehen“, sagt der 69-Jährige, „sonst stolpere ich drüber.“
Vor 40 Jahren haben sich Egon Pempelforth und Go Fleiter kennengelernt. Ihre Begegnung war reiner Zufall, aber schicksalhaft. Jener Tag
Anfang der 80er, als Pempeforth und Fleiter vor dem Schaufenster des Eisenbahnladens in Oberkassel standen, beide leise vor sich hinfluchten und dann über irgendeine Schiene oder eine Weiche irgendwann ins Gespräch kamen. Das war der Beginn einer Freundschaft, einer wunderbaren und großen, weil beide eines eint: ihre Leidenschaft für die Modelleisenbahn der Marke Märklin.
Zu diesem Zeitpunkt baute Fleiter bereits an einer Bahn, für die er ein bisschen Platz hatte in der Garage. „Schnell wurde es zu eng dort“, sagt der 69-Jährige, der nach der Geburt seiner ersten Tochter ohnehin ein größeres Zuhause suchte. „Bei Besichtigungen war Egon immer dabei“, erinnert sich Fleiter, der seinem Freund ein Vetorecht einräumte, weil die beiden nach ihrer Zufallsbekanntschaft bald genaue Vorstellungen hatten von dem, was sie einmal bauen wollen.
1981 fingen sie mit der Planung ihrer Modelleisenbahn an, drei Jahre später starteten sie mit dem Bau. Seitdem arbeiten Pempelforth und Fleiter an ihrer Konstruktion. An ihrer Ursprungsidee haben sie kaum etwas verändert in den vergangenen 40 Jahren. Auch wenn sie jetzt ein bisschen mehr Zeit haben – beide sind inzwischen in Rente –, fertig werden Fleiter und Pempelforth wohl nie. „Das ist wie beim Auto“, sagt Egon Pempelforth. Ölwechsel, Reifenwechsel, „dann kommt eine neue Lok, die wir erstmal auf unser System anpassen müssen“. Nicht ganz unschuldig an der unendlichen Geschichte der Freunde ist ihr Hang zum Perfektionismus, denn sie basteln alles selbst: Einkaufsstraßen, Bahnhöfe, Büdchen mit kleinen Zeitungsständern vor der Tür, Wiesen, Flüsse und Tiere, auch die Daumennagel großen Figürchen, die ihre Modelleisenbahn-welt mit Leben füllen.
Wer das Hobby so betreibt wie Go Fleiter und Egon Pempelforth, „der braucht eine tolerante Familie“, sagt Pempelforth, dessen erste Ehe zerbrach, ein bisschen auch, weil er zu viel Zeit im Keller verbrachte. Seine zweite Frau hat mehr Verständnis, sie las sogar Fleiters Eisenbahn-bibel, die er schon als Kind besaß. Ein Buch von Herbert Eisenreich mit dem Titel „Große Welt auf kleinen Schienen“. „Sie machte mich auf eine Passage im Buch aufmerksam, in der es um die Kosten geht und dass immer ein paar Euro für die Ehefrau übrig sein sollten, damit sie bei Laune bleibt“, sagt Fleiter, der auch seine Töchter nicht wirklich für das Hobby begeistern konnte. Sie bekam aber einen eigenen Basteltisch im Keller und kleine Häuser, Figürchen und baute Pferde, „wir haben jede Menge Pferde“, erzählt Fleiter.
Der dargestellte Zeitabschnitt der Eisenbahngeschichte spielt „zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und 1968, in Epoche 3 also“, sagt der 71-Jährige. Die Autos sind Cadillacs und Studebakers, „das ist unsere Zeit“, sagt Pempelforth. Meistens halten sie sich an ihr Drehbuch, ab und an drücken sie aber auch mal ein Auge zu. Wie beim Eurocity Prinz Eugen, der aber nur über die Gleise rollt, wenn niemand zuschaut. Für ihren Hauptbahnhof haben sich die Freunde eine Fantasiestadt ausgesucht, die Müllheim heißt, „damit auch Züge aus Österreich und der Schweiz halten können“, erzählt Pempelforth, der auch schon mal uneins ist mit seinem Kumpan, „Go will immer alles größer“, der aber trotzdem bei so gut wie jedem Vorhaben mitzieht.
So wie damals, als sie den Keller renovierten und das Fenster ausgetauscht werden musste. „Der Handwerker weigerte sich“, sagt Fleiter, weil er sich wiederum geweigert hatte, die liebevoll gestaltete Ecke mit dem Düsseldorfer Lokschuppen, in dem 2006 die Classic Remise an der Harffstraße eröffnet wurde, abzubauen. Also lagen die beiden Freunde bäuchlings zwischen den Schienen und Häusern und bauten das Fenster selbst ein.
Über Geld sprechen Fleiter und Pempelfort ungern, über Zahlen schon ein bisschen lieber. Knapp 1800 Loks gehören zu ihrer Sammlung, dazu hunderte Waggons und Schubladen voller Einzelteile. Ihre Modelleisenbahn ist ein Lebensprojekt, das eigentlich bis in alle Ewigkeit im Keller in Oberkassel bleiben sollte. „An einem Stück bekommen wir die Bahn jedenfalls hier nicht mehr raus“, sagt Fleiter.