Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Den Zustand der Welt kennt der Friseur am besten
DÜSSELDORF Die Kulturministerin verbreitet Zuversicht. Im Vorwort zu einem von ihrem Haus geförderten Band zeigt sich Isabel Pfeiffer-poensgen sicher, dass bessere Zeiten kommen werden. Zeiten, in denen die Autoren eines Buches mit dem Titel „stadt.land.text.nrw 2020“nicht ständig neue Pandemie-hindernisse umgehen müssen. Der aktuelle Band greift die kulturelle Vielfalt des Bundeslandes auf. In zehn „Kulturregionen“konnten junge ortsfremde Autoren ihre literarischen Beobachtungen niederschreiben.
Neben Salär und Unterkunft umfasste das Projekt ein umfangreiches Programm aus Lesungen, Schreibwerkstätten und Performances. Ein Leseparcours in der Landeshauptstadt sollte dann den krönenden Abschluss bilden. Sollte. Stattdessen galt jetzt die Order: zu Hause bleiben und die Infektionskurve abflachen lassen! Die zehn Stipendiaten verlagerten ihre Aktivitäten auf digitale Kulturräume und soziale Medien. Für Düsseldorf blieb nur die Rolle als Herausgeberstadt des gedruckten Sammelbands. Und als Berührungspunkt von drei der zehn Regionen. Das Ruhrgebiet ist keine echte Nachbarin, aber irgendwie doch. Für Marion Poschmann, in Mülheim geborene Trägerin des Düsseldorfer Literaturpreises von 2017, war der sonntägliche Ausflug an die Kö immer ein Erlebnis.
Näher dran an der Landeshauptstadt sind der Niederrhein und das Bergische Land. Mit dem E-bike erradelte sich Tilman Strasser, Jahrgang 1984, sein Forschungsgebiet. Heraus kamen Texte über Jäger, den Tod und die Wurst. Neben jeder Menge Schweinewürste hatte der Brutschelmeister auch Lebensweisheiten parat: „Is dat New York hier? Nee. Aber trotzdem wat los.“Erspart blieb Strasser der Spruch, dass es ja immer um die Wurst geht.
Carla Kaspari, geboren 1991, lebt als Autorin, Broadcasterin und Djane in Köln. Über den Niederrhein schwirrte in ihrem Kopf ein Vorurteil: „Der Niederrhein sieht bei Google aus wie das utopische Gegenteil zum desillusionierten Städterin-mindset: ländlich und beschaulich statt cool und abgestumpft.“Im Friseursalon „Haarmonie“an einer abgelegenen Dorfhauptstraße wurde ihr dann der Kopf gewaschen, obendrauf und subkutan. Fazit: Um den Zustand der Welt zu erkunden, geht man am besten zum Barbier. www.regionalekulturpolitik.de
„Is dat New York hier? Nee. Aber trotzdem wat los“Wurstbudenbesitzer