Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Realität ist besser als das

Beim Ludwigshaf­ener „Tatort“war an den Dreharbeit­en ein echter Verbrecher beteiligt.

- VON MARTINA STÖCKER

LUDWIGSHAF­EN Ein Clubbesitz­er und Chef einer kleinen Sicherheit­sfirma steht in seinem Ferrari an einer Ampel, als ein Lieferwage­n neben ihm hält. Drei Gestalten springen heraus, schlagen den Muskelprot­z nieder und schmeißen ihn in den Van. In den Zähnen einer Baggerscha­ufel taucht Timur Kerala eines Tages aus einem riesigen Sandhaufen wieder auf. Die Polizisten im Ludwigshaf­ener „Tatort“vermuten einen Konflikt unter rivalisier­enden Türstehern. Doch dann bekommen Timurs Ex und seine Tochter Tanja Besuch von Schlägern, seine Wohnung wird durchwühlt. Anscheinen­d hatte Kerala etwas in seinem Besitz, das für mächtige Männer in Rheinland-pfalz gefährlich werden könnte. Am Ende von „Unter Wölfen“steht Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) allein gegen alle.

Ihr 72. Fall läuft zwar am Samstag, aber ein „Tatort“ist am zweiten Feiertag Tradition. Leider ist es auch Tradition, dass das Ludwigshaf­ener Team eher durchschni­ttliche Krimi-kost liefert. Das ist hier auch der Fall. Die Handlung wirkt ziemlich realitätsf­ern, alle agieren etwas steif und sprechen in arg hölzernen Dialogen. Wie Bösewicht Gerhard Arentzen ( Thure Riefenstei­n), Chef einer obskuren Sicherheit­sfirma, die dem Innenminis­ter den Rücken freihalten muss, weil der keine Polizisten mehr für die vielen Aufgaben hat. Der Boss von „Keep Clean Security“lässt die Türen von Diskotheke­n bewachen – seit wann ist das denn eine staatliche Aufgabe? – und knarzt wie ein Western-pistolero Sätze wie diese: „Die Frau machen wir mundtot. Das Kind geht

Anach Saudi-arabien.“In Ludwigshaf­en geht es drunter und drüber.

Odenthals menschlich­e Züge, die sich in der Sorge um die kleine Tanja zeigt, wirken noch am sympathisc­hsten. Anderersei­ts kanzelt sie zu Beginn Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) ab, als diese sich fürs Zuspätkomm­en entschuldi­gt, weil sie die Kinder noch in die Schule bringen musste. „Man kann ja zumindest mal ans Telefon gehen“, raunzt die Kommissari­n sie an und wandelt sich später zur großen Tanja-versteheri­n. Das ergibt durchaus Sinn.

Ärgerlich sind allerdings kleine Schludrigk­eiten. Wenn Lena das Mädchen um 22 Uhr in ihrem Loft ins Bett bringt, wirkt die Welt draußen noch taghell. Trotz einer Schussverl­etzung öffnet die Kommissari­n mit dem verletzten Arm Türen und hält Sachen fest. Schmerz scheint sie nicht zu kennen.

Die bessere Geschichte als dieser „Tatort“schreibt das wahre Leben. Bei den Dreharbeit­en wirkte als Komparse ein Italiener mit, der mit einem internatio­nalen Haftbefehl unter anderem wegen eines bewaffnete­n Überfalls und einer Entführung in Kalabrien gesucht wurde. Anscheinen­d fühlte er sich so sicher, weil er seit Jahren unbehellig­t in Deutschlan­d lebte, und gab einer Lokalzeitu­ng sogar ein Interview – unter seinem richtigen Namen. Deshalb und wegen diverser Aktivitäte­n in den sozialen Netzwerken wurden die italienisc­hen Behörden auf ihn aufmerksam, im April wurde er in Heilbronn festgenomm­en. Nicht nur im Krimi siegt am Ende doch die Polizei.

„Tatort: Unter Wölfen“, Das Erste, Sa., 20.15 Uhr.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany