Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Realität ist besser als das
Beim Ludwigshafener „Tatort“war an den Dreharbeiten ein echter Verbrecher beteiligt.
LUDWIGSHAFEN Ein Clubbesitzer und Chef einer kleinen Sicherheitsfirma steht in seinem Ferrari an einer Ampel, als ein Lieferwagen neben ihm hält. Drei Gestalten springen heraus, schlagen den Muskelprotz nieder und schmeißen ihn in den Van. In den Zähnen einer Baggerschaufel taucht Timur Kerala eines Tages aus einem riesigen Sandhaufen wieder auf. Die Polizisten im Ludwigshafener „Tatort“vermuten einen Konflikt unter rivalisierenden Türstehern. Doch dann bekommen Timurs Ex und seine Tochter Tanja Besuch von Schlägern, seine Wohnung wird durchwühlt. Anscheinend hatte Kerala etwas in seinem Besitz, das für mächtige Männer in Rheinland-pfalz gefährlich werden könnte. Am Ende von „Unter Wölfen“steht Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) allein gegen alle.
Ihr 72. Fall läuft zwar am Samstag, aber ein „Tatort“ist am zweiten Feiertag Tradition. Leider ist es auch Tradition, dass das Ludwigshafener Team eher durchschnittliche Krimi-kost liefert. Das ist hier auch der Fall. Die Handlung wirkt ziemlich realitätsfern, alle agieren etwas steif und sprechen in arg hölzernen Dialogen. Wie Bösewicht Gerhard Arentzen ( Thure Riefenstein), Chef einer obskuren Sicherheitsfirma, die dem Innenminister den Rücken freihalten muss, weil der keine Polizisten mehr für die vielen Aufgaben hat. Der Boss von „Keep Clean Security“lässt die Türen von Diskotheken bewachen – seit wann ist das denn eine staatliche Aufgabe? – und knarzt wie ein Western-pistolero Sätze wie diese: „Die Frau machen wir mundtot. Das Kind geht
Anach Saudi-arabien.“In Ludwigshafen geht es drunter und drüber.
Odenthals menschliche Züge, die sich in der Sorge um die kleine Tanja zeigt, wirken noch am sympathischsten. Andererseits kanzelt sie zu Beginn Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) ab, als diese sich fürs Zuspätkommen entschuldigt, weil sie die Kinder noch in die Schule bringen musste. „Man kann ja zumindest mal ans Telefon gehen“, raunzt die Kommissarin sie an und wandelt sich später zur großen Tanja-versteherin. Das ergibt durchaus Sinn.
Ärgerlich sind allerdings kleine Schludrigkeiten. Wenn Lena das Mädchen um 22 Uhr in ihrem Loft ins Bett bringt, wirkt die Welt draußen noch taghell. Trotz einer Schussverletzung öffnet die Kommissarin mit dem verletzten Arm Türen und hält Sachen fest. Schmerz scheint sie nicht zu kennen.
Die bessere Geschichte als dieser „Tatort“schreibt das wahre Leben. Bei den Dreharbeiten wirkte als Komparse ein Italiener mit, der mit einem internationalen Haftbefehl unter anderem wegen eines bewaffneten Überfalls und einer Entführung in Kalabrien gesucht wurde. Anscheinend fühlte er sich so sicher, weil er seit Jahren unbehelligt in Deutschland lebte, und gab einer Lokalzeitung sogar ein Interview – unter seinem richtigen Namen. Deshalb und wegen diverser Aktivitäten in den sozialen Netzwerken wurden die italienischen Behörden auf ihn aufmerksam, im April wurde er in Heilbronn festgenommen. Nicht nur im Krimi siegt am Ende doch die Polizei.
„Tatort: Unter Wölfen“, Das Erste, Sa., 20.15 Uhr.