Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Ein Festjahr fürs Judentum
Seit 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. Das soll gefeiert werden – mit Ausstellungen, Theateraufführungen, Diskussionen. Ein Überblick.
KÖLN Wahrscheinlich existiert jüdisches Leben in Deutschland noch weit länger. Aber im Jahr 321 taucht es erstmals in einem offiziellen Dokument auf: Der römische Kaiser Konstantin verfügte damals mittels eines reichsweiten Gesetzes, dass Juden ab sofort an in den Stadtrat berufen werden konnten. Die Urkunde richtet sich explizit an den Kölner Stadtrat und gilt als älteste erhaltene Quelle für das Vorhandensein von Juden im deutschsprachigen Raum. Sie bildet den Ausgangspunkt für ein Jubiläumsjahr, das der in Köln ansässige Verein „321– 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ausgerufen hat.
An der Ausgestaltung des Programms sind entscheidend die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-lippe (LWL) beteiligt, die dafür rund zwei Millionen Euro Fördergeld einbringen. Allein in Westfalen soll es 24 Projekte in 14 Städten geben. Geplant sind Ausstellungen, Konzerte, Theatervorführungen, Workshops und Diskussionsforen mit Schwerpunkt in Nordrhein-westfalen – im ganzen Land gibt es außerdem Kooperationspartner. Wegen der Corona-pandemie ist das Programm noch nicht so konkret ausgestaltet, wie es sich die Veranstalter vielleicht gewünscht hätten. Viele Formate müssen zweigleisig geplant werden, um sowohl analog als auch digital stattfinden zu können.
Eigentlich sollte es einen zentralen Festakt in Köln mit dem Schirmherrn des Jubiläumsjahres, Bundespräsident Frank-walter Steinmeier, geben. Dieser festliche Start kann wegen der Corona-krise nicht in seiner geplanten Form stattfinden. Trotzdem hält der Verein an einer Auftaktveranstaltung fest, die am 21. Februar online stattfindet. Genaueres wird vorher auf der Homepage des Jubiläumsjahrs unter www.2021jlid.de bekannt gegeben.
Wanderausstellung Herz des Programms ist die vom Miqua, dem Jüdischen Museum im Archäologischen Quartier Köln des LVR, konzipierte Wanderausstellung „Menschen, Bilder, Orte – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, die ab März durch NRW tourt. In März und April soll sie in der Alten Synagoge Essen zu sehen sein, in Mai und Juni im Lwl-landeshaus Münster, in Juli und August im Lvr-landeshaus Köln, in September und Oktober im LVR-NIEderrheinmuseum Wesel und in November und Dezember im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund.
Die Ausstellung wird aus vier begehbaren Kuben bestehen, die sich jeweils einem übergeordneten Thema widmen: „Recht und Unrecht“, „Leben und Miteinander“, „Religion und Geistesgeschichte“, „Gesichter, Geschichten und Gefühle“. In einem Kubus soll laut Veranstalter „eine ganz eigene intensive Atmosphäre“herrschen, die dem Besucher durch visuelle und akustische Eindrücke die Inhalte erfahrbar macht. Multimedial inszeniert werde die 1700-jährige jüdische Geschichte vielfältig und interaktiv präsentiert.
Fachtagung in Düsseldorf Vom 12. bis 14. April veranstaltet der LVR im Haus der Universität Düsseldorf eine Fachtagung zum Leitgedanken: Wie können jüdische Geschichte, Religion und Kultur als fester Bestandteil der europäischen beziehungsweise deutschen Geschichte und Kultur deutlich gemacht werden? Doktoranden und Fachwissenschaftler der Judaistik/jüdischen Studien, aber auch weiterer geisteswissenschaftlicher Disziplinen referieren aktuelle Fragestellungen und verschiedene Perspektiven, die sich mit jüdischer Geschichte und Gegenwart beziehungsweise Forschungsinteressen zur Thematik „Juden in Deutschland (heute)“beschäftigen.
Musik Der Förderkreis Alte Synagoge Epe in Gronau plant die Konzertreihe „Nicht nur Klezmer – Vielfalt erleben. Jüdische Musik von der Romantik bis heute“. Sie ist überregional ausgerichtet und stellt jüdische Künstler und jüdische Musik der letzten 200 Jahre in den Mittelpunkt. Ziel des Projektes ist es, Menschen für die Vielfalt und den Reichtum der jüdischen Kultur zu sensibilisieren und über das Medium Musik einen Zugang zum Judentum zu ermöglichen.
Zu dieser Vielfalt gehören auch Schlager, wie die Stiftung Kloster Dalheim lehren will: Sie veranstaltet im Programm des Sommernachtslieder-festivals am 19. Juni einen literarisch-musikalischen Abend zur jüdischen Schlager- und Liedtradition der goldenen Ära Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Damals zählten jüdische Schlager zum Populärsten, was die deutsche Musik zu bieten hatte. „Lieder wie ‚Ein Freund, ein guter Freund', ‚Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder' und ‚In der Bar zum Krokodil' gehören bis heute untrennbar zur jüdisch-deutschen Kulturgeschichte“, erläutert Museumdirektor Ingo Grabowsky.