Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Nervenpoker um Kanzlerkandidatur
Immer deutlicher dringen Mitglieder von CDU und CSU auf eine schnelle Entscheidung in der K-frage. Armin Laschet erhält deutliche Unterstützung von seinem ehemaligen Konkurrenten Friedrich Merz.
BERLIN Die Frage, wer als Kanzlerkandidat für die Union in den Wahlkampf zieht, ist weiterhin offen. In Unionskreisen antwortet man auf die Frage nach einer Einschätzung nur zögerlich. Man verweist auf Freitag. Das Wochenende fällt wegen der Gedenkfeier für die Corona-toten für das Verkünden machtpolitischer Ereignisse flach, am Montag wollen die Grünen ihre K-frage klären. Dem will man zuvorkommen.
Aus Unionskreisen hieß es gestern, ein möglicher Verhandlungsweg seien zwei Kommissionen, bestehend aus jeweils zehn Köpfen, die miteinander das weitere Vorgehen berieten. Unmut soll es aufseiten der CSU gegeben haben, weil die Parteivizes bei der Besetzung außen vor bleiben sollen. Gesetzt wären bei einem solchen Vorgehen die beiden Kontrahenten, ihre Generalsekretäre, Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Csu-landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Cdu-vizechefin und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, deren Beteiligung in der Laschet-kommission noch offen ist, drang erneut auf eine schnelle und einvernehmliche Lösung. „Sowohl den Unionsparteien als auch unseren Mitgliedern ist es ein großes Anliegen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen“, sagte Klöckner unserer Redaktion. Zugleich appellierte Klöckner an beide Anwärter, den Ausgang der Entscheidung am Ende mitzutragen, auch bei eigenem Unterliegen.
Friedrich Merz sprach sich erneut für seinen ehemaligen Hauptkonkurrent im Kampf um den CDU-VORsitz, Armin Laschet, aus. Dieser habe das klare Votum der Cdu-gremien, betonte er und verwies darauf, dass Bayern bei der Corona-bekämpfung schlechter dastehe als NRW. Söder habe zudem bei der bayerischen Landtagswahl 2018 das schlechteste Csu-ergebnis der Nachkriegsgeschichte hinnehmen müssen. Auch habe Söder 2018 nach „rechts gewinkt“und umwerbe nun die Grünen. Er wünsche sich „etwas weniger Anbiederung an den Zeitgeist“.
Dennoch, nach der Fraktionssitzung am Dienstag gab es eine breite Einschätzung, dass Söder gestärkt daraus hervorgegangen sei. Von insgesamt 66 Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten sollen sich 44 für Söder ausgesprochen haben, davon 16 aus Bayern. Laschet seien nur 22 Parlamentarier beigesprungen, davon ebenfalls 16 aus dem eigenen Bundesland NRW – und damit nur sechs Wortmeldungen aus anderen Ländern.
Elisabeth Motschmann, Vorsitzende der Landesgruppe Bremen, schilderte gegenüber unserer Redaktion ihren Eindruck, wonach sich „eine klare Zweidrittel-mehrheit für Söder“ausgesprochen habe. „Auch ich unterstütze ihn“, so Motschmann. Bremens Cdu-landeschef Carsten Meyer-heder hingegen sprach sich für Armin Laschet aus. Auch Rüdiger Kruse, Chef der Landesgruppe Hamburg, verwies auf die klare Positionierung des Cdu-präsidiums und des Bundesvorstandes. Ähnlich positionierte sich Eckhardt Rehberg, Chef der Landesgruppe Mecklenburg-vorpommern. Man soll „nie aus einer Augenblickssituation aufgrund von Umfragen eine Entscheidung fällen“, so Rehberg. Im Söder-lager werden die guten Umfragewerte für den CSU-CHEF als Argument ins Feld geführt. Der Vorsitzende der Landesgruppe Hessen, Michael Brand, mahnte Zurückhaltung an. Er wolle sich nicht an „öffentlichen Spekulationen“beteiligen, die „nur dem politischen Gegner helfen und die politische Kultur schädigen“.
Cdu-vizechefin Klöckner hingegen wollte keinen politischen Schaden für die Union durch den offen ausgetragenen Wettkampf sehen. „Die intensiven Gespräche in unserer Partei sind kein ungewöhnlicher Prozess, schließlich stehen wir nach 16 Jahren Angela Merkel am Ende einer erfolgreichen Ära und vor einer Zäsur“, so Klöckner.
Sorgenvolle Stimmen waren dagegen aus Nordrhein-westfalen zu hören. Ein führendes Mitglied erklärte, die Basis sei von Söder entsetzt. „Für den wird keiner laufen.“Auch der Chef der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in NRW, der Europaabgeordnete Dennis Radtke, sprach von einem völlig unverantwortlichen Vorgehen: „Die demokratischen Führungsgremien derart zu delegitimieren, ist ein ganz gefährliches Narrativ. Wenn Söder meint, in einer modernen Demokratie müsse man andere Wege der Entscheidungen finden, dann fehlt nur noch das Wort ,Establishment', und Sie sind bei Trumpismus.“Radtke stört zudem, dass die Fraktion derart in den Fokus gerückt sei: „25 Prozent der dort vertretenen Abgeordneten treten doch gar nicht mehr an.“