Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Lachen verboten
Mit der Show „Last One Laughing“rehabilitiert der Streamingdienst Amazon Prime Video gerade die deutsche Comedy-szene. Zehn Komödianten müssen sich bespaßen, dürfen aber keine Miene verziehen. Ein Spektakel.
DÜSSELDORF Comedy ist in Deutschland oft eine traurige Angelegenheit. Im Klartext heißt das: Humor ist, wenn man trotzdem lacht – über flache Witze unter der Gürtellinie, abgegriffene Rollenklischees oder pointenfreie Sketche. Nur wenige Komödianten verstehen es, jenseits von albernen Späßen ein wenig Mehrwert zu bieten, und sei es nur gehobener Irrsinn, wie ihn die britische Chaotentruppe von Monty Python so perfekt beherrschte. Verschärfend hinzu kommt, dass es in der hiesigen Szene kaum Bewegung gibt, weil ein Großteil des Comedy-personals gefühlt seit Jahrzehnten beharrlich die Bühnen und Bildschirme des Landes bevölkert. Nachwuchs hat es schwer oder orientiert sich an den falschen Vorbildern. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch hierzulande smarte Vertreter des komischen Fachs gibt, nur sind sie rar gesät.
Umso bemerkenswerter mutet vor diesem Hintergrund an, dass es dem Streamingdienst Amazon Prime Video gerade gelingt, die heimische Komödiantengilde mit einer Show zu rehabilitieren, die nicht nur lustig sein will, sondern es tatsächlich auch ist. Und zwar richtig. Das Konzept von „Last One Laughing“ist so einfach wie genial, weil es das Prinzip des Clowns ins Anarchische überführt: Er darf und soll zwar lustig sein, darf aber nicht lachen, weder über seine eigenen Scherze noch die anderer. Wer lacht, ja sogar nur müde grinst, fliegt raus.
Nun weiß jeder, wie bauch- und gesichtsmuskelverzerrend schwierig es ist, dann ernst bleiben zu müssen, wenn unbedingte Selbstbeherrschung verlangt wird: im Unterricht, bei einer Hochzeitsrede oder einer Beerdigung. Je mehr versucht wird, den Impuls zu unterdrücken, desto schlimmer wird es. Dieses Spiel reizt „Last One Laughing“mit allen Mitteln und zur Freude der Zuschauer genüsslich aus. Für sechs Stunden eingeschlossen in ein Studio-wohnzimmer dürfen Anke Engelke, Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus, Kurt Krömer, Max Giermann, Mirco Nontschew, Rick Kavanian, Teddy Teclebrhan, Torsten Sträter und Wigald Boning die Sau rauslassen, um ihren Konkurrenten die Contenance zu rauben. Vom Nebenzimmer kontrolliert Showmaster Michael „Bully“Herbig über unzählige Kameras, wer schwächelt.
Während anfänglich noch zögerlich gewitzelt wird, brechen schon bald alle komödiantischen Dämme, greifen die Kombattanten zu absurden Kostümierungen und in die tiefsten Schubladen der Bespaßung – einschließlich Furzgeräuschen, Brecheinlagen und Genitalien
Schürze. Klingt grausam, ist aber vor allem deshalb witzig, weil sich die Kandidaten grimassierend winden, brüllen, stöhnen und jaulen, um bloß die Mundwinkel nicht zu verziehen. Oder eine wahnwitzige Nummer mit trockenen Sprüchen kontern, die wiederum aus der Hüfte abgeschossene Angriffe sind.
Wie überhaupt mancher Gag nach hinten losgeht, weil derjenige, der ihn reißt, breit grinsend vor sich selbst kapitulieren muss. Das alles funktioniert nicht zuletzt, weil Amazon Prime bei der Auswahl der Comedians für die erste Staffel ein besonders glückliches Händchen bewies. So zählen Engelke, Sträter und Krömer zu den schlagfertigsten Vertretern ihrer Zunft, Nontschew und Teclebrhan sind Meister des absurden Humors, während Giermann nur seine irre Version von Klaus Kinski auspacken muss, damit seine Gegenspieler einpacken. Allein Frohnatur Barbara Schöneberger wirkt etwas deplatziert, vermag sie doch dem Nonsens-gewitter nicht lange standzuhalten.
Alles das ist relativ schnörkellos inszeniert und in angenehme 30-Minuten-häppchen verpackt, es gibt keine langatmigen Erklärungen, höchstens etwas redundante Kommentare der Teilnehmer, in denen sie nachträglich bekräftigen, wie furchtbar und lustig alles gewesen ist. Die Idee zu dem Format stammt aus Japan, wurde aber auch schon in anderen Ländern umgesetzt. Ob es eine zweite Staffel in Deutschland geben wird, ist ungewiss. Aber in der Comedy-szene ist man ja Traurigkeit gewohnt.