Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Jeder dritte Bierbrauer muss Mitarbeitern kündigen
Greift die gesetzliche Notbremse, werden rasche Außenöffnungen in der Gastronomie unwahrscheinlicher. Das trifft viele Betriebe hart.
DÜSSELDORFMEHR als 28.000 Mitarbeiter hatten die deutschen Brauereien, die mehr als 20 Beschäftigte haben, Ende 2019 noch. Da war die (Bier-)welt noch ziemlich in Ordnung, weil die Pandemie in Deutschland noch nicht ausgebrochen war. Binnen eines Jahres ist die Zahl um fast 1000 geschrumpft, mehr als drei Prozent der Belegschaft sind also weg. Jeder dritte Betrieb ist einer aktuellen Umfrage zufolge nicht um betriebsbedingte Kündigungen herumgekommen, nachdem die Gastronomie seit fast genau einem halben Jahr stillsteht.
Und das droht noch viel schlimmer zu werden. „Das volle Ausmaß des Desasters wird wahrscheinlich erst 2022 sichtbar, wenn beispielsweise die Steuerstundungen wegfallen und Versicherungsprämien nachgezahlt werden müssen“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-bundes. Bereits Ende des Monats lebt die Insolvenzantragspflicht wieder auf, danach könnten schon erste Unternehmen aufgeben müssen. Was wiederum auch für andere Wirtschaftszweige gilt.
Ein kleiner Funke Zuversicht, der sich jüngst im Kreis der Brauer entzündet hatte, scheint schon fast wieder erloschen zu sein. In einer Verbandsumfrage hatte sich eine Mehrheit von Branchenvertretern noch halbwegs zuversichtlich gezeigt, dass zumindest die Außengastronomie im Mai wieder würde öffnen können. Doch das steht in der Diskussion um eine bundeseinheitliche Notbremsen-regelung bei Inzidenzzahlen teilweise weit über 200 auch in Nordrhein-westfalen und den nächsten Streichungen von Volksfesten und anderen Veranstaltungen stark infrage. „Modellversuche wären sehr wichtig, so weit die epidemiologische Lage das zulassen würde“, sagt Eichele. Aber das sei nicht in Sicht.
Die Lage der Brauer wird immer trostloser. Insgesamt hat die Branche im ersten Quartal 2021 ein Drittel der Umsätze eingebüßt. „Im Januar und Februar haben wir unter dem Strich 300 Millionen Liter Bier verloren“, so Eichele. Nehme man die Betriebe mit viel Gastronomie (also mit hohem Fassbieranteil), betrage der Umsatzrückgang bis zu 85 Prozent, so der Geschäftsführer zu den aktuellen Zahlen. Die Fassbierabfüllung ist zum Stillstand gekommen – mit dem Nebeneffekt, dass diese Anlagen auch mehr als bisher gewartet werden müssen.
Die Konsequenzen auch auf der Personalseite sind zwingend: Etwa 85 Prozent der Betriebe schickten Beschäftigte in Kurzarbeit (unter anderem die Außendienstler, die die Gastronomen besuchen). Zudem verschoben vier von fünf Brauern teils dringend nötige Investitionen – beispielsweise in Abfüllanlagen und die Logistik. Und: Wegen der Folgen der Pandemie beklagt mehr als ein Viertel der Brauereien Engpässe bei der Beschaffung etwa von Flaschen, Bierkästen und Kartonagen. „Andererseits sind auch Engpässe in der Produktion und bei der Belieferung des Handels mit Flaschenbier entstanden“, so der Verband. Die Kapazitäten reichen manchmal einfach nicht aus.
Viele Brauer warten sehnsüchtig auf die Hilfen des Staates. Etwa 69 Prozent hätten die Überbrückungshilfe III beantragt, aber nur drei Prozent hätten diese auch erhalten, heißt es. Die erhoffte Senkung der Biersteuer ist bisher nicht von der Politik beschlossen worden. Ein positiver Effekt: Seit Freitag ist offiziell, dass Gastronomen das Bier, das sie wegschütten müssen, weil sie niemanden bewirten dürfen, selbst voll abschreiben können. Das nimmt den Druck, auch bei den Brauern, die auf Kommission verkauftes Bier ansonsten zurücknehmen müssten. Aber das ist nur ein kleiner Lichtblick.