Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Bei Abflug Mord
In „The Flight Attendant“stolpert eine Flugbegleiterin in einen Kriminalfall.
Cassie Bowden (Kaley Cuoco) steht nur selten mit beiden Füßen auf dem Boden. Zwischen New York, Europa und Fernost jettet die Flugbegleiterin kreuz und quer über den Globus und lässt dabei keine Party aus. Der Alkohol fließt in Strömen. An Gelegenheitsliebhabern besteht kein Mangel. Dass sie morgens neben einem Mann aufwacht und sich an den Verlauf des Abends kaum erinnern kann, gehört zum Lifestyle der vergnügungssüchtigen Endzwanzigerin.
Aber als sie sich in Bangkok schwer verkatert aus dem Hotelbett hocharbeitet, liegt der Lover der letzten Nacht mit durchgeschnittener Kehle auf den blutüberströmten Laken. Cassie tut das, was jeder Mensch in einer solchen Situation tun würde: Sie verfällt in Panik und trifft einige sehr unvernünftige Entscheidungen. Auf semiprofessionelle Weise versucht sie ihre Spuren zu beseitigen, verlässt Hals über Kopf das Hotel und eilt zu ihrem Flug nach New York in der Hoffnung, das schockierende Erlebnis weit hinter sich lassen zu können. Aber am John F. Kennedy International Airport wartet schon das FBI und will die Flugbegleiterinnen verhören, die den Verstorbenen auf der Hinreise nach Thailand in der Business-class bedient haben. Wegen ihrer Nervosität und offensichtlicher Falschaussagen gerät Cassie schnell als Tatverdächtige ins Visier der Bundespolizei. Auf eigene Faust versucht sie nun im Fall zu ermitteln, um die verschüttete Erinnerung an die tödliche Liebesnacht wieder herzustellen.
Eine chaotische Heldin steht im Zentrum der Serie „The Flight Attendant“, und ihr unzuverlässiges Gedächtnis, in dem sie die fatalen Ereignisse zu rekonstruieren versucht, wird zum eigentlichen Ort der Handlung. Hier trudeln in Rückblenden nicht nur sorgfältig dosierte Erinnerungsschnipsel des Rendezvous in Bangkok ein: Auch der verstorbene Liebhaber tritt als Berater zu den eigenen Todesumständen immer wieder auf und nistet sich in Cassies Herz ein. Und schließlich sind da auch noch weit zurückliegende Bilder aus ihrer Kindheit, die von einem rätselhaften Kaninchen und einer ungesunden Beziehung zum alkoholsüchtigen Vater berichten. Während die Recherchen im eigenen Kopf zunehmend ihre Existenz als trinkfestes Partygirl hinterfragen, führen die Ermittlungen der Amateurdetektivin in großkriminelle Familiengeheimnisse des Mordopfers.
Lustvoll verquirlt Serienschöpfer Steve Yockey, der hier den Roman von Christopher A. Bohjalian adaptiert, Komödien- und Thriller-elemente miteinander. Scheinbar beiläufig zeichnet er dabei das Porträt einer kriselnden Alkoholikerin, die auf die Katastrophe zustolpert, aber vor dem Abgrund immer wieder einen neuen Abzweig findet.
Kaley Cuoco („The Big Bang Theory“), die die Serie mit ihrer eigenen Produktionsfirma entwickelt hat, ist ein echtes Ereignis. Nahtlos wechselt sie als Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs zwischen körperlicher Komik, psychologischer Tiefe und dramatischen Gesten, ohne in nerviges Overacting zu verfallen. Die sich überstürzenden Ereignisse verdichten sich mit zünftigen Cliffhangern zu einem Serienplot, in den man sich über acht Episoden nur zu gerne hineinziehen lässt.
Info „The Flight Atendant“läuft bei Amazon Prime.