Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Luftfahrtbranche baut auf grünes Kerosin
Der Bund will mit Ökostrom produziertes Flugbenzin zum Massenprodukt machen. Dies könnte neue Jobs bringen und dem Klimaschutz helfen. Die Grünen finden die Strategie richtig, drängen aber auf deutlich mehr Tempo.
BERLIN Die schwarz-rote Bundesregierung, einige Bundesländer sowie die Luftfahrtindustrie haben sich darauf geeinigt, die Einführung klimafreundlicher Kraftstoffe vorzubereiten, damit auch die Luftfahrt einen Anteil am Klimaschutz übernimmt. Der Bund wird eine oder mehrere größere Pilotanlagen fördern, in denen künstliches Kerosin oder ein vergleichbarer klimaneutraler Treibstoff hergestellt wird. Ziel ist, dass im Jahr 2030 pro Jahr mindestens 200.000 Tonnen nachhaltiges Kerosin produziert werden. Die Federführung des Projektes soll das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln übernehmen.
Technischer Kern des Vorhabens ist, mit Hilfe von Ökostrom Kerosin so herzustellen, dass es der Atmosphäre bei der Produktion genauso viel Kohlendioxid entnimmt, wie es dann beim Verbrennen wieder ausstößt (Power-to-liquid). Umweltumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagt: „Strombasierte Treibstoffe sind eine zentrale klimafreundliche Alternative zu fossilem Kerosin.“Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ergänzt: „Mit dem Umstieg auf strombasiertes Kerosin können wir im Luftverkehr Millionen Tonnen an Co2-emissionen sparen.“
Dabei geht es auch darum, neue Jobs für deutsche Anlagenbauer und/oder der deutschen Chemieindustrie zu sichern, indem aus einer im Labor bereits gut erprobten Technik ein Massenprodukt wird. „Mit dem wichtigen Schritt für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff wollen wir die Technologieführerschaft deutscher Unternehmen ausbauen“, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Aber genutzt werden solle die Technik dann global. Dies unterstützt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der darauf aufmerksam macht, dass in südlichen Ländern die besten Bedingungen herrschen, um mit Hilfe großer Mengen an Ökostrom grünes Kerosin beziehungsweise Wasserstoff als Vorprodukt herzustellen: „Die wachsende Nachfrage nach Co2-emissionsfreien, synthetischen Kraftstoffen werden wir nicht alleine in Europa abdecken können. Wir brauchen als nächsten Schritt eine Energie- und Klimapartnerschaft mit Afrika“, sagt der Unionspolitiker.
Einige Fragen sind bei dem strategischen Projekt aber noch zu klären. Weil künstlich hergestelltes Kerosin aktuell rund fünfmal so teuer ist wie klassisches, aus Öl hergestelltes Kerosin, fordern die Airlines eine Entlastung bei Abgaben beziehungsweise Steuern, um das Beimischen von Ökosprit finanzieren zu können.
Wie grüner Sprit im Weltmaßstab durchgesetzt werden kann, hatte Postchef Frank Appel schon vor einiger Zeit in einem Interview mit unserer Redaktion gesagt: Der Ausstoß von klassischem Kerosin solle mit einer stetig steigenden CO2-ABgabe belastet werden. Weil aber für grünes Kerosin keine Co2-abgabe fällig wäre, würde es auf Dauer immer wettbewerbsfähiger.
Grünen-politiker wie der Bundestagsvize Oliver Krischer unterstützen die Idee, mithilfe von Ökostrom Kerosin zu destillieren, während sie gleichzeitig darauf drängen, die Zahl der Kurzstreckenflüge zu reduzieren. Krischer fordert, in Deutschland den Ausbau von Windkraftanlagen und Solarpanels schneller voranzutreiben, damit es hierzulande mehr grünen Strom zum Betrieb der Chemieanlagen (und zum Aufladen von E-autos) gibt. Gleichzeitig drängt die Ökopartei auf Tempo: Der Bund will im Jahr 2030 zwei Prozent des Sprits der Airlines in Deutschland durch grünes Kerosin ersetzen. Krischer sagt: „Eine Beimischungsquote von zehn Prozent grünem Kerosin ist machbar und notwendig. Das fordern wir.“