Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Endlich Zeit zum Schreiben
Egal ob Sachbuch oder Roman – in der Corona-zeit wird mehr geschrieben. Schließlich kann man dem Hobby auch im Lockdown nachgehen. Das zeigt sich auch an der gestiegenen Zahl der Bücher, die im Selbstverlag erscheinen.
DÜSSELDORF Die Corona-pandemie schränkte den Unternehmensberater Michael Hubel besonders im zweiten Halbjahr 2020 in seiner Arbeit ein. Eine schwierige Situation, die aber auch einen Vorteil brachte: Hubel hatte Zeit, ein Buch zu schreiben. Darin beschäftigt er sich mit der Frage, wie die Politik auf die gesellschaftliche Mitte eingehen kann. „Man muss sich Zeit schaffen, um so ein Projekt anzugehen“, sagt der Düsseldorfer über sein Hobby.
Das Schreiben sei – wie viele kreative Hobbys – von Corona nahezu unberührt geblieben, sagt Elke Bockamp. Die Lektorin und Autorin betreibt seit 2005 eine Online-schreibschule. „Die Kreativen haben mehr Biss. Vor Corona haben rund 30 Prozent der Interessenten, die sich zur Schreibschule angemeldet haben, am Ende doch nicht mitgemacht. Das hat sich geändert“, sagt sie. Sie verzeichnet durch die Pandemie mehr Menschen, die etwas über das Schreiben lernen wollen. Vor einem Jahr war das anders: „Im Frühjahr 2020, als es mit Corona losging, ist etwa die Hälfte der Teilnehmenden in einen unkreativen Schockzustand geraten.“Durch Homeoffice oder das Homeschooling der Kinder habe vielen die Zeit für ihr Hobby gefehlt. „Aber jetzt hat man gelernt, selbst das Beste aus jeder Lage zu machen. Und davon profitiert auch das Hobby Schreiben“, sagt Bockamp.
So ging es auch Andrea Fischer. „Ich bin selbstständig, habe eine Trainingsakademie für Kommunikations- und Führungs-coachings. Bei mir fielen ab dem 16. März 2020 sämtliche Aufträge weg“, erzählt die Autorin aus Bad Honnef. „Ich bin ein durchweg positiver Mensch, aber auch mich hat das mitgenommen.“Sie beschäftigte sich mit der Frage, wie man – auch in schweren Zeiten wie einer Pandemie – sein Glück findet. Daraus entstand zunächst das Sachbuch „Viele Wege führen zum Glück“, in dem sie Beiträge verschiedener Experten zu dem Thema vereint. Die Suche nach dem Glück ist außerdem Thema in ihrem Roman, den sie im Frühjahr verfasst hat. „Seitdem ich klein bin, möchte ich einen Roman schreiben“, sagt sie. Die Aufträge für ihre Akademie fielen weiter aus. Ich dachte mir also, wenn ich jetzt nicht den Roman angehe, wann dann?“Rückblickend sei sie froh, dass sie sich dazu entschieden habe, ihren Traum zu verwirklichen. „Schreiben ist meine Glücksquelle“, sagt Fischer. Gerade in Zeiten wie diesen.
Auch Nicole Hein sind in der Corona-krise die Aufträge weggebrochen. Die freie Journalistin aus dem Münsterland wollte sich daraufhin
„Ich dachte mir also, wenn ich jetzt nicht den Roman schreibe, wann dann?“Andrea Fischer Hobbyautorin
ein neues Standbein schaffen. Also begann sie, Kindergeschichten zu schreiben. „Zuerst war das ein Buch über Meerschweinchen in den Ferien, das ich für meine Kinder verfasst habe.“Danach schrieb sie Kurzgeschichten über eine Hexe, die nicht hexen kann, oder einen Wolf, der sich vor Schafen fürchtet. „Ohne Corona hätte ich wohl nie mit dem Schreiben angefangen“, sagt Hein. Im August bringt ein Verlag ihre Geschichten unter dem Titel „Einfach schöne Vorlesegeschichten“heraus.
Das Glück, einen Verlag zu finden, hatte Michael Hubel nicht. „Die Verlage setzen bei politischen Sachbüchern eher auf bekannte Autoren“, sagt er. Also brachte er sein Buch „Zukunft Mitte“im Selbstverlag mithilfe des Dienstleisters Books on Demand (BOD) heraus. Dieser Veröffentlichungsweg werde bei Autoren immer beliebter und erlebe gerade in der Corona-zeit einen Aufschwung, sagt Bod-sprecher Thorsten Simon. „Im Frühjahr 2020 haben wir gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Wachstum an neu erschienenen Büchern von rund 40 Prozent verzeichnet. Dieses Wachstum übertreffen wir sogar 2021 noch einmal“, sagt er.„der Boom kommt dadurch, dass viele Menschen jetzt die Zeit finden zu schreiben.“
Viele Autoren wählten den Weg über das Self-publishing, da sie dort alles selbst bestimmen und ihre Werke unmittelbar veröffentlichen können, erklärt Simon. Zudem sind sie so unabhängig von den Programmen der Verlage. Hubel hofft jetzt, auch ohne die Unterstützung eines Verlages viele Leser für sein Sachbuch zu gewinnen. Ob er bald ein weiteres Werk herausbringen wird, weiß er nicht. „Schreiben ist ein wunderschönes Hobby, aber auch sehr zeitaufwendig“, sagt er.
Nicole Hein wiederum möchte auch nach der Pandemie schreiben und mit ihren Kindergeschichten etwas Geld verdienen. Auch Andrea Fischer wird weitermachen. „Mich erfüllt es sehr“, sagt sie. Für sie ist das Schreiben längst mehr als ein reines Corona-hobby.