Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Borussia gefährdet den eigenen Anspruch

ANALYSE Es ist kein realistisc­hes Ziel für Gladbach, ein ständiger Champions-league-teilnehmer zu sein. Dennoch sollte unter Trainer Marco Rose der vierte Platz der Vorsaison bestätigt werden. Nun aber ist sogar das Minimalzie­l Einstellig­keit in Gefahr.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Pellegrino Matarazzo, der Trainer des VFB Stuttgart, gab an, dass seine Mannschaft am Samstag in Mönchengla­dbach angetreten sei, um „einen Großen zu schlagen“. Dass die Stuttgarte­r kein „normaler Aufsteiger“sind, darauf hatte Gladbachs Manager Max Eberl verwiesen, da der VFB vom ortsansäss­igen Autoherste­ller großzügig unterstütz­t wird. Dennoch: Sportlich hat der Champions-league-achtelfina­list Borussia den Schwaben einiges voraus, weswegen Matarazzo zu seinem Urteil kam. Sein Team setzte die Vorgabe mit dem 2:1-Sieg erfolgreic­h um.

Dass inzwischen viele Gegner Borussia als „Großen“wahrnehmen, hat sie sich erarbeitet. Und auch ein gewisses Selbstvers­tändnis. In dieser Saison war Gladbach angetreten, um das Vorjahrese­rgebnis, Platz vier, mindestens wieder zu erreichen. Es ist nicht das realistisc­he Ziel der Gladbacher, ständiger Champions-league-teilnehmer zu sein, doch gibt es die klare Ansage: „Wir wollen da sein, wenn einer der Großen strauchelt.“So war es im vergangene­n Jahr, als Bayer Leverkusen bei Hertha BSC verlor und Gladbach so den Weg in die Königsklas­se freimachte. Nun gab es für Bayer nur ein 1:1 gegen Berlin, indes gegen Union. Und Gladbach? War nicht in der Lage, das zu nutzen und noch mal an Leverkusen heranzukom­men.

Mit der fünften Heimnieder­lage wurde zugleich der kleine Vorteil gegenüber den „Eisernen“aus Köpenik verspielt, die jetzt ihrerseits Platz sieben innehaben, der in die Play-offs für die neue Conference League führt. Die, das hatte Eberl vorab klargestel­lt, ist nach dem Aus im Champions-league-rennen, das Ziel der Gladbacher. Die Europa League, für die es nötig gewesen wäre, das nun komplett enteilte Leverkusen einzuholen, hatte er schon gar nicht mehr erwähnt.

Nun könnte es sogar eine WorstCase-saison werden. Denn verlieren die Borussen am letzten Spieltag bei Werder Bremen und sind zugleich der VFB und der SC Freiburg erfolgreic­h, dann wären die Borussen erstmals seit 2011 nicht einstellig in der Tabelle. Eben die Einstellig­keit hebt Eberl immer wieder als

Qualitätsm­erkmal hervor, wenn er über die Entwicklun­g seit der Relegation­s-rettung vor zehn Jahren spricht. Genau genommen ist das der Minimal-anspruch der Gladbacher: ein Platz in der oberen Tabellenhä­lfte.

Dass Gladbach ausgerechn­et unter Trainer Marco Rose, der 2019 mit höchsten Erwartunge­n geholt wurde, in eine solche Lage kommt, hätte Eberl sicher nicht erwartet. Rose sollte die Borussen noch näher heranführe­n an die Großen der Branche und diese das Fürchten lehren. Doch nun ist es Union Berlin, dessen Team den zweitniedr­igsten Marktwert der Liga hat (76,3 Millionen Euro) hat, das dabei ist, die Schwäche eines Großen zu nutzen: die Schwäche Borussias.

Nur dreimal logierten die Borussen in dieser Saison auf einem direkten Europapoka­l-platz, kein einziges Mal war der achtmalige Tabellenfü­hrer der Vorsaison auf einem Champions-league-rang ansässig. In diesen Sphären hatte Gladbach die meiste Zeit der beiden Spielzeite­n vorher verbracht. Kommen zu den aktuell 46 Punkten keine mehr dazu, wird es die zweit

schlechtes­te Saison seit 2011, nur einen Punkt mehr hätte Rose als sein Vorgänger Dieter Hecking 2017 geholt, da aber hatte es ein schwierige­s erstes Halbjahr unter André Schubert gegeben, auch das war eine Champions-league-saison. Das noch mögliche Maximal-ergebnis von 49 Punkten würde den siebten Platz in den letzten zehn Jahren einnehmen, nur knapp vor 2013, 2017 und 2018.

So richtig sexy klingt das alles nicht. Und sexy waren auch nur wenige Spiele dieser Saison. Auch was das angeht, konnte Borussia in der zweiten Rose-saison selten dem eigenen Anspruch gerecht werden. Die Zahlen dazu: bisher 54 Gegentore, so viele gab es seit der Relegation nicht, nur 28 Heimpunkte, das zweitschwä­chste Ergebnis der Dekade, und 29 nach Führungen verspielte Zähler, Spitzenwer­t in der Bundesliga und Vereinsrek­ord.

Nach Bremen fährt Borussia am Samstag (15.30 Uhr/sky) mit dem Anspruch, zu gewinnen, um dann möglicherw­eise vom Sieg des ungeliebte­n Fußball-projekts RB Leipzig bei Union profitiere­n zu können. Doch dem eigenen Anspruch muss Borussia erst mal gerecht werden. Das fällt schwer in dieser Saison.

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FOTO: IMAGO Ein Endstand auf der Anzeigetaf­el als Symbolbild: Mönchengla­dbach verliert gegen einen ersatzgesc­hwächten VFB Stuttgart ein entscheide­ndes Heimspiel im Saisonfina­le.

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