Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Ein Maxhaus auch für Allofs und Campino
Interview Peter Krawczack will Kultur und Bildung in einem für alle offenen katholischen Stadthaus anbieten.
CARLSTADT Peter Krawczack (55) wird der neue Leiter des Maxhauses, dem katholischen Stadthaus im Herzen der Düsseldorfer City. Nachdem er 18 Jahre in Köln tätig war, will er nun in seiner neuen Funktion für mehr Lebensqualität in seiner Heimatstadt sorgen.
Ist es von Vorteil, dass Sie als gebürtiger Düsseldorfer nun das Maxhaus leiten werden?
PETER KRAWCZACK Ob das hilft, kann ich nicht sagen, aber es ist ein Grund, warum ich mich auf diese Aufgabe freue. Fast 20 Jahre lang war ich in Köln, das ist auch eine tolle Stadt. Aber ich bin Düsseldorfer, ich verspüre einen enormen Reiz, jetzt hier noch mal etwas gestalten zu können. Wir haben einen tollen Stadtdechanten, der auf die Menschen zugeht und der wie ich darunter leidet, in welcher schwierigen Verfassung unsere Kirche derzeit ist. Es gibt einen erdrutschartigen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust. Der „inner circle“geht oder überlegt zu gehen. Ich glaube, wenn wir Angebote machen, dann muss uns bewusst sein, dass wir uns Vertrauen erst wieder erarbeiten müssen.
Wie kann das Maxhaus dabei helfen, das Vertrauen bei den Gläubigen zurückzugewinnen? KRAWCZACK Zunächst einmal mag ich das Wort Demut und die damit verbundene Haltung, denn wir müssen uns dessen bewusst sein, in was für einer Situation wir sind. Wir müssen etwas tun. Ich glaube, dass so ein Haus eine Möglichkeit bietet, für jeden offen zu sein, jeden und jede herzlich willkommen zu heißen – ohne Vorbedingung. Das Haus lädt ein, es bietet die Chance, Menschen zu begegnen. Der Funke soll überspringen, jeder soll kommen, ob zum Espresso oder in die Ausstellung.
Auch der junge tätowierte Mann, der Sie eben beim Foto draußen fragte, ob Sie der Oberbürgermeister sind?
KRAWCZACK Das ist zwar manchmal bizarr, aber es sind auch Originale, die man in so einer Stadt trifft. Ich komme mit den Leuten ins Gespräch, da fängt auch City-seelsorge an, auf solche Begegnungen freue ich mich. Wir sind ein kulturelles Zentrum und wollen dem Wort Willkommenskultur Leben einhauchen. Es gibt ein interessantes Hirtenwort französischer Bischöfe: den Glauben vorschlagen. Wenn hier jemand hereinkommt, dann wünsche ich mir, dass spürbar wird: Hier wirkt ein bestimmter Geist und Esprit.
Mit Seelsorge in der Düsseldorfer City kennen Sie sich aus, oder? KRAWCZACK Mit 18 machte ich Nachtwache und später meinen Zivildienst in der Nachtunterkunft „Kölner Straße“, damals in Trägerschaft der Ordensgemeinschaft der Armen Brüder vom Heiligen Franziskus. Ich blieb dabei – zehn Jahre lang. Ich machte die Einkäufe und ging mit den Streetworkern raus in die Altstadt. Da hatten wir auch viel zu tun mit den Obdachlosen auf den Steinbänken am Rathaus und an den Kasematten.
18 Jahre lang leiteten Sie die Abteilung Schulpastoral und Hochschulen im Erzbistum Köln. Und jetzt sind Sie in der Carlstadt. Was war, was kommt?
KRAWCZACK Ich verlasse tolle Menschen und Kolleginnen und Kollegen, die mit großer Überzeugung Gott in der Schule und Hochschule ein Gesicht geben. Ich habe den Rahmen ermöglicht, dass andere vor Ort gut agieren können. Jetzt reizt mich, stärker eine gestalterische Aufgabe zu übernehmen, eigene Akzente zu setzen, mein Netzwerk spielen zu lassen, in die Stadtgesellschaft hinein zu wirken.
Wollen Sie das Maxhaus auch neu erfinden?
KRAWCZACK Das Haus ist sehr gut aufgestellt. Es gibt aber auch eigene Gedanken. Am Schadowplatz gibt es das Haus der Wissenschaft, da könnte ich mir gut Kooperationen vorstellen, das Gleiche gilt für andere Bildungseinrichtungen. Das Ziel ist, das kulturelle und spirituelle Erbe des Maxhauses hochzuhalten. Fast um die Ecke am Stiftsplatz gibt es die „Die Botschaft“, also das jugendpastorale Zentrum, mit dem das Maxhaus in einem Projekt bereits kooperiert. Hier bietet sich ein Ausbau an.
Das hört sich nach hehren Zielen an.
KRAWCZACK Ohne Ziele geht es nicht. Wir wollen aber auch eine niedrigschwellige Möglichkeit bieten, mit Kultur und Bildung im kirchlichen und christlichen Kontext in Berührung zu kommen. Von „Passagerer Pastoral“– religiös sein im Vorübergehen – sprechen hier die Theologen. Das ist in der aktuellen Situation besonders wichtig, wo viele keinen Bezugspunkt mehr zu Kirchengemeinden haben.
Was meinen Sie mit Kultur und Bildung im kirchlichen Kontext? KRAWCZACK Der Kurator des Maxhauses, Christian Deckert, hat das in der Festschrift zum zehnjährigen Bestehen auf den Punkt gebracht: „Kultur ist das Sinngeflecht, in dem wir uns als Sinnsuchende bewegen, und stellt ein Netz an verdichteten Erfahrungen bereit, derer wir bedürfen, um im vollen Sinne Mensch zu sein“. In Kultur, Bildung und Glauben steht der Mensch im Mittelpunkt. Dafür steht auch das Maxhaus: Begegnung mit Kunst und Kultur als Suche nach Wahrhaftigkeit und Persönlichkeitsbildung in Sinn- und Glaubensfragen.
Was ist mit den nachkommenden Generationen?
KRAWCZACK Ich kann es mir gut noch generationsübergreifender vorstellen. Wenn meine Kinder zum Beispiel abends vor der Kneipe Kürzer stehen, sollen sie auf die Idee kommen, dass das Maxhaus doch ein cooler Ort, eine tolle Location ist. Idealerweise schauen die dann vorbei. Ein Mittagsgebet würde ich mir wünschen – hier oder in der Maxkirche, mehr interreligiösen Dialog. Die Stadtgesellschaft sollte zu allen Themen hier ins Gespräch kommen. Hier tagt der Katholikenrat, Veranstaltungen des Gemeindeverbandes finden hier statt, auch die katholischen Gremien sollen sich hier wohl fühlen. Mit den leitenden Pfarrern möchte ich im Gespräch sein, was für Themen und Projekte im Maxhaus von Interesse sind. Die Balance ist wichtig, zwischen Events wie der Jazz Rally, wo es hier kracht, und einer Yogagruppe, die sich vielleicht parallel im Raum der Stille trifft.
In der Krise hat das Maxhaus schnell reagiert und vieles digital angeboten, wird das bleiben?
KRAWCZACK Alle sehnen sich nach physischen Kontakten, und es wäre zu wünschen, dass der Klosterhof mal wieder richtig voll wird. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass digitale Angebote viel Potential bieten, um mit den Menschen auf anderen Wegen ins Gespräch zu kommen. Da müssen wir gemeinsam weiterdenken, wie wir künftige Angebote gestalten. Das Digitale, wie zum Beispiel Streams und Youtube-videos, muss weitergehen. Da braucht es ein gutes Zusammenspiel zwischen Digitalem und Analogem.
Sie sind von klein auf Fortuna-fan. Könnte das auch Thema sein? KRAWCZACK Ich könnte mir eine Reihe vorstellen unter dem Motto „Kompass“. Da würde ich gerne Düsseldorfer erzählen lassen, was ihr persönlicher Kompass ist. Klaus Allofs, Friedhelm Funkel oder eine Gemüseverkäuferin vom Carlsplatz.
Und die Toten Hosen?
KRAWCZACK Campino reizt mich sehr für diese Reihe, Dieter Nuhr auch. Beide sind ja auch Fortuna-fans. Tischtennisspieler Timo Boll als ein Ausnahmeathlet wäre cool. Ich möchte in so einem tollen Ambiente im Gespräch in die Tiefe zu gehen, nachfragen. Nachbohren. Die nachwachsende Generation braucht Vorbilder.
Heinrich Heine hat hier auch mal die Schulbank gedrückt. Haben Sie eine Verbindung zu ihm? KRAWCZACK Es ist schon faszinierend, was hier in 360 Jahren alles passiert ist. Ich habe da auch eine gesunde Ehrfurcht. Heine schrieb ja „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Das habe ich gerne gelesen. Meine Familie hat auch eine besondere deutsche Geschichte: Ein Teil lebte vor dem Fall der Mauer im Osten, ein anderer Teil im Westen. Wie schön wäre es, mit Heine auf die Wiedervereinigung und die Folgen zu schauen.
Fast so schön wie meditatives Bogenschießen?
KRAWCZACK Das habe ich für mich entdeckt und schätzen gelernt. Man kommt zur Ruhe und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Ein guter Sport fürs Leben: Wenn ich es zu stark will, dann überspanne ich den Bogen, das ist nicht gut. Aber ohne gesunde Spannung geht auch das Bogenschießen nicht. Also: Der goldene Mittelweg ist am besten. Außerdem fühlt man sich ein wenig wie Robin Hood. Das ist auch toll.