Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Sonne des Tangos leuchtet aus München
Tangomusik Für die heutige Platte bedarf es eines Anlaufs. Bei mir war es eine Anfahrt. Es war im Jahr 1990, da besuchte ich erstmals die Opernfestspiele im ostfinnischen Savonlinna. Vorher war ich in Stockholm, und zwar mit dem Auto. Ich fuhr an der Küste entlang bis nach Umeå, nahm mit meiner Begleitung und dem Auto die Fähre ins westfinnische Vaasa, um das Land von West nach Ost zu durchqueren. Als wir nach Seinäjoki kamen, sagte meine Begleitung: „Fahr da mal raus, die tanzen bestimmt wieder auf der Straße.“
Das war der Tag, da ich Finnlands berühmtes Tango-festival in Seinäjoki kennenlernte. Argentinien und Finnland, für den Tango sind das die Metropolen – und auch die Pole der Emotionen. Der Tango Südamerikas ist glutvoll, leidenschaftlich, zeremoniell, der finnische Tango ist melancholisch, introvertiert, weniger erotisch, dafür volkstümlich. Die Begleitung, selbst Finnin, sagte zu mir, als wir ausstiegen: „Mach dich mal ein bisschen locker.“Nun, ich höre Tango lieber aus sicherer Ferne. Trotzdem liebe ich ihn.
Jetzt schneite bei mir eine in München aufgenommene CD des Labels Avi-music rein, die die Welt des Tangos auf grandiose Weise ausbreitet und ohne Astor Piazzolla auskommt. „Misión Tango“heißt sie, widmet sich dem südamerikanischen Tango, hat aber auch die finnische, die melancholische Seite parat, die Interpreten kommen jedoch aus Deutschland: Thomas Reif (Violine), Karel Bredenhorst (Cello), Andreas Rokseth (Bandoneon) und Martin Klett (Klavier). Die vier Musiker nennen sich Cuarteto Soltango. Die Sonne ist also mit an Bord. Natürlich begegnet man auf dieser brillanten, ausdrucksvollen Platte der Milonga, die übrigens einen Tanzgattung, eine Tango-veranstaltung und eine Tango-lokalität benennt. Aber es gibt auch Raritäten, etwa das „Desme el Alma“von Rosita Melo, der ersten wichtigen Komponistin am Rio de la Plata. Nicht zu vergessen: „La Cumparsita“, eines der legendären Tangostücke Südamerikas. Herrlich!