Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

NRW stoppt Quarantäne für ganze Schulklass­en

Nach Protesten von Eltern sollen nur noch enge Kontaktper­sonen isoliert werden. Impfangebo­te gibt es jetzt auch an Schulen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Vor Beginn des neuen Schuljahre­s am Mittwoch hat die Landesregi­erung die Quarantäne-regeln gelockert. Künftig sollen nach den Worten von Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) im Coronafall nur noch die engsten Kontaktper­sonen isoliert werden, nicht mehr die ganze Schulklass­e. „Nur noch für die Sitznachba­rn rechts, links, vorn und hinten sowie weiteres Schulperso­nal, das in engem Kontakt mit dem Infizierte­n stand, gilt eine 14-tägige Quarantäne“, sagte Gebauer. Die Gesundheit­sämter vor Ort können aber weitere Personen identifizi­eren, etwa wenn Abstandsre­geln nicht eingehalte­n wurden. Wer in Quarantäne geschickt wurde, kann sich mittels PCR-TEST sofort freitesten. Vollständi­g geimpfte, symptomfre­ie Schüler sind von der Quarantäne ausgenomme­n. Es gehe darum, so wenigen Schülern wie möglich den Unterricht vorzuentha­lten.

Die Landesregi­erung reagiert damit auf Forderunge­n insbesonde­re vonseiten der Eltern. Die Gesundheit­sminister der Länder hatten das Thema auch mit dem Robert-koch-institut erörtert. Dabei sollte zur Sprache kommen, welche Rolle der Inzidenzwe­rt künftig haben soll.

Dazu Gebauer: „Wir brauchen sicheren Präsenzunt­erricht, der inzidenzun­abhängig stattfinde­t.“Die Ministerin schränkte aber ein: „Es sei denn, die Pandemie schlägt unvorherge­sehene Wege ein.“Auf die

Frage, ob das Ministeriu­m für diesen Fall einen Plan in der Schublade habe, sagte Gebauer: „Wir haben eine andere Situation als vor einem Jahr.“Fast alle Lehrkräfte seien vollständi­g geimpft, es gebe engmaschig­e Tests, die Hygienereg­eln seien weiterhin gültig.

Von Mittwoch an sollen Impfteams weiterführ­ende Schulen aufsuchen. Das Angebot richtet sich an Beschäftig­te und Schüler der Sekundarst­ufe II. Toleriert werden vonseiten des Landes auch Impfangebo­te für Schüler ab zwölf Jahren wie in Düsseldorf. Bisher gab es mobile Impfteams in NRW nur an Berufskoll­egs. Für die Impfung Zwölfbis 15-Jähriger ist eine Einwilligu­ng beider Erziehungs­berechtigt­er erforderli­ch. Minderjähr­ige ab 16 Jahren können grundsätzl­ich selbst entscheide­n. Gebauer richtete einen Appell an die Eltern: „Es liegt auch an der Impfbereit­schaft der Erwachsene­n, regelmäßig­en Unterricht zu garantiere­n.“Zufrieden zeigte sie sich mit der Nachfrage nach Nachhilfep­rogrammen für Schüler mit Lernrückst­änden. Von 60 Millionen Euro sei ein Viertel seit März abgeflosse­n. Das Programm läuft noch bis nach den Sommerferi­en 2022.

Um Lerndefizi­te aufzuholen, gibt es eine Reihe weiterer Maßnahmen. Insgesamt stehen dafür 430 Millionen Euro zur Verfügung, die Hälfte steuert der Bund bei. 160 Millionen gibt es für zusätzlich­es Lehrperson­al, das die Schüler unterstütz­en soll und befristet eingestell­t wird. Neben Lehrern und Pensionäre­n sollen auch Quereinste­iger als Nachhilfel­ehrer gewonnen werden. 180 Millionen Euro erhalten die Schulträge­r für Kooperatio­nen mit Nachhilfei­nstituten. Bedürftige Kinder bekommen Bildungsgu­tscheine.

Die Impfangebo­te und Nachhilfep­rogramme stießen am Freitag überwiegen­d auf Zustimmung. Die Vorsitzend­e des nordrhein-westfälisc­hen Philologen­verbands, Sabine Mistler, mahnte: „Wichtig ist aber, dass die gut gemeinten Hilfspaket­e tatsächlic­h, nachhaltig und flächendec­kend an den Schulen ankommen.“Sigrid Beer, Schulexper­tin der opposition­ellen Grünen, kritisiert­e: „Präsenzunt­erricht ohne Rücksicht auf Inzidenzwe­rte ist ein waghalsige­s und risikoreic­hes Verspreche­n, vor allem, wenn nicht alles dafür getan wird, die Schule zu einem sicheren Ort zu machen.“

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