Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die gelbe Karte der Richter für die Parteien

- VON GREGOR MAYNTZ

Das Verfassung­sgericht hat dem Wahlrecht, wie es die Koalition gegen die Stimmen der Opposition durchgedrü­ckt hat, eine gelbe Karte gezeigt. Viele Passagen der Entscheidu­ngen belegen die Bedenken des höchsten deutschen Gerichtes. Letztlich stellte es nur wegen der absehbar geringen Auswirkung­en die winzige Wahlrechts­reform auf den letzten Metern nicht mehr vom Platz.

Das darf weder als Erfolg für Union und SPD noch als Schlappe für die Opposition gewertet werden. Damit sich das Trauerspie­l kraftloser und wirkungsar­mer Wahlrechts­reformen nicht wiederholt, brauchen alle Parteien einen Mentalität­swandel. Wer vor Ort gewählt ist, darf zwar seinen Sitz nicht mehr verlieren. Aber er muss sich fragen lassen, was diese „Mehrheit“wert ist, wenn er zwar von allen Kandidaten die meisten Stimmen bekommen hat, letztlich aber nur ein Fünftel der Wähler hinter ihm steht. Auf der anderen Seite führt das jetzige Wahlrecht dazu, dass im Norden bei anderen Parteien zusätzlich­e Bewerber einziehen, die keine Chance auf ein Mandat gehabt hätten, wenn im Süden andere Wähler nicht ihre Erststimme Kandidaten einer anderen Partei gegeben hätten. Das ist absurd.

Die Lösung ist so schwierig für die Parteien und so einfach in der Sache: Der Bundestag sollte exakt aus zwei Mal 299 Abgeordnet­en bestehen, wie es das Wahlrecht schon jetzt vorgibt. Die ersten 299 kommen von den Landeslist­en gemäß den Anteilen an den Zweitstimm­en. Die zweiten 299 kommen aus den 299 Wahlkreise­n mit den direkt gewählten Kandidaten. Aber nur, wenn sie beim ersten Anlauf oder bei der Stichwahl 14 Tage später die absolute Mehrheit vor Ort erringen. Dann können sich auch kleinere zusammentu­n und den Stärksten von ihnen durchbring­en. Und der wäre wirklich Repräsenta­nt des Wahlkreise­s. BERICHT DER AUFGEBLASE­NE BUNDESTAG, POLITIK

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