Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„NRW ist unsere Herzkammer“
THORSTEN DIRKS Der Chef der Deutschen Glasfaser über Bauschäden, Milliardeninvestitionen und den langen Weg zu schnellem Internet.
Herr Dirks, Sie waren Chef von Telefónica Deutschland mit mehr als 30 Millionen Kunden, dann Lufthansa-vorstand und Eurowings-chef, jetzt leiten Sie seit Jahresbeginn die nicht ganz so bekannte Deutsche Glasfaser. Geht es für das Unternehmen damit auf die Überholspur?
DIRKS Das Unternehmen war schon vor meinem Start auf Wachstumskurs: Dieses Wachstum wird sich nun nochmals beschleunigen. Wir haben bis dato bundesweit über eine Million Glasfaseranschlüsse gelegt, davon 80.000 im gesamten Rheinland, eines unserer wichtigsten Gebiete in NRW. Allein dieses Jahr legen wir deutschlandweit etwa 400.000 neue Anschlüsse und geben weiter Gas: Unser Ziel sind insgesamt sechs Millionen Glasfaseranschlüsse. Bis 2025 werden wir vier Millionen haben. Insgesamt werden wir weitere sieben Milliarden Euro in die digitale Zukunft Deutschlands investieren.
Warum haben Sie die neue Aufgabe angenommen? Inklusive der neun Jahre als Chef von E-plus haben
Sie ja rund 15 Jahre ein Spitzengehalt gehabt – Sie könnten sich mit 58 Jahren auch an ein Domizil am Mittelmeer zurückziehen...
DIRKS Ich bin gerne unter Leuten und packe gerne an. Und ich finde die Aufgabe hier einfach toll: Die Deutsche Glasfaser bringt schnelles Internet in Regionen, die bisher sehr schlecht erschlossen sind. Wir bauen praktisch ein digitales Bürgernetz für Hunderte Kleinstädte und Dörfer. Das bringt dem ländlichen Raum neue Chancen. Und ich weiß, wovon ich rede: Ich lebe auf dem Land – im Voreifelgebiet.
Welche Folgen hat die Corona-krise für Ihr Geschäft?
DIRKS Die bestehenden Anschlüsse werden natürlich viel mehr genutzt. Millionen von Menschen sind im Homeoffice und kommunizieren per Videokonferenz. Und auch die Kinder brauchen viel mehr Megabits, für Homeschooling oder Videodienste. Kein Wunder, dass Bürgermeister auf uns zukommen, damit wir bei ihnen Glasfaser ausrollen.
Wohin geht der Trend dabei?
DIRKS Wenn ländliche Gemeinden nun Glasfaser bis in jedes Haus erhalten, läutet das eine Renaissance ländlicher Regionen ein: Die Menschen leben abseits der relativ teuren Stadt und sind der Natur nahe, doch dank Glasfaser kommunizieren sie besser als viele Haushalte in der Stadt. Dabei spielt auch die besonders kurze Latenzzeit eine Rolle: Videospiele oder Videokonferenzen haben mit Glasfaser eine deutlich bessere Qualität als mit DSL.
In manchen Kommunen – auch am Niederrhein – gab es Ärger, weil Ihre Bautrupps aufgerissene Bürgersteige oder Straßen nicht sauber abgeschlossen haben.
DIRKS Wenn es Bauschäden gibt, beseitigen wir sie so schnell wie möglich. Wir machen mit jeder Kommune am Ende des Projektes ein Abnahmeprotokoll. Insgesamt läuft das reibungslos, wir haben gut geschultes Personal.
Warum legen Sie Ihre Anschlüsse nicht einfach in den Städten, wo Sie mehr Menschen mit weniger Leitungen erreichen können?
DIRKS Wir bauen fast nie, wenn in einem Gebiet bereits ein Viertel der
Bürger mit Kabel versorgt sind, weil die Kabelnetze bereits ein Gigabit übertragen. Wir bauen auf dem flachen Land. Der Qualitätssprung für die Menschen dort ist gewaltig: Bisher haben sie oft nur Dsl-anschlüsse mit maximal 100 Megabit, bei uns können sie für 44,99 Euro 300 Megabit erhalten, für 88,99 Euro im Monat ein Gigabit.
Umso erstaunlicher ist es dann, dass Sie gelegentlich ein Projekt absagen müssen, weil nicht einmal die verlangten 40 Prozent der geplanten Anschlüsse mit einem Vorvertrag vermarktet wurden...
DIRKS Insgesamt stoßen wir auf sehr hohes Interesse, gerade jetzt in der Corona-zeit. Aber natürlich gibt es auch Bürger, die keinen Vertrag wollen, beispielsweise weil sie das Internet wenig nutzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass oft eine Reihe weiterer Kunden kommen, wenn ein
Projekt einmal läuft. Der Bagger ist dann wie eine Litfaßsäule mit Werbung: In der Nachbarschaft wird über das Vorhaben geredet, Häuser gewinnen durch den möglichen neuen Anschluss an Wert.
Ihre Zentrale hier in Monheim mit Rheinblick wirkt nicht gerade groß. DIRKS Ja, wir haben aktuell nur 140 Kolleginnen und Kollegen hier. Aber wir wachsen weiter. Vergangenes Jahr haben wir bereits 440 neue Mitarbeiter eingestellt. Und dieses Jahr verstärken wir unser Team in einer ähnlichen Größenordnung. Auch deshalb ziehen wir Ende des Jahres in die Airport City am Flughafen Düsseldorf. Dort entsteht gerade unsere neue Unternehmenszentrale mit insgesamt bis zu 500 physischen Arbeitsplätzen.
Warum ausgerechnet nach Düsseldorf?
DIRKS Wir finden dort gute Leute für alle Bereiche.
Werden Sie auch in der Landeshauptstadt Glasfaser legen?
DIRKS Nein, wir konzentrieren uns allein auf ländliche Gebiete. Das können wir am besten, da macht uns keiner was vor.
Können Sie sich vorstellen, dass andere Firmen Ihre Anschlüsse unter eigenem Namen vermarkten?
DIRKS Wir bauen eine offene Infrastruktur. Weitere Partnerschaften mit Telekom oder Vodafone sind denkbar – zum Beispiel haben wir mit Vodafone bereits einige Gewerbegebiete erschlossen.
Was muss politisch geschehen, damit es beim Ausbau vorangeht? DIRKS Wir brauchen viel schnellere, digitale Genehmigungsverfahren. Es schadet Deutschland, wenn es häu
fig bis zu einem Jahr braucht, bis der Bau neuer Trassen genehmigt wird, obwohl wir schon in Hunderten Kommunen aktiv waren und Musterverträge mitbringen. Der Bund muss im Telekommunikationsgesetz festlegen, dass es grundsätzlich erlaubt ist, Straßen oder Gehwege mit modernen Verlegeverfahren auf nur 40 oder 45 Zentimeter Tiefe aufzugraben. Dabei wird der Asphalt kurz aufgefräst, dann kommt die Leitung rein und alles wird wieder ordentlich versiegelt.
Braucht die nächste Bundesregierung einen Minister für Digitales?
DIRKS Unbedingt. Wir brauchen bei der Digitalisierung einen Sprung nach vorne. Die Krise war ein Weckruf, der Nachholbedarf ist sehr groß.
Was stört Sie?
DIRKS Die Schulen sind noch immer nicht richtig vernetzt, viele andere Industriestaaten sind uns hier um Jahre voraus. Die Verwaltung ist noch immer nicht digital, das hat auch das Nachvollziehen von Kontakten durch die Gesundheitsämter massiv erschwert. Und beim Glasfaserausbau liegen wir mit nur rund 14 Prozent erschlossenen Haushalten weit hinter fast allen Industrieländern – in Spanien liegt der Glasfaser-anteil schon bei 80 Prozent.
Wie bewerten Sie die Digital-strategie von NRW?
DIRKS Andreas Pinkwart, der hiesige Digital- und Wirtschaftsminister, unterstützt den Glasfaserausbau auf dem Land sehr aktiv. Das finden wir sehr gut, immerhin ist NRW unsere Herzkammer. Von unseren bundesweit rund eine Million Anschlüssen liegen fast zwei Drittel in NRW.