Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Dax über 16.000 Punkte – geht das so weiter?
Die Rekordfahrt des Aktienindex hält an – beflügelt wird sie derzeit von Impffortschritten und lockerer Geldpolitik der Notenbanken.
DÜSSELDORF Und schon wieder hat der Deutsche Aktien-index (Dax) eine historische Marke genommen: Am Freitagvormittag ist er über die 16.0000-Punkte-marke gesprungen; die Jahresprognosen nahezu aller Fachleute hat er längst übertroffen. Es ist bereits die dritte Tausendermarke, die der Dax in diesem Jahr geknackt hat. Dass er später im Tagesverlauf wieder zurückgefallen ist, ändert nichts an der Börsen-zuversicht – auch wenn ausgerechnet Schwergewichte wie VW, SAP und Siemens zu den vorübergehenden Verlierern gehörten.
Gibt es kein Ende für den Aufschwung am Aktienmarkt? „Man kann nicht ausschließen, dass der Dax binnen zwölf Monaten auf 17.000 Punkte steigt“, sagt Chris-oliver Schickentanz, Chief Investment Officer der Commerzbank. Für realistisch hält er aber ein zwischenzeitliches Rückschlagpotenzial von acht bis zehn Prozent mit einer
Rückkehr auf das aktuelle Niveau. Und das wohl aus gutem Grund, denn immer wieder werden Investoren zwischenzeitlich Gewinne einstreichen wollen.
Generell überwiegt aber weiter der Optimismus. Die Konjunkturmaschine ist angelaufen, der Aufschwung könnte sich bis ins nächste Jahr fortsetzen, wenn auch gebremst. „Größere Rezessionsrisiken machen wir erst nach 2026 aus, so dass die Börsen also noch einige Zeit auf konjunkturellen Rückenwind setzen können“, so Schickentanz. Europas Industrieländer hätten es schneller als vermutet geschafft, große Teile der Bevölkerung zu impfen. Die Folge: „Die Delta-variante hat derzeit ihren realwirtschaftlichen Schrecken verloren.“
Die Erholung spiegelt sich auch in den Unternehmensdaten und fällt in manchen Branchen stärker aus als erwartet. „Die Zahlen sind im zweiten Quartal dieses Jahres teilweise besser gewesen als in der Zeit vor dem Ausbruch der Pandemie“, so Schickentanz. Profitiert hätten davon beispielsweise Anbieter von Luxusgütern und hochwertiger Mode, während Bereiche wie die Gastronomie, die Eventbranche oder andere serviceorientierte Firmen noch Probleme hätten.
Aber die Gewinner schüren die Börsenphantasie. Und von den Notenbanken kommt vorerst kein Gegenwind. Die Europäische Zentralbank duldet höhere Inflationsraten, die oberhalb des Zielkorridors um die zwei Prozent liegen, die Us-notenbank Fed hat gerade erst den Leitzinskorridor bei null bis 0,25 Prozent belassen und kauft weiterhin monatlich Anleihen für 120 Milliarden Us-dollar. Die Amerikaner, so glaubt Schickentanz, würden erst im vierten Quartal mit einer „Normalisierung ihrer Geldpolitik“beginnen. „Die Fed lässt zu, dass die Inflationsrate auch mal drei bis vier Monate über dem Zielwert liegt“, so der Anlagestratege. Das passiert vermutlich in dem Glauben, dass die Preissteigerungsraten nach dem steilen Anstieg dieses Jahres wieder zurückfallen. Das Preishoch des laufenden Jahres sei auch ein Basiseffekt nach dem Preisverfall in der Hochzeit der Pandemie im vergangenen Jahr, heißt es.
Wenn die Notenbanken aber so viel Geld in die Märkte pumpen, muss dieses Geld irgendwo angelegt werden – und dafür kommen derzeit vor allem Aktien- und Immobilienmärkte in Frage. Kann das nicht auch fatale Folgen haben? Bei einigen werden angesichts der deutlichen Preissteigerungen bei den Immobilien jenseits des Atlantiks Erinnerungen an die Jahre 2007 und 2008 wach, an die Zeit also, in der die Grundlage für die Subprimeund die daraus folgende Weltfinanzkrise geschaffen wurde. Das könne man aber nicht vergleichen, sagt
Schickentanz: „Die Krise von damals ist nicht durch die Immobilienpreise entstanden, sondern dadurch, dass viele Kredite bekommen haben, die eigentlich nicht kreditwürdig gewesen wären.“
Also gar keine Probleme? Natürlich nicht. Es gibt immer Risikofaktoren, die die Entwicklung der Aktienkurse bremsen könnten. Dazu gehört natürlich, dass der Erfolg der bisherigen Impfkampagne nicht nachhaltig sein könnte und stattdessen Mutationen auftauchen, gegen die möglicherweise die derzeit zugelassenen Impfstoffe unwirksam sein könnten. Das könnte weitere Lockdowns zur Folge haben, „und dann könnte sich die Lage dramatisch zuspitzen“, so Schickentanz. Und das Thema Inflation hat sich auch noch nicht erledigt, beispielsweise in der Chipindustrie. Dort hatten alle gehofft, dass sich die Knappheit bei den Halbleitern und der damit verbundene Preisanstieg im dritten Quartal erledigen würden. Doch davon ist bisher nichts zu sehen.