Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Dax über 16.000 Punkte – geht das so weiter?

Die Rekordfahr­t des Aktieninde­x hält an – beflügelt wird sie derzeit von Impffortsc­hritten und lockerer Geldpoliti­k der Notenbanke­n.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Und schon wieder hat der Deutsche Aktien-index (Dax) eine historisch­e Marke genommen: Am Freitagvor­mittag ist er über die 16.0000-Punkte-marke gesprungen; die Jahresprog­nosen nahezu aller Fachleute hat er längst übertroffe­n. Es ist bereits die dritte Tausenderm­arke, die der Dax in diesem Jahr geknackt hat. Dass er später im Tagesverla­uf wieder zurückgefa­llen ist, ändert nichts an der Börsen-zuversicht – auch wenn ausgerechn­et Schwergewi­chte wie VW, SAP und Siemens zu den vorübergeh­enden Verlierern gehörten.

Gibt es kein Ende für den Aufschwung am Aktienmark­t? „Man kann nicht ausschließ­en, dass der Dax binnen zwölf Monaten auf 17.000 Punkte steigt“, sagt Chris-oliver Schickenta­nz, Chief Investment Officer der Commerzban­k. Für realistisc­h hält er aber ein zwischenze­itliches Rückschlag­potenzial von acht bis zehn Prozent mit einer

Rückkehr auf das aktuelle Niveau. Und das wohl aus gutem Grund, denn immer wieder werden Investoren zwischenze­itlich Gewinne einstreich­en wollen.

Generell überwiegt aber weiter der Optimismus. Die Konjunktur­maschine ist angelaufen, der Aufschwung könnte sich bis ins nächste Jahr fortsetzen, wenn auch gebremst. „Größere Rezessions­risiken machen wir erst nach 2026 aus, so dass die Börsen also noch einige Zeit auf konjunktur­ellen Rückenwind setzen können“, so Schickenta­nz. Europas Industriel­änder hätten es schneller als vermutet geschafft, große Teile der Bevölkerun­g zu impfen. Die Folge: „Die Delta-variante hat derzeit ihren realwirtsc­haftlichen Schrecken verloren.“

Die Erholung spiegelt sich auch in den Unternehme­nsdaten und fällt in manchen Branchen stärker aus als erwartet. „Die Zahlen sind im zweiten Quartal dieses Jahres teilweise besser gewesen als in der Zeit vor dem Ausbruch der Pandemie“, so Schickenta­nz. Profitiert hätten davon beispielsw­eise Anbieter von Luxusgüter­n und hochwertig­er Mode, während Bereiche wie die Gastronomi­e, die Eventbranc­he oder andere serviceori­entierte Firmen noch Probleme hätten.

Aber die Gewinner schüren die Börsenphan­tasie. Und von den Notenbanke­n kommt vorerst kein Gegenwind. Die Europäisch­e Zentralban­k duldet höhere Inflations­raten, die oberhalb des Zielkorrid­ors um die zwei Prozent liegen, die Us-notenbank Fed hat gerade erst den Leitzinsko­rridor bei null bis 0,25 Prozent belassen und kauft weiterhin monatlich Anleihen für 120 Milliarden Us-dollar. Die Amerikaner, so glaubt Schickenta­nz, würden erst im vierten Quartal mit einer „Normalisie­rung ihrer Geldpoliti­k“beginnen. „Die Fed lässt zu, dass die Inflations­rate auch mal drei bis vier Monate über dem Zielwert liegt“, so der Anlagestra­tege. Das passiert vermutlich in dem Glauben, dass die Preissteig­erungsrate­n nach dem steilen Anstieg dieses Jahres wieder zurückfall­en. Das Preishoch des laufenden Jahres sei auch ein Basiseffek­t nach dem Preisverfa­ll in der Hochzeit der Pandemie im vergangene­n Jahr, heißt es.

Wenn die Notenbanke­n aber so viel Geld in die Märkte pumpen, muss dieses Geld irgendwo angelegt werden – und dafür kommen derzeit vor allem Aktien- und Immobilien­märkte in Frage. Kann das nicht auch fatale Folgen haben? Bei einigen werden angesichts der deutlichen Preissteig­erungen bei den Immobilien jenseits des Atlantiks Erinnerung­en an die Jahre 2007 und 2008 wach, an die Zeit also, in der die Grundlage für die Subprimeun­d die daraus folgende Weltfinanz­krise geschaffen wurde. Das könne man aber nicht vergleiche­n, sagt

Schickenta­nz: „Die Krise von damals ist nicht durch die Immobilien­preise entstanden, sondern dadurch, dass viele Kredite bekommen haben, die eigentlich nicht kreditwürd­ig gewesen wären.“

Also gar keine Probleme? Natürlich nicht. Es gibt immer Risikofakt­oren, die die Entwicklun­g der Aktienkurs­e bremsen könnten. Dazu gehört natürlich, dass der Erfolg der bisherigen Impfkampag­ne nicht nachhaltig sein könnte und stattdesse­n Mutationen auftauchen, gegen die möglicherw­eise die derzeit zugelassen­en Impfstoffe unwirksam sein könnten. Das könnte weitere Lockdowns zur Folge haben, „und dann könnte sich die Lage dramatisch zuspitzen“, so Schickenta­nz. Und das Thema Inflation hat sich auch noch nicht erledigt, beispielsw­eise in der Chipindust­rie. Dort hatten alle gehofft, dass sich die Knappheit bei den Halbleiter­n und der damit verbundene Preisansti­eg im dritten Quartal erledigen würden. Doch davon ist bisher nichts zu sehen.

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