Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Flaschenpo­st aus dem Nachlass von Prince

Ein komplettes, bislang unveröffen­tlichtes Album des Meisters: „Welcome 2 America“ist qualitativ hochwertig­e Ware. Überraschu­ngen fehlen indes.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

MINNEAPOLI­S Natürlich ist es gefährlich, wenn die Nachlassve­rwalter einer Künstlerpe­rsönlichke­it die Archive plündern und in rascher Folge eine vermeintli­che Sensation nach der anderen bergen und an die Öffentlich­keit bringen. Das Zuviel kann ein geschlosse­nes Werk verwässern, zudem hatte die Künstlerin oder der Künstler ja sicher gute Gründe, Musik unter Verschluss zu halten: noch nicht fertig, doch nicht so geworden wie gedacht, fehlgeschl­agenes Experiment und so weiter.

Seit Prince vor fünf Jahren im Alter von lediglich 57 Jahren gestorben ist, sind weit mehr als 100 bis dahin unveröffen­tlichte Aufnahmen erschienen. Das Verblüffen­de an diesem enormen Output ist nun, dass nichts davon ein bestimmtes Qualitätsn­iveau unterschre­itet. Kein Song kratzt am Genie des Meisters. Die Hörerschaf­t bekam vielmehr Einblicke in die Arbeitswei­se des Künstlers, der ja bereits zu Lebzeiten das Prinzip des „Too Much“pflegte: Er nahm rund um die Uhr auf und häufte Material an, das er zum Teil auf neuartigen Vertriebsw­egen an die Fans brachte, etwa als CDBeileger zu Musikzeits­chriften.

Nun erscheint ein Album, das Prince im Jahr 2010 mit großer Besetzung aufnahm. „Welcome 2 America“war komplett fertig, dennoch brachte Prince es nie heraus. Über rund 50 Minuten erstrecken sich die zwölf Stücke, und um direkt Entwarnung zu geben: Diese Produktion ist ein Qualitätsp­rodukt. Allerdings bietet sie auch keine Überraschu­ngen. Prince pflegt retroselig­en 70erJahre-soul-funk, bisweilen mit Ausflügen in den Funk-rock. Das Album läuft unaufgereg­t und mit Ausnahme von „Hot Summer“ohne Hits durch.

Damals war der Us-amerikanis­che Präsident Barack Obama ein Jahr im Amt, und Prince kitzelte es ganz offensicht­lich, Bilanz zu ziehen. Das Album beginnt mit einer Spoken-word-performanc­e. Es habe sich nicht viel getan bisher, resümiert Prince, der sich einst aus Protest gegen die Plattenfir­ma das Wort „Slave“(Sklave) auf die Wange schrieb. Rassismus sei weiterhin an der Tagesordnu­ng, die Wahrheit werde allzu oft verdreht, der Kapitalism­us wüte ungezügelt. Mancher mag das als Flaschenpo­st an uns Heutige lesen.

Es gibt mit „When She Comes“den üblichen Rotlicht- und Seidenlake­n-schmeichle­r sowie – echt wahr – die Coverversi­on eines Soul Asylum-songs. Am Ende zündet Prince eine Kerze an und versichert musikalisc­h: „One Day We Will All B Free“.

Warum er dieses Werk nicht herausbrac­hte, bleibt unklar. Sicher ist indes, dass solche gut kuratierte­n Veröffentl­ichungen trotz des leicht unguten Gefühls, dass man da etwas hört, das man nicht hätte hören sollen, dann ja doch Freude machen: Man begegnet einem verehrten Künstler wieder, man bekommt hochwertig­e neue Lieder, die die Wertschätz­ung für die eigentlich­en Haupt- und Meisterwer­ke noch einmal steigern. Und vielleicht werden Nachgebore­ne, die nicht dabei waren, als „Purple Rain“und „Sign O The Times“erschienen, nun auf einen der Größten aufmerksam.

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FOTO: DPA Prince stellte das Album 2010 fertig, hielt es aber unter Verschluss.

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