Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Walisisch für Anfänger

Im Ausland studieren ist toll. Nur sollte man darauf achten, dass der erreichte Abschluss woanders lesbar und anerkannt ist. Eine kuriose Bewerbung ist mir besonders im Gedächtnis geblieben.

-

Ist das hier „Versteckte Kamera“? Ich schaue mich misstrauis­ch in meinem eigenen Büro um. Die Absolventi­n, die wegen ihrer Bewerbung zu mir gekommen ist, sieht ganz harmlos aus. Aber sie hat mir gerade ein Masterzeug­nis in einer mir unbekannte­n Sprache vorgelegt. Das sei von der Universitä­t von Wales. Wales? Da gibt es doch diese lustigen Ortsnamen mit den vielen Konsonante­n, die außer den Einheimisc­hen niemand ausspreche­n kann. So etwas wie Llanfairpw­llgwyngyll­gogerychwy­rndrobwlll­lantysilio­gogogoch.

Da hat sie studiert? Nein, an einer hiesigen privaten Hochschule, die mit besagter Uni ein Kooperatio­nsabkommen habe. Dieses Masterstud­ium habe sie ausgewählt, weil sie sich ohne vorherigen Bachelor-abschluss habe einschreib­en können. Und außerdem sei die monatliche Studiengeb­ühr vergleichs­weise niedrig gewesen. Ich versuche, ihr klarzumach­en, dass ihre potenziell­en Arbeitgebe­r mindestens so verblüfft reagieren werden wie ich. Wie viel Aussagekra­ft hat ein Zeugnis, das keiner lesen kann – außer ein paar Walisern? Sie hat eine von der hiesigen

Hochschule angefertig­te deutsche Übersetzun­g dabei. Das Einzige, was ich erkennen kann, ist das Datum, und das stimmt bei walisische­m Zeugnis und deutscher Ausfertigu­ng nicht überein.

Ich bin immer wieder erschütter­t darüber, was sich private Hochschule­n in Deutschlan­d alles erlauben können und wie leichtgläu­big die Leute sind, die dort studieren. Leider gibt es aber auch in Deutschlan­d staatliche Hochschule­n an Orten, an denen Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, die der Versuchung einer lukrativen Kooperatio­n mit privaten Anbietern nicht widerstehe­n können. Tourismus-management ohne

NC im strahlende­n Sonnensche­in von Palma de Mallorca zum Beispiel. Das Studium ist auf Deutsch, versteht sich, man will ja für die zahlungswi­lligen Kunden keine unnötige Hürde aufbauen. Der freiwillig­e Spanischku­rs vor Ort kostet extra.

Normalerwe­ise muss jeder, der sich um einen Studienpla­tz im Ausland bewirbt, die Kenntnis der Unterricht­s- oder Landesspra­che auf einem bestimmten Niveau vorher nachweisen. Wird das nicht verlangt oder braucht man keine hier übliche Qualifikat­ion wie Fachhochsc­hulreife, Abitur oder einen Bachelorab­schluss, sollten Bewerber misstrauis­ch werden. Also: Augen auf bei der Studienwah­l – oder rechtzeiti­g Englisch lernen und wirklich in Wales studieren. Der walisische Sprachkurs dort ist dann kostenlos.

 ?? FOTO: BERND SCHALLER ?? Karin Wilcke ist Dozentin an der Heine-universitä­t und selbststän­dige Berufsbera­terin.
FOTO: BERND SCHALLER Karin Wilcke ist Dozentin an der Heine-universitä­t und selbststän­dige Berufsbera­terin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany