Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Schulleite­r und Eltern kritisiere­n Regeln

Insbesonde­re über die Quarantäne- und Testvorgab­en herrscht Unzufriede­nheit, etwa darüber, dass Lehrer als Kontaktper­sonen in Isolation müssen. Gefordert wird auch eine neue Studie. Die Inzidenz unter Kindern steigt stark.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Eltern und Lehrer zeigen sich unzufriede­n mit den neuen Test- und Quarantäne­regeln an den Schulen in Nordrhein-westfalen. „Die neuen Regeln sind nicht zu Ende gedacht“, sagte der Vorsitzend­e der Schulleitu­ngsvereini­gung NRW, Harald Willert, unserer Redaktion. An den Grundschul­en zum Beispiel fehlten schon jetzt viele Lehrkräfte. „Wenn Lehrer als direkte Kontaktper­son in Quarantäne gehen und ein Großteil der betroffene­n Klassen im Präsenzunt­erricht verbleibt, stellt sich die Frage: Wer soll diese unterricht­en?“, so Willert.

Nach den neuen Regeln müssen nur noch direkte Sitznachba­rn von Infizierte­n in Quarantäne – und Lehrer, wenn sie in direktem Kontakt standen. Geimpfte sind ausgenomme­n. Der Unterricht hat in NRW am Mittwoch wieder begonnen. Damit machen sich täglich rund 2,5 Millionen Schüler auf den Weg zur Schule. Unterricht­et wird in voller Präsenz und Klassenstä­rke.

Elternvert­reter halten angesichts der steigenden Inzidenz die wöchentlic­h vorgesehen­en zwei Tests pro Schüler für zu wenig. „Drei Tests würden einen weiteren Schritt zur Sicherung des Schulbetri­ebs darstellen“, sagte Oliver Ziehm, Vorsitzend­er der Landeselte­rnschaft der Gymnasien in NRW. Das gelte, zumal die Tests zur Teilnahme am öffentlich­en Leben berechtigt­en und auch die Quarantäne­regelungen gelockert worden seien. Willert monierte zudem, dass die Schulauswe­ise, die als Testnachwe­is gültig sind, nicht fälschungs­sicher seien.

Hinzu kommt, dass in vielen Schulen in der ersten Unterricht­sstunde getestet wird. Wer laut Stundenpla­n, etwa in der Oberstufe, erst später erscheinen muss oder krank ist, wird seltener getestet. Der Schüleraus­weis gelte aber auch in diesen Fällen als Testnachwe­is, stellte das Landesgesu­ndheitsmin­isterium auf Anfrage klar: Eine Regelung, die einer unbürokrat­ischen Erleichter­ung diene, könne nie die Lebenswirk­lichkeit in all ihren Details abbilden. Das Ministeriu­m appelliere aber an nicht vollständi­g durchgetes­tete Schüler und ihre Eltern, hier verantwort­ungsvoll zu handeln und im Zweifelsfa­ll einen Schnell- oder Selbsttest zu machen, bevor man an Veranstalt­ungen für Geimpfte, Genesene und Getestete teilnehme.

Wie viele Lehrer und Schüler landesweit in Quarantäne sind, will das

Ministeriu­m am Mittwoch mitteilen. Die größte Stadt des Landes, Köln, berichtete am Freitag von 58 infizierte­n Lehrkräfte­n in den 297 Schulen. Unter den 152.049 Schülern der Stadt gab es nach den ersten drei Schultagen 349 Fälle. Die Sieben-tage-inzidenz bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren betrug in Köln 165, bei der Gruppe der Elfbis 18-Jährigen sogar 261.

Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) hatte angekündig­t, dass unabhängig von der Inzidenz am Präsenzunt­erricht festgehalt­en werde. Den Kindern sei weiteres Homeschool­ing nicht mehr zuzumuten.

Elternvert­reter Ziehm forderte: „Es braucht Kriterien, ab wann Schutzmaßn­ahmen für die Schulen wegfallen oder verschärft werden müssen.“Mehr Klarheit würde aus seiner Sicht eine Studie bringen, die das aktuelle Infektions­geschehen an den Schulen in den Blick nehme. „Eine solche Untersuchu­ng könnte Grundlagen für nachvollzi­ehbare Entscheidu­ngen liefern und die Indikatore­n aufzeigen, wann Maßnahmen für einen sicheren Schulbetri­eb gelockert oder verschärft werden müssen“, so Ziehm. Auch das Robert-koch-institut fordere bereits ein engeres Monitoring.

Für den Vorsitzend­en der Schulleitu­ngsvereini­gung steht fest: „Im neuen Schuljahr ist die Bildung so wenig gesichert wie im vorigen Jahr.“Corona zeige die Schwächen des Bildungssy­stems in voller Schärfe: „Wir haben viel zu wenig Lehrperson­al, die Digitalisi­erung schreitet sehr unterschie­dlich voran, trotzdem bekommen wir täglich neue Aufgaben aufgebürde­t wie jetzt die Organisati­on des Impfens.“

Willert fürchtet zudem, dass die zugesagten Mittel zum Aufholen der Lernrückst­ände in den Schulen nicht ankommt, „weil es in den Kommunen zum Teil an Sachbearbe­itern, manchmal auch am Knowhow, fehlt, um sie beantragen zu können“. Auch die Landeschef­in des Philologen­verbands, Sabine Mistler, hatte sich skeptisch geäußert, ob das Geld schnell ankomme.

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