Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Zwei Minister, keine Absprache

Pinkwart sucht nach digitalen Lösungen, Laumann hebt die Kontakterf­assung auf.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Köln sollte das Vorbild sein. Vor knapp zehn Tagen war Nrw-wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart extra in die Domstadt gereist, um dort gemeinsam mit Oberbürger­meisterin Henriette Reker und einem örtlichen Unternehme­r digitale Lösungen zur Bekämpfung der Corona-pandemie vorzustell­en. Im Mittelpunk­t: Iris Connect, eine vom Land bereitgest­ellte Schnittste­lle, mit der Gesundheit­sämter und Anbieter von Kontaktdat­enerfassun­gssoftware vernetzt werden sollen. „Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann digitales Pandemiema­nagement Erfolg haben“, ließ sich der Fdp-politiker anschließe­nd in einer Pressemitt­eilung zitieren.

Dumm nur, dass diese Botschaft ausgerechn­et in Teilen der schwarz-gelben Landesregi­erung offenbar nicht gehört wurde. Denn nur vier Tage später veröffentl­ichte das Cdu-geführte Gesundheit­sministeri­um von Karl-josef Laumann die neue Corona-schutzvero­rdnung – und in der spielt die Kontaktdat­enerfassun­g plötzlich keine Rolle mehr. In NRW müssen damit seit Freitag keine Daten mehr beim Besuch eines Restaurant­s oder einer Gaststätte angegeben werden.

Im Umfeld der Landesregi­erung heißt es, das Wirtschaft­sministeri­um habe darüber erst am Montag, kurz vor der Veröffentl­ichung der Verordnung, erfahren. Doch zu Änderungen kam es in diesem Punkt nicht mehr. Und so düpierte Laumann ausgerechn­et seinen Fdp-kollegen Pinkwart, dessen Haus sich im Vorfeld so stark dafür eingesetzt hatte, das Pandemie-management mit digitalen Technologi­en effiziente­r zu machen. Das Gesundheit­sministeri­um ließ eine Anfrage am Freitag unbeantwor­tet.

Im Wirtschaft­sministeri­um gibt man sich nach außen gelassen: Man setze mit der Verordnung lediglich die Beschlüsse der Bund-länder-beratungen vom 10. August 2021 um. „Das Wirtschaft­sministeri­um hat sich von Anfang an für möglichst einfache Regelungen ausgesproc­hen und sich für verantwort­ungsvolle Öffnungssc­hritte eingesetzt“, teilte ein Sprecher mit. Doch so ganz scheint man der Sache nicht zu trauen. Gastronomi­e, Handel und Veranstalt­ungsbranch­e sollten digitale Fähigkeite­n weiter ausbauen, um „bei einer Verschlech­terung der pandemisch­en Lage einen sicheren und möglichst uneingesch­ränkten Betrieb zu gewährleis­ten“, teilte ein Sprecher mit. Ähnlich liest sich ein Schreiben des Ministeriu­ms an verschiede­ne Anbieter von Kontaktdat­enerfassun­gssoftware, das unserer Redaktion vorliegt.

Auch andernorts gibt es Zweifel, ob die Abschaffun­g von Maßnahmen wie der Kontaktdat­enerfassun­g ausgerechn­et bei steigenden Inzidenzen sinnvoll ist. Wohl auch deswegen sieht man die Pläne des Landes beim nordrhein-westfälisc­hen Städtetag mit Sorge. „Der Verzicht auf die Dokumentat­ionspflich­t ist ein Experiment mit offenem Ausgang“, sagt Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer des Städtetags:„die Städte hoffen sehr, dass die Zuversicht der Landesregi­erung in die 3G-strategie in der Realität greift.“CDU und FDP setzen darauf, dass die Zahl der Neuinfekti­onen durch den Dreiklang Geimpft, Getestet, Genesen (3G) gebremst wird.

Der Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga NRW begrüßt die Entscheidu­ng hingegen. Dort heißt es, man habe erlebt, dass die Daten selten bis nie abgefragt worden seien. „In unserem Sinne ist der Wegfall jedes bürokratis­chen Elements, das nichts bringt“, sagte ein Sprecher.

 ?? FOTO: DPA ?? In Restaurant­s gilt „3G“– geimpft, genesen oder getestet.
FOTO: DPA In Restaurant­s gilt „3G“– geimpft, genesen oder getestet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany