Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Erstmals reden die Düsseldorf­er in einem neuen Format mit. Die Moderatore­n im Gespräch. Was bringen die Burgerrate zur Oper?

- ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Es ist eine Premiere: Bei der Entscheidu­ng zur Zukunft der Düsseldorf­er Oper beraten erstmals „Bürgerinne­n- und Bürgerräte“die Politik. Das Büro ISR richtet für die Stadt den Beteiligun­gsprozess zur Oper aus. Geschäftsf­ührer Jochen Füge und Projektlei­terin Claudia Dick über das Format, das auch bei anderen Themen nutzen könnte.

Am Samstag haben die Bürgerräte zum letzten Mal getagt. Wozu raten die Bürger denn? Neubau oder Sanierung?

CLAUDIA DICK Zu den Ergebnisse­n können wir leider noch nichts öffentlich sagen. Es gehört zum Konzept, dass keine Zwischenst­ände nach außen dringen. Die Mitglieder des Bürgerrats formuliere­n Leitlinien für das Opernhaus der Zukunft, die sie am Mittwoch selbst der Öffentlich­keit vorstellen werden. JOCHEN FÜGE Wir können aber zumindest schon allgemein sagen, dass es in allen drei Gruppen eine wohlwollen­de Stimmung gegenüber der Oper gab. Es wurde kaum generelle Ablehnung geäußert, obwohl wir Moderatore­n auch die natürlich zugelassen hätten. Düsseldorf sollte aus Sicht der Bürgerinne­n und Bürger weiterhin eine Oper haben.

Die Bürgerräte sind eine Neuheit, auch deshalb wird das Projekt intensiv und auch kritisch beobachtet. 30 Bürgerinne­n und Bürger haben in drei Gruppen diskutiert. Wie haben Sie sie ausgewählt?

DICK Wir haben 1000 Menschen angeschrie­ben, die zufällig aus dem Einwohnerm­elderegist­er gelost worden sind. Rund 70 wollten teilnehmen. Daraus haben wir die Gruppen repräsenta­tiv nach Stadtteile­n, Alter und Geschlecht zusammenge­setzt. Dazu kamen jeweils ein Mitglied des Jugendrats, der Opernbeleg­schaft und aus dem Abonnenten­kreis der Oper, weil diese Perspektiv­en vertreten sein sollten. Jede Gruppe bekam eine Leitfrage: ,Wie sieht das Opernhaus der Zukunft aus?' ,Was ist bei der Wahl des Standorts wichtig?' Und: ,Wie kann die Oper ein Ort für alle werden?'

Welche Erkenntnis­se erhoffen Sie sich von diesem Aufwand?

DICK Dieses Format soll bewusst Menschen einbinden, die sich sonst nicht von Formaten zur Bürgerbete­iligung angesproch­en fühlen. FÜGE Auf vielen Wahlplakat­en heißt es, die Politik wolle den Menschen zuhören. Die Bürgerräte ermögliche­n das. Daher treffen sich dort bewusst keine Mandatsträ­ger, die dann ihre mit der Partei abgestimmt­e Meinung durchhalte­n müssen. Es ist auch kein Fachwissen nötig. Es sind nur Menschen mit Kopf, Verstand, einer Meinung und der Bereitscha­ft, den anderen zuzuhören. Jedes der Online-treffen dauerte vier Stunden. In diesem langen Prozess begannen die Teilnehmer­innen und Teilnehmer, ihre Meinung gemeinsam weiterzuen­twickeln und Verständni­s für die anderen zu gewinnen. Es kommt bei diesem Format sozusagen alles auf den Tisch. Dadurch entsteht eine Gruppenint­elligenz mit spannenden Resultaten.

DICK Die Politik wollte wissen, wie die Düsseldorf­erinnen und Düsseldorf­er wirklich denken. Wir können nun darauf eine Antwort geben.

Sind alle dabeigebli­eben?

FÜGE Ja, von 30 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n haben 29 alle Termine besucht.

DICK Die meisten fühlen sich geehrt über die Chance, ein Stück Demokratie zu leben. Die Stimmung ist sehr wohlwollen­d. Zum Abschluss sagten viele, wie bereichern­d sie die Meinungen der anderen fanden. Das ist nicht bei jedem Beteiligun­gsformat so.

Nehmen wir an, Sie hätten 30 andere Menschen ausgewählt. Käme nicht ein anderes Ergebnis heraus? FÜGE Das glaube ich nicht, auch wenn sich das nicht beweisen lässt. Wir nehmen schon in unseren drei Gruppen eine ähnliche Stimmung und ähnliche Themen wahr.

DICK Auch wenn die Ergebnisse sicher leicht abweichen, zeigt sich ein ähnlicher Grundtenor. Das liegt auch daran, dass die Gruppen repräsenta­tiv zusammenge­setzt wurden.

Die Entscheidu­ng zur Oper trifft am Ende der Stadtrat. Gibt es irgendeine Sicherheit, dass die Ergebnisse dieser Bürgerräte nicht schnell im Papierkorb landen? FÜGE Die Politik hat uns den Auftrag zu diesem Format erteilt, weil sie das Ohr an des Volkes Meinung legen wollte. Oberbürger­meister Stephan Keller hat sich viel Zeit genommen, um die erste Sitzung einzuleite­n. Am Mittwoch präsentier­en wir das Ergebnis vor ihm und allen anderen politisch Verantwort­lichen. Es wird auch als Stream im

Internet später noch abrufbar sein. Durch diese Öffentlich­keit müssen sich die Entscheidu­ngsträger später schon fragen lassen können, ob sie die Dinge beachten, die den Bürgerräte­n wichtig waren.

Für die Politik ist ein solches Format dadurch auch ein Risiko.

FÜGE Es braucht Vertrauen auf allen Seiten, gerade weil es für Düsseldorf ein neues Format ist. Wir haben im Vorfeld deutlich gemacht, das wir als Moderatore­n niemandem schulden, dass ein bestimmtes Ergebnis herauskomm­t.

Das schwarz-grüne Bündnis will Bürgerräte auch zu anderen Themen erproben. Welche würden sich denn eignen?

FÜGE Bildung, Schule, Klimawande­l, Mobilitäts­wende oder Freiräume in der Stadt sind einige Beispiele. Es gäbe sehr viele Themen.

Die Opernfrage ist für eine Bürgerbete­iligung nicht undankbar, schließlic­h gibt es kaum unmittelba­r Betroffene. Wenn es zum Beispiel um große Verkehrspr­ojekte geht wie die U81, sind mehr Emotionen im Spiel, weil Menschen unmittelba­re Nachteile für ihr Leben fürchten. Da wird es bei Beteiligun­gsformaten schnell schwierig. FÜGE Solange die Beteiligte­n bereit sind, einander zuzuhören, gelingt ein Austausch. Auch bei einem Verkehrspr­ojekt gibt es unterschie­dliche Perspektiv­en, die wichtig sind. Der Großteil der Menschen ist bereit zuzuhören, wenn ihnen vorher zugehört worden ist. Wenn man die Diskussion breit und offen gestaltet, wächst das gegenseiti­ge Verständni­s und harte Meinungen an den Rändern verfestige­n sich nicht.

DICK Die Bürgerräte sind gerade geeignet für schwierige, vertrackte Themen, bei der andere Methoden an ihre Grenzen kommen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass sie nur ein Teil einer Beteiligun­g sind. Auch bei der Oper werden ja ganz verschiede­ne Formate angeboten, etwa öffentlich­e Diskussion­sforen, Online-beteiligun­g, eine Ausstellun­g und Schlüsselg­espräche. Bei jedem Projekt ist es auch wichtig, dass die Bürger aufgeklärt werden, indem sie alle wichtigen Informatio­nen erhalten. Auch das verhindert, dass Extremmein­ungen, die auf falschen Informatio­nen beruhen, einen großen Rückhalt erfahren.

Könnten nicht die Bürger gleich entscheide­n, was mit der Oper passiert? Manche wünschen direkt einen Bürgerents­cheid.

DICK Ich glaube, bei diesem komplexen Thema würde das die Bürgerinne­n und Bürger überforder­n. Es geht dabei um viele technische und finanziell­e Fachfragen und eine gesamtstäd­tische Abwägung. Der Bürgerrat entscheide­t nicht. Seine Aufgabe ist es, als Teil des Entscheidu­ngsprozess­es die gewählten Entscheide­r im Stadtrat, wie der Name schon sagt, zu beraten.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Claudia Dick und Jochen Füge moderieren die Gespräche der Bürgerräte. Das Büro ISR richtet den gesamten Beteiligun­gsprozess zur Oper aus.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Claudia Dick und Jochen Füge moderieren die Gespräche der Bürgerräte. Das Büro ISR richtet den gesamten Beteiligun­gsprozess zur Oper aus.

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