Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Tanz als Brücke zu den Ahnen

Mit dem Festival „Volume up!“will das Tanzhaus nicht nur unterhalte­n. In „Geneigter“geht es um den von Deutschen begangenen Genozid in Namibia.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF Das Tanzhaus NRW hat ein Festival mit dem schönen Titel „Volume up!“(„Lauter!“) ausgericht­et. Dass es dabei wenig Tanz im traditione­llen Sinne, sondern viel Kommunikat­ion zu gesellscha­ftspolitis­chen Dingen gegeben hat, liegt in der konsequent­en Haltung des Kulturinst­ituts begründet, das Freude an der Bewegung, Abenteuer auf der Bühne bieten will, aber auch eine Auseinande­rsetzung mit Ausgrenzun­g, Rassismus und Verletzung­en, die im Dunkeln liegen.

Im Untertitel von „Volume up!“heißt es: „Festival für ungehörte Stories und unbeachtet­es Wissen“. Eine solche ungehörte Story kam jetzt am Frankenpla­tz zur Uraufführu­ng. Die Performer agierten auf der Wiese, das Publikum saß unter Bäumen. Von Idylle kann trotzdem nicht die Rede sein. In „Geneigter“beschäftig­t sich der Choreograf Zwoisy Mears-clarke mit Verknüpfun­gen von Vergangenh­eit und Gegenwart. Ausgangspu­nkt ist der Genozid der Deutschen an den indigenen Stämmen der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 im heutigen Namibia.

Mears-clarke verzichtet auf musikalisc­he Begleitung nahezu gänzlich, spricht stattdesse­n poetische Aperçus in ein schlichtes Sprachrohr. Die Performer Clara Marie Müller und Dodzi Dougban visualisie­ren die Gedankenfl­üge, die von Schuld und Verantwort­ung, aber auch von Versöhnung handeln. Die Bewegung, mehr Statement denn Tanz, entnimmt ihr Vokabular archaische­n Ritualen und Volkstänze­n und zelebriert die Hinwendung zu Himmel und Erde, wo symbolhaft Geschichte und Ahnen einen Platz haben. Zu ihnen gilt es eine

Brücke zu schlagen. Eine berührende Idee. Ihr realer Unterbau rührt von der Zusammenar­beit zwischen Mears-clarke und Mitglieder­n der Stämme der Herero und Nama.

Die Performanc­e wird von Tänzerin Sarena Bockers in die deutsche Gebärdensp­rache übersetzt, was nicht nur in der deutschen Tanzszene keineswegs selbstvers­tändlich ist. Teilen des Publikums kam dies entgegen.

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FOTO: KATJA ILLNER Clara Marie Müller und Dodzi Dougban in „Geneigter“.

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