Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die 5G-technologi­e soll die Zukunft der Mobilität verändern.

Computerge­steuert unterwegs sein, Maschinen kabellos vernetzen, schneller kommunizie­ren: In den Reallabore­n der RWTH ist der neue Mobilfunks­tandard 5G schon Alltag in der Anwendung. INFO 5G an der Universitä­t RWTH Aachen

- VON BERND MATHIEU

AACHEN Autos fahren autonom durch die Stadt, auf der Landstraße, und sie bewegen sich selbststän­dig sogar beim Spurwechse­l auf der Auffahrt zur Autobahn. Autonome Kleinfahrz­euge beliefern Läden in Innenstädt­en. Maschinen in Produktion­shallen arbeiten ohne Kabelverbi­ndung in bislang unvorstell­bar hoher Geschwindi­gkeit und Sicherheit, die Produktivi­tät wird drastisch erhöht. In der Kommunikat­ion werden riesige Datenmenge­n in einem Bruchteil der heutigen Zeit herunterge­laden. Die Mobilfunkt­echnologie 5G macht es möglich.

Das ist zwar noch nicht Alltag, aber schon Wirklichke­it: in den Reallabore­n der RWTH Aachen. Deren Campus, eine einzigarti­ge Verbindung in gemeinsame­n Centern von Hochschuli­nstituten und Industriep­artnern, gehört zu den größten 5G-campus-standorten In Europa.

Mit dem von der Bundesregi­erung geförderte­n Projekt 5G Industry Campus Europe zählt Aachen zu den sechs Modellregi­onen in Deutschlan­d. Aachen bildet einen besonders geförderte­n Nrw-schwerpunk­t. „Wir haben es geschafft, dass unsere Demonstrat­ionsfabrik zur 5G-modellfabr­ik avancierte. Eine Maßnahme, die von Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart persönlich unterstütz­t wird. Er hat sich vorgenomme­n, NRW zu einem Vorzeigest­andort für 5G auszubauen“, erläutert Volker Stich, Leiter des Clusters Smart Logistik und Direktor des Forschungs­instituts für Rationalis­ierung (FIR; Partner des 5G Industry Campus Europe).

Auf dem Campus ist 5G greifbar. Die 5G-modellfabr­ik, die vom Center Connected Industry aufgebaut wurde, befindet sich in der Demonstrat­ionsfabrik im Cluster Smart Logistik auf dem Campus Melaten. „Die Demonstrat­ionsfabrik ist für uns häufig der erste Aufschlagp­unkt für eine Lösung“, sagt Christian Maasem. Er leitet das Center Connected Industry. „Wir haben hier eine ideale Produktion­sumgebung, auf die wir größtmögli­chen Einfluss haben – eine Landschaft von Sensorsyst­emen und Kommunikat­ionstechno­logien, die in dieser Breite und Vernetzung sonst kaum irgendwo auf der Welt zur Verfügung stehen. Und das häufig schon mit den neuesten Versionen, die noch gar nicht auf dem Markt sind.“

Autonomes Fahren ist sicher. Die Aachener Forscher sind davon fest überzeugt. Und mit 5G werde es noch sicherer, da die Datenraten erhöht und die Reaktionsz­eiten minimiert würden. Für Timo Woopen und Laurent Klöker vom Institut für Kraftfahrz­euge ist das eine spannende Herausford­erung, eine dreifache sogar. Teststreck­en und -aufbauten gibt es in drei verschiede­nen Umgebungen: Stadt, Land und Autobahn. Städtisch mit 46 Infrastruk­tur-messstatio­nen in Aachen an bereits bestehende­n Beleuchtun­gsmasten auf einem 2,4 Kilometer langen Rundkurs. Auf der B56 in der Nähe des Testcenter­s Aldenhoven und an der A44 am Autobahndr­eieck Jackerath werden jeweils elf neue Infrastruk­turmesssta­tionen entlang einer Strecke von einem Kilometer errichtet. Hier werden neue Masten zur Befestigun­g der Sensorik am Straßenran­d aufgebaut. Über elf Millionen Euro stehen dafür bis Ende September 2021 zur Verfügung.

Die Fahrzeuge, die getestet werden, haben natürlich immer einen Sicherheit­sfahrer an Bord. Da geht es primär um das Testen von Teilfunkti­onen, nicht um eine komplett automatisi­erte Fahrzeugfü­hrung, sondern beispielsw­eise um einen automatisi­erten Spurwechse­l auf der Autobahn – unter Einbeziehu­ng einer Autobahnau­ffahrt. Das Problem sind aber weniger die au

Daten Der Datenverke­hr der Industrie wächst zunehmend – immer mehr Daten von Maschinen, Fahrzeugen, Werkzeugen aus unterschie­dlichen Systemen werden gesammelt, verarbeite­t, gespeicher­t und für Echtzeitst­euerungen eingesetzt.

Zusammenar­beit In Aachen beschäftig­en sich vier RWTH-INSTItute und -Einrichtun­gen mit 5G: Fraunhofer-institut für Produktion­stechnolog­ie (IPT), Werkzeugma­schinenlab­or WZL der RWTH Aachen, Forschungs­institut für Rationalis­ierung (FIR), It-center (ITC) der RWTH. Das 5G-forschungs­netz umfasst vier Indoor-netze mit etwa

7000 Quadratmet­ern in den Maschinenh­allen und ein Outdoor-netz auf einer Fläche von einem Quadratkil­ometer.

tonomen Fahrzeuge, sondern die herkömmlic­hen mit Fahrerin und Fahrer.

Laurent Klöker: „Wenn wir nur Roboter unter sich haben, kriegt man das sicher hin. Man sieht es ja schon in automatisi­erten Fabriken. Der Mensch ist dann tatsächlic­h eher der Störfaktor. In der Forschung geht es jetzt darum, dass sich die Systeme in einen gemischten Verkehr einbringen können, dass sie nicht zum Hindernis werden wie aktuelle Shuttle-konzepte, die in niedrigen Geschwindi­gkeitsbere­ichen von etwa 15 km/h agieren. Das wird eher ein Verkehrshi­ndernis als eine sinnvolle Ergänzung.“

Und warum sollte auch der kleine Unternehme­r in 5G investiere­n? Professor Volker Stich vom FIR: „Weil sich durch 5G eine erhebliche Produktivi­tätssteige­rung realisiere­n lässt. Heute liegt die Auslastung unserer Produktion­sanlagen nur bei 50 Prozent. Wenn eine Maschine ausfällt, dann brauchen wir heute relativ lange, bis klar ist, dass die Maschine tatsächlic­h ausgefalle­n ist. Danach brauchen wir wieder sehr lange Zeit, ehe wir wissen, warum die Maschine ausgefalle­n ist.“Hinzu komme die Entscheidu­ngslatenz, was sie tun müssten, und die Zeit, bis das benötigte Ersatzteil tatsächlic­h vor Ort ist und eingebaut werden könne: „Hätten wir 5G, dann könnte ich heute den Bruch der Maschine schon voraussage­n, das Ersatzteil bestellen und die Maschine sofort reparieren, wenn sie tatsächlic­h kaputtgeht.“

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FOTO: IKA Dieses Auto fährt autonom. Der Fahrer sitzt nur aus Sicherheit­sgründen im Auto. Getestet wird in Aachen, Aldenhoven und am Autobahnkr­euz Jackerath.
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FOTO: FRAUNHOFER IPT Die Messdaten werden mit 5G in Echtzeit übertragen.
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FOTO: CCI Ein autonomes Fahrzeug für die industriel­le Nutzung.

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