Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Im Interview lehnt die Schulminis­terin eine Impfpflich­t für Lehrer ab.

Die Nrw-schulminis­terin will aber in Erfahrung bringen, wie viele geimpft sind.

- KIRSTEN BIALDIGA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Frau Gebauer, bereiten Ihnen die steigenden Inzidenzen Sorge? GEBAUER Das Infektions­geschehen verfolge ich sehr genau. Dass die Infektione­n zum Schulstart steigen würden, war erwartbar, und da die Inzidenz in NRW über 100 liegt, gilt es, das Geschehen auch weiter genau zu beobachten.

Viele Kinder sind noch ungeimpft, die Inzidenzen steigen gerade bei Zehn- bis 18-Jährigen. Was tun Sie zu deren Schutz?

GEBAUER Die Inzidenzza­hlen sind für alle Bereiche in NRW nicht mehr das alleinige Kriterium bei der Bewertung der Lage, und das ist auch richtig so. Die Landesregi­erung hat sich daher konsequent­erweise auch für einen inzidenzun­abhängigen Schulbetri­eb entschiede­n, allerdings unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen, etwa der Maskenpfli­cht im Unterricht, hochwertig­en und optimierte­n Testverfah­ren sowie Impfangebo­ten an Schulen. Wir alle haben erlebt, was Wechselund Distanzunt­erricht für unsere Kinder und deren Familien bedeuten. Die Landesregi­erung wird alles daransetze­n, den Präsenzunt­erricht aufrechtzu­erhalten.

Sie hatten angekündig­t, nach den ersten 14 Tagen im neuen Schuljahr die Maskenpfli­cht zu überprüfen. Wird sie aufgehoben?

GEBAUER Wir werden uns das Infektions­geschehen wie angekündig­t weiter anschauen und auf dieser Grundlage entscheide­n. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, eine Entscheidu­ng zu treffen. Diese wird es aber zeitnah geben.

Was tritt an die Stelle der Inzidenz als Maßstab?

GEBAUER Wir führen derzeit eine gesellscha­ftliche Debatte darüber. Die Ministerpr­äsidentenk­onferenz hat erklärt, dass künftig die Zahl der Krankenhau­seinweisun­gen eine größere Rolle spielen soll. Wie wir neben der Inzidenz das Infektions­geschehen künftig bewerten, muss jetzt der Bund entscheide­n. Danach werden wir diese Empfehlung auf Landeseben­e beurteilen.

Hat das Kriterium der Hospitalis­ierung für Schüler Sinn? Kinder müssen nicht so häufig ins Krankenhau­s eingewiese­n werden, können aber schwer erkranken. GEBAUER Als alleiniges Kriterium halte ich die Krankenhau­seinweisun­gen aus Schulsicht nicht für geeignet. Für jüngere Menschen könnten andere Kriterien hinzukomme­n. Dies sollten die Rki-experten mit dem Bund vorbereite­n.

Haben Sie einen Plan für den Worst Case, etwa eine aggressive Mutante?

GEBAUER Wir befinden uns in einer Pandemie, in der es wahrschein­lich immer wieder Varianten geben kann, und werden mit Corona wohl dauerhaft leben müssen. Aber das Land tut alles für den größtmögli­chen Schutz: Impfen, Testen, Hygienereg­eln, stationäre und mobile Luftfilter – alles, um den Unterricht sicherzust­ellen.

Warum haben Sie die Luftfilter­Programme nicht schon vor einem Jahr auf den Weg gebracht? GEBAUER Schon Ende vorigen Jahres hat die Landesregi­erung 50 Millionen Euro für mobile Luftfilter in Schulen bereitgest­ellt. Davon sind 20 Millionen Euro abgeflosse­n. Jetzt kommen zusammen mit dem Bund noch einmal 90,4 Millionen hinzu. Das ist nicht wenig.

Das erste Programm betraf nur Räume, die kaum zu lüften sind.

Warum haben Sie mit dem zweiten Programm so lange gezögert? GEBAUER NRW ist nicht spät dran, zusammen mit Bayern haben wir das Programm als eines der ersten Bundesländ­er aufgelegt.

Warum nicht auf einen Schlag? GEBAUER Luftfilter sind nur ein Baustein, um den Unterricht­sbetrieb noch sicherer zu machen. Das Umweltbund­esamt empfahl zunächst nur eine sehr eingeschrä­nkte Nutzung und hat seine Meinung erst später leicht geändert, hält aber am Lüften mit Fenstern weiter fest. Man darf sich mit den Geräten nicht in falscher Sicherheit wiegen: Lüften ist weiterhin, ob mit oder ohne Luftfilter im Raum, nötig und durch keine andere Maßnahme zu ersetzen.

Ein weiterer Baustein sind die Tests. Wäre es nicht besser gewesen, jeden Schüler vor Schulbegin­n zu Hause zu testen und nicht erst am ersten Schultag im Klassenver­band? GEBAUER Für Erst- und Fünftkläss­ler hatten wir vor den Feierlichk­eiten zum Schulbegin­n eine solche Empfehlung ausgesproc­hen, sich vorher zu testen. Für alle anderen wurde ein Test unter Aufsicht in den Schulen durchgefüh­rt.

Eltern berichten vermehrt, dass die Gesundheit­sämter sich im Quarantäne­fall bei ihnen tagelang nicht melden. Wie ist das zu erklären?

GEBAUER Dazu ist mir bis heute nichts bekannt, aber um die Gesundheit­sämter kümmert sich auch mein Kollege Minister Laumann.

Warum wird die Kontaktnac­hverfolgun­g in Kneipen abgeschaff­t, in der Schule aber aufrechter­halten? GEBAUER In den Schulen bleiben wir wie bisher bei der strengen Kontaktnac­hverfolgun­g, die Lehrkräfte müssen weiter Sitzpläne anfertigen. Ich trage für meinen Bereich die Verantwort­ung, damit sicherer Schulbetri­eb möglich ist.

Haben Sie einen Überblick, wie viele Lehrkräfte geimpft sind? GEBAUER Die Lehrerverb­ände nennen eine Quote von 90 Prozent. Wir wollen uns selber ein genaues Bild machen, wie viele Lehrkräfte geimpft sind, und werden eine Abfrage starten. Die Angaben sind natürlich freiwillig und anonym. Mit den Ergebnisse­n rechnen wir in den nächsten Wochen.

Wird es eine Impfpflich­t für Lehrer geben, falls die Zahlen niedriger ausfallen als erwartet?

GEBAUER Nein, es wird definitiv keine Impfpflich­t für Lehrer und auch nicht für Schülerinn­en und Schüler geben. Wir sind aber als Arbeitgebe­r im Schulminis­terium daran interessie­rt, die Impfquote zu kennen, um einschätze­n zu können, inwieweit Lehrer geschützt sind.

Wagen Sie eine Prognose, wie lange der Präsenzunt­erricht angesichts der rasant steigenden Infektions­zahlen dieses Mal durchzuhal­ten ist?

GEBAUER Einen landesweit­en Lockdown wird es nicht mehr geben, wie der Ministerpr­äsident schon sagte. Der Präsenzunt­erricht ist die beste Form des Lehrens und Lernens, und wir müssen als Gesellscha­ft alles daransetze­n, ihn weiter zu ermögliche­n. Aber die Pandemie ist leider unberechen­bar, und daher muss Politik auch immer reagieren können, wenn Unvorherge­sehenes geschieht.

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FOTO: DPA Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP).

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