Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Im Interview lehnt die Schulministerin eine Impfpflicht für Lehrer ab.
Die Nrw-schulministerin will aber in Erfahrung bringen, wie viele geimpft sind.
Frau Gebauer, bereiten Ihnen die steigenden Inzidenzen Sorge? GEBAUER Das Infektionsgeschehen verfolge ich sehr genau. Dass die Infektionen zum Schulstart steigen würden, war erwartbar, und da die Inzidenz in NRW über 100 liegt, gilt es, das Geschehen auch weiter genau zu beobachten.
Viele Kinder sind noch ungeimpft, die Inzidenzen steigen gerade bei Zehn- bis 18-Jährigen. Was tun Sie zu deren Schutz?
GEBAUER Die Inzidenzzahlen sind für alle Bereiche in NRW nicht mehr das alleinige Kriterium bei der Bewertung der Lage, und das ist auch richtig so. Die Landesregierung hat sich daher konsequenterweise auch für einen inzidenzunabhängigen Schulbetrieb entschieden, allerdings unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, etwa der Maskenpflicht im Unterricht, hochwertigen und optimierten Testverfahren sowie Impfangeboten an Schulen. Wir alle haben erlebt, was Wechselund Distanzunterricht für unsere Kinder und deren Familien bedeuten. Die Landesregierung wird alles daransetzen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten.
Sie hatten angekündigt, nach den ersten 14 Tagen im neuen Schuljahr die Maskenpflicht zu überprüfen. Wird sie aufgehoben?
GEBAUER Wir werden uns das Infektionsgeschehen wie angekündigt weiter anschauen und auf dieser Grundlage entscheiden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, eine Entscheidung zu treffen. Diese wird es aber zeitnah geben.
Was tritt an die Stelle der Inzidenz als Maßstab?
GEBAUER Wir führen derzeit eine gesellschaftliche Debatte darüber. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat erklärt, dass künftig die Zahl der Krankenhauseinweisungen eine größere Rolle spielen soll. Wie wir neben der Inzidenz das Infektionsgeschehen künftig bewerten, muss jetzt der Bund entscheiden. Danach werden wir diese Empfehlung auf Landesebene beurteilen.
Hat das Kriterium der Hospitalisierung für Schüler Sinn? Kinder müssen nicht so häufig ins Krankenhaus eingewiesen werden, können aber schwer erkranken. GEBAUER Als alleiniges Kriterium halte ich die Krankenhauseinweisungen aus Schulsicht nicht für geeignet. Für jüngere Menschen könnten andere Kriterien hinzukommen. Dies sollten die Rki-experten mit dem Bund vorbereiten.
Haben Sie einen Plan für den Worst Case, etwa eine aggressive Mutante?
GEBAUER Wir befinden uns in einer Pandemie, in der es wahrscheinlich immer wieder Varianten geben kann, und werden mit Corona wohl dauerhaft leben müssen. Aber das Land tut alles für den größtmöglichen Schutz: Impfen, Testen, Hygieneregeln, stationäre und mobile Luftfilter – alles, um den Unterricht sicherzustellen.
Warum haben Sie die LuftfilterProgramme nicht schon vor einem Jahr auf den Weg gebracht? GEBAUER Schon Ende vorigen Jahres hat die Landesregierung 50 Millionen Euro für mobile Luftfilter in Schulen bereitgestellt. Davon sind 20 Millionen Euro abgeflossen. Jetzt kommen zusammen mit dem Bund noch einmal 90,4 Millionen hinzu. Das ist nicht wenig.
Das erste Programm betraf nur Räume, die kaum zu lüften sind.
Warum haben Sie mit dem zweiten Programm so lange gezögert? GEBAUER NRW ist nicht spät dran, zusammen mit Bayern haben wir das Programm als eines der ersten Bundesländer aufgelegt.
Warum nicht auf einen Schlag? GEBAUER Luftfilter sind nur ein Baustein, um den Unterrichtsbetrieb noch sicherer zu machen. Das Umweltbundesamt empfahl zunächst nur eine sehr eingeschränkte Nutzung und hat seine Meinung erst später leicht geändert, hält aber am Lüften mit Fenstern weiter fest. Man darf sich mit den Geräten nicht in falscher Sicherheit wiegen: Lüften ist weiterhin, ob mit oder ohne Luftfilter im Raum, nötig und durch keine andere Maßnahme zu ersetzen.
Ein weiterer Baustein sind die Tests. Wäre es nicht besser gewesen, jeden Schüler vor Schulbeginn zu Hause zu testen und nicht erst am ersten Schultag im Klassenverband? GEBAUER Für Erst- und Fünftklässler hatten wir vor den Feierlichkeiten zum Schulbeginn eine solche Empfehlung ausgesprochen, sich vorher zu testen. Für alle anderen wurde ein Test unter Aufsicht in den Schulen durchgeführt.
Eltern berichten vermehrt, dass die Gesundheitsämter sich im Quarantänefall bei ihnen tagelang nicht melden. Wie ist das zu erklären?
GEBAUER Dazu ist mir bis heute nichts bekannt, aber um die Gesundheitsämter kümmert sich auch mein Kollege Minister Laumann.
Warum wird die Kontaktnachverfolgung in Kneipen abgeschafft, in der Schule aber aufrechterhalten? GEBAUER In den Schulen bleiben wir wie bisher bei der strengen Kontaktnachverfolgung, die Lehrkräfte müssen weiter Sitzpläne anfertigen. Ich trage für meinen Bereich die Verantwortung, damit sicherer Schulbetrieb möglich ist.
Haben Sie einen Überblick, wie viele Lehrkräfte geimpft sind? GEBAUER Die Lehrerverbände nennen eine Quote von 90 Prozent. Wir wollen uns selber ein genaues Bild machen, wie viele Lehrkräfte geimpft sind, und werden eine Abfrage starten. Die Angaben sind natürlich freiwillig und anonym. Mit den Ergebnissen rechnen wir in den nächsten Wochen.
Wird es eine Impfpflicht für Lehrer geben, falls die Zahlen niedriger ausfallen als erwartet?
GEBAUER Nein, es wird definitiv keine Impfpflicht für Lehrer und auch nicht für Schülerinnen und Schüler geben. Wir sind aber als Arbeitgeber im Schulministerium daran interessiert, die Impfquote zu kennen, um einschätzen zu können, inwieweit Lehrer geschützt sind.
Wagen Sie eine Prognose, wie lange der Präsenzunterricht angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen dieses Mal durchzuhalten ist?
GEBAUER Einen landesweiten Lockdown wird es nicht mehr geben, wie der Ministerpräsident schon sagte. Der Präsenzunterricht ist die beste Form des Lehrens und Lernens, und wir müssen als Gesellschaft alles daransetzen, ihn weiter zu ermöglichen. Aber die Pandemie ist leider unberechenbar, und daher muss Politik auch immer reagieren können, wenn Unvorhergesehenes geschieht.