Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Erste 39 Afghanen erreichen NRW
Die Rettung der Ortskräfte geht weiter. Deren Fürsprecher erheben Vorwürfe.
DÜSSELDORF/KABUL (dpa/epd/rtr) In Nordrhein-westfalen sind die ersten 39 Geretteten aus Afghanistan angekommen. Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) berichtete am Dienstag, dass es sich dabei um Familien sowie eine alleinreisende Person handle, die am Morgen in einer Aufnahmeeinrichtung in Viersen angekommen seien. NRW sei bereit, über den üblichen Verteilschlüssel der Bundesländer hinaus weitere Menschen aufzunehmen. Die Landesregierung hatte bereits erklärt, bis zu 800 Plätze für afghanische Ortskräfte und deren Familienangehörige bereitzustellen. Weitere 1000 Plätze will das Land Schutzbedürftigen zur Verfügung stellen, insbesondere Frauen wie bedrohten Bürgerrechtlerinnen, Menschenrechtsaktivistinnen, Künstlerinnen und Journalistinnen.
Das Patenschaftsnetzwerk Afghanischer Ortskräfte erhob derweil schwere Vorwürfe gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Vorsitzende Marcus Grotian sagte, das Kanzleramt habe nicht reagiert, als er darauf hingewiesen habe, dass sich die Ministerien bei der Aufgabe, Ortskräfte von Bundeswehr und deutschen Hilfsorganisationen zu retten, „gegenseitig blockieren“. Der Verein warnt seit Monaten, dass die Taliban sich an Helfern und deren Familien rächen könnten. Die Bundesregierung weitete den Kreis derjenigen aus, die für eine Rettung infrage kommen. Grundsätzlich seien das jetzt auch Ortskräfte der Entwicklungszusammenarbeit, deren Beschäftigung mehr als zwei Jahre zurückliege, teilte das Entwicklungsministerium mit. Analog zur Regelung des Verteidigungsministeriums sei nun eine Beschäftigung ab 2013 ausschlaggebend.
Während die Evakuierungsflüge aus Kabul weitergingen, berichtete die Un-hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, von schwersten Menschenrechtsverletzungen nach der Machtübernahme der Taliban. Darunter seien Massenhinrichtungen von Zivilisten und Angehörigen regierungstreuer Sicherheitskräfte. Der Bewegungsspielraum von Frauen sei in manchen Regionen eingeschränkt worden, Mädchen dürften teils nicht mehr zur Schule gehen.