Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Inzidenzen brauchen Ergänzung
Zurzeit überbieten sich die Gesundheitspolitiker, die Bedeutung der Inzidenzen kleinzureden. Die sprunghaft gestiegene Zahl der Neuinfektionen sei angesichts einer hohen Impfquote und weniger Krankenhauseinweisungen der falsche Indikator, heißt es von Spahn und Co. Kurz vor der Bundestagswahl wollen viele Politiker den Menschen nicht allzu viel zumuten.
Das Urteil über die Inzidenzen kommt vorschnell. Denn nach wie vor sind sie eine passable Kennziffer, um frühzeitig die Verbreitung der Pandemie zu messen. Noch besser dafür geeignet wäre der Reproduktionswert R, der die Ansteckungshäufigkeit angibt und nicht dauerhaft über eins liegen darf. Denn in einem sind sich die Experten weitgehend einig: Die Ausbreitung des Coronavirus bekämpft man am besten am Beginn einer neuen Welle. Richtig ist aber auch, dass die Inzidenzen nicht mehr allein maßgeblich für harte Corona-maßnahmen sein dürfen. Hier erweist sich die durchschnittliche Zahl der Krankenhauseinweisungen, die Hospitalisierungsrate, als der bessere Indikator. Entscheidend ist am Ende die Kapazität des Gesundheitssystems. Sie gerät in Gefahr, wenn zu viele Menschen in den Krankenhäusern oder gar auf den Intensivstationen landen. Denn Covid ist nicht die einzige Krankheit, die den Menschen zu schaffen macht. Auch Diabetes, Krebs und Herzkrankheiten, ja selbst eine gefährliche Grippe, müssen adäquat behandelt werden.
Leider ist auch die Hospitalisierungsrate nicht frei von Verzerrungen. Derzeit stecken sich vor allem junge Menschen an, bei denen die Infektion selten ins Krankenhaus führt. Doch das ist trügerisch. Denn viele Jugendliche haben später ernste Beschwerden, was man auch Long Covid nennt. Der Kampf gegen das Coronavirus bleibt eben vertrackt.
BERICHT LASCHET UND LAUMANN ANGEZEIGT, POLITIK