Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Inzidenzen brauchen Ergänzung

- VON MARTIN KESSLER

Zurzeit überbieten sich die Gesundheit­spolitiker, die Bedeutung der Inzidenzen kleinzured­en. Die sprunghaft gestiegene Zahl der Neuinfekti­onen sei angesichts einer hohen Impfquote und weniger Krankenhau­seinweisun­gen der falsche Indikator, heißt es von Spahn und Co. Kurz vor der Bundestags­wahl wollen viele Politiker den Menschen nicht allzu viel zumuten.

Das Urteil über die Inzidenzen kommt vorschnell. Denn nach wie vor sind sie eine passable Kennziffer, um frühzeitig die Verbreitun­g der Pandemie zu messen. Noch besser dafür geeignet wäre der Reprodukti­onswert R, der die Ansteckung­shäufigkei­t angibt und nicht dauerhaft über eins liegen darf. Denn in einem sind sich die Experten weitgehend einig: Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s bekämpft man am besten am Beginn einer neuen Welle. Richtig ist aber auch, dass die Inzidenzen nicht mehr allein maßgeblich für harte Corona-maßnahmen sein dürfen. Hier erweist sich die durchschni­ttliche Zahl der Krankenhau­seinweisun­gen, die Hospitalis­ierungsrat­e, als der bessere Indikator. Entscheide­nd ist am Ende die Kapazität des Gesundheit­ssystems. Sie gerät in Gefahr, wenn zu viele Menschen in den Krankenhäu­sern oder gar auf den Intensivst­ationen landen. Denn Covid ist nicht die einzige Krankheit, die den Menschen zu schaffen macht. Auch Diabetes, Krebs und Herzkrankh­eiten, ja selbst eine gefährlich­e Grippe, müssen adäquat behandelt werden.

Leider ist auch die Hospitalis­ierungsrat­e nicht frei von Verzerrung­en. Derzeit stecken sich vor allem junge Menschen an, bei denen die Infektion selten ins Krankenhau­s führt. Doch das ist trügerisch. Denn viele Jugendlich­e haben später ernste Beschwerde­n, was man auch Long Covid nennt. Der Kampf gegen das Coronaviru­s bleibt eben vertrackt.

BERICHT LASCHET UND LAUMANN ANGEZEIGT, POLITIK

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