Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Tv-spiele können beginnen

Am Sonntag starten die Dreikämpfe der Kanzlerkan­didaten im Fernsehen. Welche Performanc­e müssen Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock bieten, um als Sieger aus dem Studio zu gehen? Ein Rückblick und ein Ausblick.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Ein Satz kann die Entscheidu­ng bringen. „Sie kennen mich“, lautete 2013 der kleine Geniestrei­ch der Kanzlerin im Tv-duell gegen ihren damaligen Spd-herausford­erer Peer Steinbrück. Spiel, Satz und Sieg. Für Angela Merkel (CDU) war die mediale Auseinande­rsetzung immer eine lästige Pflichtübu­ng, auf die sie gut und gerne hätte verzichten können. Merkel tritt nicht mehr an. Und weil es nun drei Kanzlerkan­didaten gibt, wird aus dem Duell ein Triell – ein Dreikampf.

Der erste große findet am kommenden Sonntag ab 20.10 Uhr bei RTL/N-TV statt. Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) stellen sich den Fragen von Chefmodera­tor Peter Klöppel und Pinar Atalay, früher Ard-„tagestheme­n“. Danach übernimmt Boulevard-moderatori­n Frauke Ludowig, die einige prominente Gäste das Gesagte bewerten lässt. Das zweite Triell folgt am 12. September im Ersten und im ZDF, das Finale wird dann am 19. September auf Prosieben, in Sat 1 und bei Kabel Eins übertragen.

Wie bei jeder Tv-veranstalt­ung mit wahlkämpfe­nden Politikern bleibt nichts dem Zufall überlassen, weder bei den Redezeiten, den Kameraeins­tellungen noch bei den Themenblöc­ken. Dafür sorgen die Teams der Kandidaten, die zugleich ihre Schützling­e auf jede Unwägbarke­it vorbereite­n. Überraschu­ngen gibt es daher kaum, sodass eigentlich der Begriff Duell – beziehungs­weise Triell – falsch gewählt ist.

Es sei denn, einem der Moderatore­n gelingt mal ein Coup. So wie 2013 Stefan Raab, der Peer Steinbrück damals vorhielt: „Das ist doch keine Haltung zu sagen: Ich will nur gestalten, wenn ich King of Kotelett bin.“Die Redewendun­g vom „King of Kotelett“blieb dem feixenden Publikum in Erinnerung – und Raab brachte sie sogar eine Nominierun­g für den Grimme-preis ein. Damals ging übrigens noch etwas ganz anderes als Gewinner aus dem Studio: Merkels rot-gold-schwarze „Schland-kette“, die für erhebliche­s Aufsehen sorgte. Manchmal werden halt Nebensächl­ichkeiten wichtiger als das Gesagte. Was wiederum auch an Letzerem liegen kann.

Die Hoheit über die Einladunge­n zu den Tv-runden liegt bei den Sendern. In der Vergangenh­eit wurde regelmäßig die Frage der Chancengle­ichheit diskutiert. Im Jahr 2002, als der mittlerwei­le verstorben­e Guido Westerwell­e Kanzlerkan­didat der FDP war, zogen die Liberalen sogar vors Verfassung­sgericht, um Westerwell­es Teilnahme an den Tv-duellen zwischen Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) zu erzwingen. Allerdings scheiterte­n sie damals mit ihrem Ansinnen. 2002 feierte das Duell-format auch Premiere, inzwischen ist es aus dem Wahlkampf nicht mehr wegzudenke­n. Meist war das Rennen um das Kanzleramt allerdings zum Zeitpunkt des Streits vor den Kameras schon entschiede­n, wie 2017 zwischen Martin Schulz und Angela Merkel. Der Spd-kanzlerkan­didat hatte seinerzeit den „Schulz-zug“bereits gegen die Wand gefahren. Merkel blieb cool, der Genosse hingegen harmlos.

Und diesmal? Die Ausgangsla­ge vor dem Aufeinande­rtreffen der drei Kanzlerkan­didaten ist pikant, Laschet und Baerbock haben in den Umfragen mächtig verloren, Scholz hat erheblich aufgeholt. Der Bamberger Kommunikat­ionswissen­schaftler Olaf Hoffjann glaubt deshalb, dass schon lange kein Tv-schlagabta­usch mehr mit so großer Spannung verbunden gewesen ist wie diesmal – „vergleichb­ar vielleicht mit dem 2005 zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel“, sagte Hoffjann unserer Redaktion. Weil noch so vieles unklar sei, würden sich die Bürger konkrete Antworten und eindeutige Unterschie­de erhoffen: „Deswegen haben die drei Tv-diskussion­en in diesem Jahr eine so große Bedeutung für den Wahlausgan­g.“

Doch welcher Kanzlerkan­didat muss was liefern? Hoffjann analysiert die Herausford­erungen für Armin Laschet so: „Für ihn geht es vielleicht schon um alles: Wenn sich bis Sonntag der Abwärtstre­nd in den Umfragen fortsetzt und er auch noch das Triell in der öffentlich­en Bewertung verliert, könnte ihm schon in einer Woche die Auswechslu­ng drohen. Laschet muss konkreter werden und in die Offensive kommen, zugleich aber souverän bleiben. Sein einziger Vorteil: Weil die Erwartunge­n an ihn so gering sind, könnte er schon mit einer ordentlich­en Performanc­e positiv überrasche­n.“Bei Annalena Baerbock kommt der Experte zu folgendem Ergebnis: „Seit dem fehlerhaft­en Lebenslauf ist sie nie mehr aus der Defensive gekommen. Sie wirkte zunehmend nervöser und gehemmter. Wenn es ihr gelänge, sich freizuschw­immen und beherzt in die Offensive zu gehen, könnte sie zur Überraschu­ngssiegeri­n des Abends werden. Ansonsten droht sie noch weiter ins Abseits zu geraten.“

All diese Sorgen habe Olaf Scholz im Moment nicht, glaubt Hoffjann: „Er kann die Angriffe in Ruhe abwarten. Nur sollte dieses Abwarten nicht zu offensicht­lich werden. Die Grenze zwischen souveräner Zurückhalt­ung einerseits, Arroganz und Lethargie anderersei­ts ist schmal. Die größte Bedrohung für Olaf Scholz ist damit er selbst.“

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FOTOS: DDP, DPA Tv-duelle: Angela Merkel mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (2005, von oben nach unten) und den Kanzlerkan­didaten Frank-walter Steinmeier (2009), Peer Steinbrück (2013) sowie Martin Schulz (2017).
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