Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Die Opfer waren nicht umsonst“
EVA HÖGL Die Wehrbeauftragte des Bundestags fordert mehr Trauma-therapien für Soldaten.
Frau Högl, in Afghanistan sind in fast 20 Jahren 59 Bundeswehrsoldaten gestorben, jetzt herrschen wieder die Taliban. Waren die Opfer umsonst?
HÖGL Die Opfer der Bundeswehr in Afghanistan waren mit Sicherheit nicht umsonst. In den 20 Jahren hat sich Afghanistan zunächst sehr verändert. Es gab Bildung für Kinder, Ansätze von Demokratie, Frauen hatten mehr Rechte. Das oberste Ziel, dass internationaler islamistischer Terror nicht mehr von Afghanistan ausgehen sollte, schien für längere Zeit erreicht worden zu sein. Dafür haben Deutschland und die Bundeswehr am Ende einen hohen Preis gezahlt.
Jetzt endet der Abzug im Chaos. Wie groß ist die Wut in der Truppe auf die Politik?
HÖGL Bei den Soldatinnen und Soldaten stelle ich im Moment weder übermäßige Wut noch Enttäuschung fest, aber eine hohe Besorgnis. Viele haben sich schon immer kritisch mit den Zielen der Afghanistan-mission beschäftigt. Aktuell überwiegt in der Bundeswehr die Anspannung angesichts des sehr schwierigen und gefährlichen Evakuierungseinsatzes in Kabul.
Muss es nach dem Kabul-einsatz eine besondere Nachsorge geben?
HÖGL
Seelische Belastungen, Traumata aus dem Einsatz – das muss ganz intensiv nachbereitet werden. Wir brauchen mehr und gezielte Angebote für Soldatinnen und Soldaten, damit sie die schrecklichen Erfahrungen loswerden können. Das gilt auch für die, die in den vergangenen 20 Jahren bereits in Afghanistan waren. Die sehen das und machen alles noch einmal durch.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-karrenbauer will den „Kopf hinhalten“für den laufenden Einsatz. Gut so?
HÖGL Das ist ein ganz starkes Zeichen der Verteidigungsministerin. Es ist absolut notwendig und richtig. Sie hat dem Kommandeur vor Ort freie Hand gegeben. Und erklärt, dass sie als Ministerin für alles die politische Verantwortung übernimmt. Das ist eine Rückendeckung, die ich so deutlich noch nie von einem Verteidigungsminister oder einer Verteidigungsministerin gehört habe. Sie verknüpft das offensichtlich mit ihrem eigenen politi
schen Schicksal.
Wo und wie können Fehler analysiert werden?
HÖGLICH fordere eine grundlegende Aufarbeitung des gesamten Afghanistan-einsatzes. Eine Enquetekommission des Deutschen Bundestags wäre dafür ein geeigneter Rahmen. Die zu späte Rettung der Ortskräfte, die Frage, warum alle die Kompetenz der afghanischen Armee falsch eingeschätzt haben – es gibt nach der Bundestagswahl eine Menge aufzuarbeiten. Das halte ich für dringend nötig. Es muss schonungslos und sorgfältig bilanziert werden.
Ist der Mali-einsatz noch verantwortbar?
HÖGLICH halte den Mali-einsatz für sehr schwierig, weil sich da auch die Frage stellt, welche Ziele wir erreichen wollen. Der Anschlag auf die Bundeswehr hat gezeigt, wie gefährlich es in Mali ist. Wir müssen nach der Wahl noch einmal intensiv über Sinn und Zweck der Mission reden.
Die Spd-führung, inklusive Olaf Scholz, hat eine Bewaffnung von Drohnen auf Eis gelegt. Nimmt man der Bundeswehr damit ein wichtiges Instrument zum Eigenschutz? HÖGL Bewaffnete Drohnen sind für die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sehr wichtig. Das zeigen eine ganze Reihe von Einsatzszenarien. Es geht um den Schutz der Truppe und die Möglichkeit, auf Bedrohungen flexibel zu reagieren. Ich hoffe sehr, dass der nächste Bundestag nicht noch mal jahrelang diskutiert. Die Debatte ist geführt, alle Argumente sind ausgetauscht, die Sache ist entscheidungsreif.