Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Der unterschätzte Sommer
Für viele Menschen ist die schönste Jahreszeit gefühlt ausgefallen. Dabei war der Sommer aus meteorologischer Sicht durchschnittlich, nur etwas zu nass und sogar zu warm. Auch für den Herbst sagen die Modelle keine Extreme voraus.
DÜSSELDORF Sommer? War da was? Wenn nächste Woche, am 1. September, aus meteorologischer Sicht der Herbst beginnt, werden sich viele Menschen um die schönste Jahreszeit betrogen fühlen. Denn gefühlt hat der Sommer dieses Jahr massiv geschwächelt und neben zerstörerischen Niederschlägen kaum das gebracht, was man sich gemeinhin unter dieser Jahreszeit vorstellt: entspanntes Grill- und Strandwetter zum Beispiel. „Stimmt nicht“, sagt Dominik Jung, Meteorologe beim Wetterdienst Wetter.net. Von der Datenlage her seien die vergangenen Monate im Vergleich zum langjährigen Mittel völlig durchschnittlich gewesen. „Was wir erlebt haben, war ein wechselhafter, eben typisch deutscher Sommer“, sagt Jung. Und viel komme auch nicht mehr nach: Ein warmer Altweibersommer sei bislang nicht in Sicht.
Dass die vergangenen Monate als eher nicht sommerlich empfunden wurden, hängt laut Jung vielleicht damit zusammen, dass es in den Jahren 2018 bis 2020 in dieser Zeit viel zu heiß und zu trocken gewesen ist. Dies sei aber eher untypisch für unsere Breitengrade. „Tatsächlich war sogar dieser Sommer um 1,9 Grad zu warm, die mittlere Temperatur lag bei 18,9 Grad“, erklärt Jung. Als amtlicher Vergleichszeitraum werden immer die Jahre 1961 bis 1990 herangezogen. Demnach liegt auch die Sonnenscheindauer bislang bei 94 Prozent des langjährigen Mittels, und ein paar sonnige Tage stehen ja noch aus. Nur bei den Niederschlägen tanzt der diesjährige Sommer etwas aus der Reihe mit 110,7 Prozent, also bislang 10,7 Prozent über dem Mittelwert. Trotz der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal und in der Eifel konstatiert Jung aber nur einen „leicht zu nassen“Sommer– auch hier klaffen Empfinden und Wirklichkeit auseinander.
Der Deutsche Wetterdienst ordnet die auslaufende warme Jahreszeit ebenfalls als „normalen mitteleuropäischen Sommer“ein, denn dieser gehe nicht einher mit Sonne satt und 30 Grad, sondern präsentiere sich eher wechselhaft und mäßig warm bis warm. „Das liegt daran, dass wir uns in der Westwindzone befinden, und da der Jetstream dieses Jahr häufig über Mitteleuropa liegt, ist somit kein heißes und stabiles Sommerwetter möglich. Dafür müsste die Strömung längere Zeit auf südliche oder östliche Richtungen drehen“, schreibt DWD-METEorologe Marcel Schmid. Für ihn ist das Meckern über den missratenen Sommer Jammern auf höchstem Niveau. Zum Vergleich zieht Schmid das Jahr 1816 heran. Jenes sei als das „Jahr ohne Sommer“in die Annalen eingegangen.
Zurückzuführen war dies laut Schmid auf den Ausbruch des Vulkans Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815. „Dieser schleuderte eine große Menge vulkanischen Materials bis in etwa 43 Kilometer Höhe und somit bis in die Stratosphäre hinein. Die Partikel wurden rund um den Globus verteilt. Dadurch kam es in einigen Regionen zu einer erhöhten atmosphärischen Trübung, wodurch weniger Sonnenstrahlung bis zur Erdoberfläche vordringen konnte. Damit erwärmte sich zwar die Stratosphäre, an der Erdoberfläche kam es jedoch zu einer Abkühlung.“
Die negative Abweichung gegenüber dem Mittel 1781 bis 1810 habe bei etwa zwei Grad gelegen, erklärt Schmid. „Das hört sich jetzt nicht allzu viel an, wenn man jedoch bedenkt, dass etwa in der Schweiz im Juli bis in die Niederungen noch Schnee fiel, dann wird einem bewusst, wie kalt es doch tatsächlich war.“Schmids Fazit: Es geht deutlich kälter als in diesem Sommer.
Viel Wärme ist aber in den nächsten Tagen nicht mehr zu erwarten. Am Mittwoch können laut dem Meteorologen Jung noch einmal örtlich bis zu 23 Grad erreicht werden, ab Donnerstag jedoch wird es wieder deutlich wechselhafter, zum Wochenende auch stark windig. „Selbst die 20-Grad-marke wird dann kaum noch erreicht“, sagt Jung. Wie es im September weitergeht, ist noch unklar. Sowohl das amerikanische als auch das europäische Wettermodell würden einen normal temperierten September und Oktober vorhersagen, auch die Niederschlagsmengen liegen demnach im Mittel. Jung: „Da aber schon der Durchschnittssommer von vielen Menschen als zu kühl empfunden wurde, könnte es dem Herbst genauso ergehen.“